Ja, der Fernunterricht ist eine Herausforderung. Ich muss sagen, dass ich mich nach anfänglicher Einarbeitungsphase grundsätzlich gut zurecht finde. Ich habe mit allen Klassen in der Oberschule ein eigenes Reli bzw. Reli&Philo-Team auf Teams eingerichtet. Diese nutze ich auf zwei Ebenen - einerseits für den Austausch und andererseits für den fachlichen Inhalt. Ich habe - als Leiter unserer ZIB-Stelle - auch ein Vademecum für den Digitalunterricht für alle Schüler*innen erstellt und den Lehrpersonen zur Verfügung gestellt.
Zum Austausch:
Ich habe - bis auf eine Klasse - alle zu Teams-Meetings getroffen, wo es vor allem um den Austausch ging und ein offenes Ohr und Unterstützung angeboten. Diese Angebote wurden auch von höheren Klassen gerne genutzt, wobei ich eine Maturaklasse, die keine Videokonferenz wollte, auch nicht dazu gezwungen habe. Besonders in den ersten Wochen war das Interesse, sich einfach einmal zu treffen und auszutauschen groß. Mittlerweile sind wir alle im neuen Alltag angekommen und diese Treffen werden nur mehr bei Bedarf gemacht. In der Klasse, wo ich Klassenlehrer bin, mache ich es im zweiwöchigen Rhythmus, um auch konkrete Anliegen der Lehrerschaft der Klasse gegenüber und umgekehrt zu besprechen. Darüber hinaus schreiben die Schüler*innen rege zu allen Tag- und Nachtzeiten und auch an Feiertagen, in den Ferien und am Wochenende und so kann man - wenn man nicht manchmal bewusst den Aus-Knopf drückte - rund um die Uhr arbeiten.
Zur inhaltlichen Arbeit:
Inhaltlich habe ich am Beginn versucht, „normalen“ digitalen Unterricht zu machen. Die Schüler*innen und ich sind bald an eine Grenze gestoßen. Der Austausch in einer Großgruppe ist nicht wie gewohnt möglich. Es ist schwieriger, unmittelbar an ihre Erfahrungen anzuknüpfen und für sie wird es eher ein langweiliger Film, wo sie innerlich abschalten. Ich habe darauf reagiert und erstelle seither kurze Erklärvideos. Diejenigen Inhalte, die ich sonst an die Tafel schreiben oder mit Beamer projizieren würde, bereite ich als PDF-Datei vor. Im Video, das normalerweise ca. 5-12 Minuten pro Einheit dauert, erläutere ich die zentralen Inhalte, die mitgeschickten Materialien und die Aufgaben, die sie erledigen sollen. Zuerst bin ich im Bild zu sehen, ich spreche sie persönlich an und schalte dann auf den Bildschirm mit den Dateien und erläutere meine digitale Tafel - die davor erstellte pdf-Datei oder was auch immer. Die Arbeitsaufträge erstelle ich mittlerweile so, dass die Arbeitsblätter nicht mehr ausgedruckt werden müssen, sondern als pdf-Datei, die direkt am Computer ausgefüllt abgespeichert und wieder hochgeladen werden kann. Bei manchen Schüler*innen funktioniert das nicht. Sie können dann einfach eine Word-Datei abgeben. Zu Ostern habe ich z.B. zwei inhaltlich gute Videos im Internet gesucht und den Schüler*innen den Link dazu geschickt. Dazu habe ich ihnen auf Kahoot einige Quiz erstellt mit je 10 Fragen und jeder Klasse ihren Code zugesandt, damit sie das Quiz zu den Filmen machen können. Für sie ist das ganz nett und ich bekomme eine Auswertung, wo ich sehen kann, wer sich die Videos angeschaut hat und wie viel Mühe sie sich dabei machen. Den Schüler*innen der 3. und 4. Klassen gebe ich auch Rechercheaufgaben mit klaren Anweisungen, bei den jüngeren Schüler*innen arbeite ich mehr mit dem Buch und eigenen Materialien. Für zwei Klassen habe ich einen Online-Vortrag von je 1,5 Stunden zu den Hutterern organisiert. Dieser wird Mitte Mai auch auf Teams durchgeführt. Die Übungseinheit mit dem Referenten haben wir bereits erfolgreich abgeschlossen.
Zeitaufwand für die Schüler*innen:
Insgesamt mache ich es so, dass ich den Schüler*innen Aufträge gebe, die sie locker in den 50 Wochenminuten bewältigen können. Sie sollen keinen Zusatzstress durch Religion bekommen. Das muss nicht sein. Auf den Test in den unteren Klassen verzichte ich aber nicht. Ich werde ihn über Microsoft-Forms durchführen. Das funktioniert ganz gut und ist auch für die Auswertung eine große Hilfe.
Maturant*innen als Spezialthema:
Den Maturant*innen stelle ich seit Anfang März Artikel und Texte zu Verfügung - in einer ersten Phase haben diese auf die aktuelle Situation reflektiert (Freiheit und Corona, Wissenschaft vs. Politik, Fakenews, Gesundheit vs. Wirtschaft?, Corona-Rassismus, Geschlechtergerechtigkeit und Corona etc.) und jetzt konzentriere ich mich auf die übergreifenden Maturathemen, wo ich ihnen Texte z.B. aus Laudatosi (zum Thema Nachhaltigkeit oder soziale Gerechtigkeit) oder Evangelii Gaudium (zum Thema Querdenker - mit dem berühmten Satz „Diese Wirtschaft tötet“) zur Verfügung stelle. Sie haben den Auftrag, dazu frei einzelne Passagen zu kommentieren und kurz dazu Stellung zu beziehen. Ich bin überrascht, wie viele von ihnen ausführliche und sehr gute Kommentare dazu verfassen. Einige interessieren sich naturgemäß weniger dafür. Das ist aber auch in Ordnung.
Bin ich am richtigen Weg?
Um meinen Weg nach 5 Wochen auch auf seine Wirksamkeit zu überprüfen, habe ich letzte Woche in allen Klassen eine Iqes-Umfrage zu meinem digitalen Unterricht durchgeführt. Die Rücklaufquote war mit über 80 % sehr gut und so konnte ich auch schauen, was ich anpassen und besser machen kann. Diese Umfrage habe ich nach Maturaklassen, Religionsklassen und Klassen, wo ich Philosophie und Religion unterrichte, getrennt und spezifisch durchgeführt. Die Fragen bezogen sich auf die Videos, die Unterlagen, die Erreichbarkeit und das Maß an Heraus-, Unter- bzw. Überforderung.
Zusammenfassend ...
… wenn man will, kann man viel machen und viele Wege finden, dass der Religionsunterricht regelmäßig stattfindet und auch wahrgenommen wird. Die Schüler*innen machen - wie sonst im Unterricht auch - von ausgezeichnet bis manchmal kaum mit und es gibt auch einzelne Schüler*innen (vor allem der ersten Klassen), die abtauchen und das in allen Fächern. Da bemühen wir uns, möglichst den Kontakt aufrecht zu erhalten und zu motivieren. Der Austausch mit den Kolleg*innen ist wichtig und auch eine Hilfe. Es gibt auch einige Schüler*innen, die in ein Loch fallen, die Schule aufgeben wollen etc. - auch hier sind viele Gespräche zu führen, hinzuhören und Perspektiven zu erarbeiten. Als Koordinatoren bedenken wir die Schule in Distanz im nächsten Herbst etc. Wir planen jetzt auch schon in der Fachgruppe, wie wir unseren Schulabschluss gestalten können, weil es einen schönen Abschluss braucht, auch wenn der Abschlussgottesdienst nicht stattfinden kann. Die Rede von den "Digital Natives“ ist für mich zu einem Fragezeichen geworden, weil viele Schüler*innen intensive Hilfe bei der Verwendung der normalen Programme brauchen. Da muss ich oft im Einzeltelefonat Schritt für Schritt erklären, wie sie Dateien abspeichern und abgeben können etc. Viel Zeit benötigen auch die schriftlichen Rückmeldungen, weil jeder abgegebene Arbeitsauftrag auch bearbeitet und kommentiert wird. Mir ist alles andere als langweilig und ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass ich mein Wochestundensoll mehr als erbringe.