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Predigten

Abtsbenediktion von P. Peter Stuefer

Samstag, 11. November 2023

Bozen, Muri-Gries

Bischof Ivo Muser

 

Liebe Klostergemeinschaft von Muri – Gries, liebe Äbte, lieber Herr Pfarrer und liebe Mitbrüder, Eccellenza, stimato Commissario del Governo, geehrte Vertreter und Vertreterinnen des öffentlichen Lebens, liebe Ordensleute, cari confratelli e cari religiosi e religiose, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, fratelli e sorelle nella fede, lieber Abt Peter!

Bewegt waren die vergangenen Jahre hier im Kloster von Muri – Gries: der schnelle, überraschende Tod von Abt Benno, die Wahl und der Rücktritt von Abt Beda, der Pfarrerwechsel hier in Gries von P. Robert zu P. Ulrich, die Wahl zum Prior Administrator von P. Peter, der Klosteraustritt und das Verlassen des Priesteramtes von P. Ulrich, der Rückzug aus der Pfarrverantwortung der dem Kloster inkorporierten Pfarreien hier in Gries, in Jenesien und in Afing, die Wahl von P. Peter zum neuen Abt am vergangenen 21. September. Viel Bewegung und Veränderung in einer bewegten Zeit, in unserer Gesellschaft und in unserer Diözese, in unseren Familien, Pfarrgemeinden und Ordensgemeinschaften, in unserer Kirche. Das alles prägt auch diese Feier. Das alles schafft Raum für Nachdenklichkeit, für Realismus, für das Innehalten und für das Gebet - und für eine Hoffnung, an der Christen erkannt werden müssen.

In meiner Zeit als Regens unseres Priesterseminars in Brixen hat mir ein erfahrener Benediktinerabt einmal gesagt: „Die erste Frage, die ich einem Kandidaten stelle, der in unser Kloster eintreten will, lautet: Suchst du Gott?“ Dieser Satz geht mir bis heute nach. Suchst du Gott? – das ist die entscheidende Frage des Christseins und jeder geistlichen Berufung.

Lieber Abt Peter, ein Abt soll nach der Regel des heiligen Benedikt einer Gemeinschaft von Gott-Suchern vorstehen. Es geht nicht darum, etwas mit eigenen Kräften zu schaffen und auf den Weg zu bringen, sondern darum, sich mit allen Kräften ein Leben lang auf die Suche zu begeben.

Mit dieser hoffnungsvollen Ermutigung darfst und sollst du, lieber P. Peter, Abt dieses Klosters und dieser Gemeinschaft sein – unter den heutigen Bedingungen, in unserer bewegten Zeit, in die auch du gestellt bist und in der du gebraucht wirst. Ich denke oft an das Wort von Romano Guardini: „Es mag bessere Zeiten gegeben haben als die unsere; aber das ist unsere, und in dieser Zeit sind wir als Christen gefragt.“ Auch unsere Zeit ist Heilszeit, durch alle Unsicherheiten, Umbrüche, offenen Fragen und menschlichen Sorgen hindurch. Wir bekennen es jedes Jahr in der größten und wichtigsten Feier unseres Glaubens, in der Osternacht, bei der Bereitung der Osterkerze: „Christus, gestern und heute. Anfang und Ende. Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit. Sein ist die Macht und die Herrlichkeit“. Ja, das ist die österliche Hoffnung, die ich dir in dieser Stunde zusagen will: Jesus Christus. IHM gehört auch unsere Zeit. Diese Glaubensüberzeugung schenkt Freude, Mut und Entlastung.

Benedikt versteht das Kloster als ein Bild für die Kirche. Jetzt könnte jemand denken: Das Kloster als Idealbild für die Kirche. Das glaube ich nicht! Das Kloster ist keine heile Welt. Wer im Kloster die heile Gegenwelt sucht, ist fehl am Platz; denn im Kloster ist die Welt, wie das Kloster in der Welt ist. Aber das Kloster ist dazu da, die Welt von innen her umzuformen, in aller Bedrängnis, in aller Bewährung, in aller Geduld, aber in der Hoffnung, weil die Liebe Gottes ausgegossen ist in unsere Herzen und deshalb sich durchsetzt, und so die Welt, unsere konkrete

Welt, zur Welt Gottes wird. Ein tägliches Suchen und Ringen für den Abt wie für seine Brüder!

Dass hier im Kloster keine Idealwelt ist, zeigt sich schlicht und einfach daran: Wir sind heute zusammen gekommen, um den Abt zu segnen, weil er es nötig hat; um für ihn den Segen Gottes zu erbitten, damit er mit seinen Brüdern etwas durchscheinen lassen kann, was uns allen als Christen und Christinnen in dieser Welt aufgetragen ist: die lebenslange Suche nach Gott, nach jenem Gott, der in der Menschwerdung, in der Botschaft, im Kreuzes- und Ostergeschehen Jesu gezeigt hat, dass er uns sucht und nicht verlieren möchte.

Wir brauchen keinen Sinn zu machen, aber unser Leben kann nur gelingen, wenn wir den Sinn suchen, jenen Sinn, den Gott in die Welt und in unser fragendes und ringendes Herz gelegt hat. Wir sind es nicht, die den Sinn machen und bringen könnten. Wir sind es nicht – nicht als Kloster, nicht als Diözese und nicht als weltweite Kirche! Aber uns braucht es, um die Frage nach Gott in dieser Welt und in unserer Zeit zu stellen und lebendig zu halten. Kardinal Carlo Maria Martini hat es in einem Hirtenbrief schon in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts so ausgedrückt: „Die Spaßgesellschaft hat ihre Gewissheiten verloren, die Ich - Agentur geht in Konkurs, weil sie keinen Sinn stiften kann, der den Menschen Zuversicht und Orientierung schenkt. Durch Gott kommt eine andere Dimension ins Spiel. Es ist nicht nur die Dimension etwas herzustellen, etwas zu leisten und zu vollbringen. Er ist die Öffnung auf den inneren Sinn des Ganzen. Eine Welt ohne Gott ist in sich geschlossen. Nur in einer Welt mit Gott gibt es Hoffnung und damit bleibenden Sinn.“

Lieber Abt Peter, es war dein besonderer Wunsch, dass deine Segnung zum Abt eurer Gemeinschaft am Fest des heiligen Martin stattfindet, am Festtag eures Klosterpatrons. Die Martinsgeschichte ist wie ein Kommentar zur Gerichtsrede Jesu, die wir heute im Evangelium gehört haben und die im Satz gipfelt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Der ganz konkrete Mensch als Ort der Christusbegegnung. Teilen verbindet: untereinander und mit DEM, der sich mit jedem Menschen identifiziert. Teilen heißt, Menschen teilhaben lassen an meinem Leben, anderen geben von meinem Leben, nicht wegschauen, sondern hinschauen, nicht nur theoretisieren, sondern handeln, sich nicht heraushalten und zurückziehen, sondern sich identifizieren. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Die Martinsgeschichte wäre aber nicht vollständig erzählt, wenn sie aufgelöst würde in eine bloße äußere Aktion. Martin ist auch ein Mann der Stille und des Gebets. Das mönchische Leben prägt seine Gestalt und sein Wirken. Auch als Bischof von Tours wird er die mönchische Lebensform nicht aufgeben. Martin hat sich viel Zeit für Kontemplation und Stille genommen, um mit Gott in Verbindung zu sein. Das Erstaunliche: Obwohl oder gerade weil er so zurückgezogen lebt, geht von ihm eine ungeheure Wirkkraft aus. Auch hier wird wieder die biblische Geschichte fortgeschrieben: Gottes- und Nächstenliebe sind die beiden Eckpfeiler, die im richtigen Verhältnis zueinander stehen müssen. Die Hinwendung zum Menschen und die Hinwendung zu Gott sind keine Konkurrenz und keine Gegensätze, sondern der bleibende Spannungsbogen, der Menschen in der Nachfolge Jesu aufgetragen ist. Teilen verbindet – mit den Mitmenschen und über die Menschen mit Gott.

Lieber Abt Peter, mir haben die Worte gefallen, die du mir geschrieben hast: „Ich habe nun Ja gesagt zur Aufgabe, die mir für weitere sechs Jahre übergeben ist in einer nicht ganz einfachen Zeit. Ich werde versuchen, zu geben, was ich habe und bin. Und ich werde wie in den letzten drei Jahren die Hilfe und das Gebet vieler brauchen, besonders auch die Fürsprache des hl. Benedikt und des hl. Martin“. Um für dich zu beten, dich zu segnen und dir nahe zu sein - deswegen sind wir jetzt da, ich und wir alle.

Vor fünfundzwanzig Jahren wurdest du im Brixner Dom von Bischof Wilhelm Egger zum Priester geweiht, zusammen mit Bischof Michele aus Treviso, Abt Eduard vom Kloster Neustift, Pfarrer Roland Mair und Chorherr Artur Schmitt. Gehe jetzt deinen Weg als Priester und Abt weiter, mit Freude, Entschiedenheit und Hoffnung und unter dem schönen Leitwort, das du dir aus der Benediktsregel gewählt hast: „per ducatum Evangelii – unter der Führung des Evangeliums“. Darum geht es. Das Evangelium trägt und weist uns den Weg – auch heute.