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Predigten

Hochfest des hl. Augustinus

Lieber Herr Prälat, liebe Gemeinschaft der Augustinerchorherren von Neustift, liebe Schwestern und Brüder im Glauben! Mit großer Freude darf ich heute mit Euch allen hier in Neustift, in einer der bekanntesten und am meisten besuchten Kirchen unseres Landes, den größten Kirchenvater des Abendlandes feiern: Augustinus, einen Mann voller Leidenschaft, von höchster Intelligenz und unermüdlicher pastoraler Sorge. Über keine Gestalt der alten Kirche sind wir so gut informiert wie über Augustinus. Wir kennen sein genaues Geburtsdatum am 13. November 354 in Thagaste in Nordafrika. Wir kennen die Namen seiner Eltern Patricius und Monika; wir wissen, dass er einen Bruder namens Navigius und eine Schwester hatte, die später als Witwe an der Spitze eines Frauenklosters stand. Wir wissen von seiner leidenschaftlichen Beziehung zu einer Frau, die vierzehn Jahre dauerte, und wir kennen den Namen seines außerehelichen Sohnes Adeodatus. Wir wissen, dass er mit 32 Jahren am 24. April 387 in der Osternacht zusammen mit seinem Sohn vom großen Bischof Ambrosius im Mailänder Dom getauft worden ist. Und so könnte ich noch viele andere Daten und Ereignisse aus seinem bewegten Leben aufzählen bis zu seinem Tod am 28. August 430 – heute sein Festtag und wie die Liturgie sagt, sein Geburtstag für den Himmel. Augustinus ist der Kirchenvater, der die größte Zahl an Werken und Predigten hinterlassen hat. Papst Benedikt verehrt Augustinus als den Theologen und geistlichen Schriftsteller, der ihn selber am meisten geprägt hat. Mit seinen Worten, die er am Grab des großen Kirchenvaters in Pavia ausgesprochen hat, möchte ich heute hier in dieser Stiftsbasilika von Neustift sagen: „In dieser Stunde danken wir für das große Licht, das von der Weisheit und der Demut des hl. Augustinus ausgeht, und wir bitten den Herrn darum, dass er uns allen Tag um Tag die nötige Bekehrung schenke und uns so zum wahren Leben führen möge“. An drei Wendepunkte in der bewegten Bekehrungs-, Lebens- und Glaubensgeschichte des hl. Augustinus möchte ich jetzt erinnern: Wendepunkte in seiner Biographie als Botschaft für uns. 1. Der erste und grundlegende Wendepunkt war sein Weg zum Glauben und zur Taufe. Augustinus war zum einen ein Mensch seiner Zeit, ganz von ihren Gewohnheiten und Leidenschaften, von allen Fragen und Problemen eines jungen Mannes gezeichnet. Er hat gelebt wie alle anderen auch, und doch war da auch immer etwas anderes: Er ist immer ein Suchender geblieben. Er war nie einfach zufrieden mit dem Leben, wie es nun einmal ist und wie alle anderen es auch leben. Er war immer von der Frage nach der Wahrheit getrieben. Er wollte herausbringen, was der Mensch ist; woher die Welt kommt; woher wir selber kommen, wohin wir gehen und wie wir das wahre Leben finden. Er wollte das rechte Leben finden, nicht einfach dahinleben. Die leidenschaftliche Sehnsucht nach Wahrheit ist der Motor seines bewegten Fragens und Suchens, die große Unruhe seines Lebens. Alles, was nicht der Wahrheit entsprach, war ihm immer ein Stück zu wenig. Augustinus war, auch in seinen Umwegen, in seinen Irrwegen und auf seinen Abwegen – von denen er später ganz offen erzählen wird – nie ein oberflächlicher, satter oder selbstzufriedener Mensch.Er erzählt selber davon, dass er immer geglaubt hat, einmal schwächer, einmal stärker, dass es Gott gibt. Er schildert uns, wie er von der Philosophie des großen griechischen Philosophen Platon erlernt und erkannt hatte, dass am Anfang von allem das Wort war, der schöpferische Sinn. Aber die Philosophie allein zeigte ihm keinen Weg zu diesem Sinn der Welt und des Menschen. Dieser Sinn, diese Wahrheit, die er mit Leidenschaft suchte, blieb fern, unberührbar. Erst im Glauben der Kirche fand er die Wahrheit, nach der er suchte: Der Sinn von allem, das Wort ist Fleisch geworden. Nur so, sagt Augustinus, berührt Gott, dieser letzte Sinn von allem, uns, mich. Als seine große Bekehrung versteht Augustinus seine Einsicht: Auf die Herablassung Gottes zu uns Menschen, auf seine Menschwerdung, muss der Mensch mit der Demut des Glaubens antworten. Stolz ist für Augustinus das Haupthindernis für den Glauben. Augustinus steht vor uns als einer, der den geistigen Hochmut des Besserwissens eintauscht mit dem demütigen Glauben an Gott, der Fleisch geworden ist, mitten in dieser Welt, inmitten seiner menschlichen Kirche. IHM waren seine Welt und seine Kirche nicht zu schmutzig!Suchende bleiben, sich nicht zufrieden geben mit dem, was alle sagen und tun. Den Stolz ablegen. Die Demut des Glaubens erlernen in der Kirche Jesu Christi, die für immer und durch alles hindurch sein Leib ist. Augustinus erlebt seine Bekehrung in der Einsicht: Wer Gott finden will, muss ihn suchen in seinem fleischgewordenen Wort, das Jesus Christus ist. Und dieser Jesus Christus ist nicht zu finden ohne die Gemeinschaft mit seinem Leib, der die Kirche ist. 2. Ein zweiter Wendepunkt im Leben des Augustinus. Nach seiner Taufe und dem Tod seiner Mutter Monika hatte er sich entschlossen, nach Afrika zurückzukehren. Er gründete dort mit seinen Freunden ein kleines Kloster. Sein Leben sollte nun ganz dem Gespräch mit Gott und dem gemeinsamen Bedenken und Beschauen der Schönheit und Wahrheit seines Wortes gelten. So verbrachte er vier glückliche Jahre; eine Reihe kostbarer theologisch-philosophischer Werke ist in dieser Zeit entstanden. Als man aber in der Hafenstadt Hippo einen Priester brauchte, hat man ihn geradezu zur Weihe gezwungen. Er selber schreibt an seinen Bischof Valerius: „Ich fühle mich wie jemand, der nicht rudern kann und doch zum zweiten Steuermann ernannt worden ist. Das war auch der Grund, weshalb ich im Stillen bei meiner Weihe geweint habe“ (Epistula 31,1f). Mit seiner Weihe ändert sich das Leben des Augustinus noch einmal. Der schöne Traum eines beschaulichen Lebens war damit ausgeträumt. Und als er wieder vier Jahre später zum Bischof geweiht wurde, erkennt er noch deutlicher, dass sein Leben in eine Richtung geht, die er nicht geplant hatte. Jetzt wurde es seine Aufgabe, seine hohen Gedanken und Erkenntnisse in das Denken und Sprechen der einfachen Menschen zu übersetzen. Was nun sein Alltagsleben war, hat er selber einmal so beschrieben: „Unruhestifter zurechtweisen, Kleingläubige trösten, sich der Schwachen annehmen, Gegner widerlegen , Träge wachrütteln, Streitende besänftigen, Armen helfen, Unterdrückte befreien, Gute ermutigen, Böse ertragen und – ach – alle lieben“. (Sermones 340,3).Augustinus hat als Priester und Bischof gelernt, dass Christsein wesentlich damit zu tun hat, immer wieder neu für andere da zu sein. Es geht nicht um die eigene Vollkommenheit, es geht nicht, um es mit einem Lieblinsgedanken unserer Zeit zu sagen, um Selbstverwirklichung. Es geht um den Mut, mit Christus das Leben für andere zu wagen, ja dieses Leben ganz zur Verfügung zu stellen, damit andere IHM, dem wahren Leben, begegnen können. Welcher Segen geht aus von Menschen, die sich für das Heil anderer Menschen beanspruchen lassen! Augustinus hält mir als Bischof, allen Priestern und nicht zuletzt Euch, seinen Augustiner Chorherren, einen deutlichen Spiegel vor Augen. Augustinus und seine Bereitschaft, sich als Priester und Bischof rufen, weihen und sich ganz für Christus und die Menschen beanspruchen zu lassen, könnte jungen Menschen heute Mut machen zu einem geistlichen Beruf: Es lohnt sich, nicht nur um sich selbst zu kreisen und es liegt viel Segen darauf! 3. Und noch einen dritten Wendepunkt in der Biographie des großen Kirchenvaters. Etwa zwanzig Jahre nach seiner Bischofsweihe schaut Augustinus in seinem Buch, das den Titel „Retractationes“ trägt, auf seine Werke und auf sein Leben zurück. Da erkennt er: Nur einer ist wirklich vollkommen, nur in einem sind die Worte der Bergpredigt ganz erfüllt: in Jesus Christus allein. Die ganze Kirche aber – wir alle, die Apostel und die Amtsträger eingeschlossen – müssen jeden Tag beten: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern (vgl. Retractationes I,19,1-3). Augustinus hatte eine letzte Demut gelernt: nicht nur die Demut, sein großes philosophisches Denken in den einfachen Glauben der Kirche einzufügen; nicht nur die Demut, seine großen Einsichten in die Einfachheit und die Alltäglichkeit der Verkündigung zu übersetzen, sondern auch die Demut, dass wir als einzelne Gläubige und als Kirche immer der barmherzigen und vergebenden Güte Gottes bedürfen und dass wir nur dann Christus, dem einzig Vollkommenen, ähnlich werden, wenn wir wie er Menschen der Barmherzigkeit werden. Mit den Worten des großen Kirchenvaters aus seinen Bekenntnissen empfehle ich uns alle unserem Gott, den Augustinus ein Leben lang als Schönheit und Wahrheit gesucht hat: „Wirf dich auf den Herrn und fürchte dich nicht. Er wird nicht ausweichen und dich nie fallen lassen. Wirf dich unbesorgt auf ihn. Er wird dich auffangen, dich heilen (Confessiones VIII 11). Hl. Augustinus, bitte für die Gemeinschaft der Augustiner Chorherren, die dich als ihren Ordensvater verehrt; bitte für alle suchenden und fragenden Menschen heute, vor allem für unsere jungen Menschen; bitte für unsere Ortskirche und für die weltweite Gemeinschaft der Kirche, die dir so viel verdankt. Bitte für uns.