Ich möchte drei weitere Themen nennen, die mir im Zusammenhang mit unserem Jahresthema am Herzen liegen: die Begleitung kranker und sterbender Menschen, die Vorbereitung auf die Sakramente und die Verantwortung für die Schöpfung.
Begleitung kranker und sterbender Menschen
Es ist ein Thema, für das uns die Pandemie noch einmal stark sensibilisiert hat. Es ist aber auch ein Thema, das durch die aktuellen Debatten um die Euthanasie und den assistierten Suizid eine ganz neue Dimension bekommt. Ich möchte mein Anliegen in dieser Sache prägnant auf den Punkt bringen: „Wir brauchen eine Richtungsentscheidung für das Leben.
Überdeutlich haben wir erlebt, was fehlt, wenn am Ende des Lebens die menschliche Nähe fehlt. Über jede medizinische Maßnahme hinaus brauchen wir den Zuspruch und den Trost, jemanden, der uns sagt: „Ich bin bei dir und steh dir bei, komme, was wolle“. Als Christinnen und Christen erfüllt uns die Hoffnung, dass das Leben auch durch Leid und Krankheit nicht seinen Sinn verliert. Von dieser Hoffnung geben wir Zeugnis, indem wir kranken und sterbenden Menschen nahe sind. Sie sollen an der Hand, nicht durch die Hand eines anderen Menschen sterben dürfen.
Der Todeswunsch eines Menschen muss unbedingt ernst genommen werden. Es sind oft schwere Schicksale und große Schmerz- und Leiderfahrungen, die einem Menschen den Lebenswillen und den Lebensmut nehmen, sodass er den Wunsch äußert zu sterben. In der Begleitung von kranken und sterbenden Menschen sowie von psychisch Kranken wäre es aber eine verführerische Alternative, hier stehen zu bleiben und den Todeswunsch einfach zu erfüllen. Oft stecken hinter dem geäußerten Todeswunsch Ängste und Sorgen, denen wir auf eine andere Weise als durch die Tötung oder Beihilfe zu Suizid begegnen müssen, z. B. die Angst vor Schmerzen, vor der Einsamkeit oder die Sorge, den Angehörigen zur Last zu fallen. Was würde aus unserer Gesellschaft, dem Gesundheits- und Sozialsystem, wenn nicht mehr die Begleitung im Leben, sondern die – unter Umständen billigere, einfachere und schnellere – Tötung eines Menschen oder die Begleitung im Suizid als Vorzeichen über der Begegnung mit kranken und verzweifelten Menschen stünde? Welchem Druck würden wir alte und schwerkranke Menschen aussetzen?
In der gesamten Debatte um Euthanasie und assistierten Suizid wird vielfach das Argument der Freiheit ins Feld geführt. Hier lohnt es sich näher hinzusehen. Die Entscheidung zum Suizid oder der Wunsch nach Sterbehilfe beruht auf einer Reihe von äußeren Faktoren und sozialen Determinanten, sodass diese nicht einfach unter dem Titel der Freiheit des Einzelnen abgehandelt werden können. Betroffene leiden in vielen Fällen gerade darunter, dass ihre Freiheit sehr eingeschränkt ist und sie oft keine Alternative mehr zum Sterben sehen. Deshalb halte ich es für entscheidend, dass wir sterbewilligen Menschen Alternativen aufzeigen, beispielsweise die Palliativmedizin oder die Sedierung im Falle von schwer erträglichen Schmerzen. Zugleich lebt Freiheit nie einfach im luftleeren Raum, sondern verwirklicht sich wesentlich im Dialog und in der gegenseitigen Verantwortung zwischen den Menschen. Nicht die Beliebigkeit, sondern die Verantwortung füreinander ist höchster Ausdruck der Freiheit.
Wir brauchen eine Richtungsentscheidung für das Leben. Ich wünsche mir, dass wir als Kirche dafür klar und deutlich einstehen. Auch politisch, aber nicht nur. Sondern vor allem auch in einer unbedingten Option für die Nähe. Kein Mensch darf allein gelassen werden, kein Hilferuf überhört werden. Es ist unsere Aufgabe als Christen, die Nähe und Liebe Gottes zu bezeugen, die auch den Tod überwindet. Indem wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, das körperliche und psychische Leiden zu lindern. Indem wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, die Menschen sozial einzubinden und geistlich zu begleiten. Aber auch, indem wir die Grenzen der Medizin annehmen und niemanden gegen den eigenen Willen therapieren oder aber indem Therapien abgebrochen oder unterlassen werden, wenn sie ihr Ziel nicht mehr erreichen. Jedenfalls dürfen wir niemanden für seine Entscheidungen und für sein Leid verurteilen.