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Predigten

Abschluss des diözesanen Prozesses zur Seligsprechung von Maria von Mörl

Fest der Taufe des Herrn – Abschluss des diözesanen Prozesses zur Seligsprechung von Maria von Mörl – Kaltern, 12. Jänner 2019

Biblische Texte: Jes 42,5a.1-4.6-7; Lk 3,15-16.21-22

Das Fest der Taufe des Herrn, mit dem wir morgen den weihnachtlichen Festkreis abschließen, führt uns an den Jordan. Jesus solidarisiert sich so sehr mit den sündigen Menschen, dass er sich in seiner Taufe auf ihre Stufe stellt. Er empfängt die Bußtaufe des Johannes, die er nicht notwendig hat. Er steigt herab in das schmutzige Wasser des Jordans, um in Berührung zu kommen mit dem Schmutz, mit der Sünde der Menschen. Durch seine ganze öffentliche Tätigkeit wird er zeigen, dass Gott schwache und schuldbeladene Menschen nicht zurückstößt, sondern sie in seine Lebensgemeinschaft ruft. Die Taufe im Jordan ist ein entscheidender Anfang. Von hier aus wird Jesus seinen Weg gehen bis zur anderen Taufe: bis zum Untertauchen in Leiden und Tod. Gott stellt sich in seinem Sohn so sehr auf die Seite des Menschen, dass Paulus in einem kühnen und gewagten Wort sagen kann: „Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht“ (2 Kor 5,21). Damit ist die äußerste Konsequenz von Gottes Menschwerdung gezogen, die äußerste Konsequenz von Weihnachten.

In der Lesung aus dem Buch Jesaja, die uns zu diesem weihnachtlichen Festtag verkündet wird, ist die Rede von einem geheimnisvollen Knecht Gottes, der „das geknickte Rohr nicht zerbricht und der den glimmenden Docht nicht auslöscht“.Das geknickte Rohr zerbrechen und den glimmenden Docht auslöschen – das sind Bilder, die aus der Gerichtssprache des Alten Orients stammen. Beide Bilder bedeuten Schuldspruch, manchmal sogar Todesurteil.

In unserer deutschen Sprache haben wir eine Redewendung mit einer ganz ähnlichen Bedeutung: „den Stab über jemanden brechen“. Im germanischen Recht gab es nämlich den Brauch, dass der Richter nach der Verkündigung eines Todesurteils einen kleinen Stab vor den Augen des Verurteilten zerbrochen hat. Und das bedeutete: Du bist jetzt rechtskräftig verurteilt, dein Schicksal ist besiegelt.

Das geknickte Rohr zerbrechen und den glimmenden Docht löschen – das sind ernste Worte. Worte, die für die Betroffenen, denen sie gelten, das Ende bedeuten können. In unserer Lesung wird nun einem die Vollmacht zugesprochen, das geknickte Rohr zu zerbrechen und den glimmenden Docht zu löschen. Aber – dieser Bevollmächtigte verzichtet auf sein Recht!

Schon den ersten christlichen Generationen hat dieses sprechende Bild geholfen, die Person und den tiefsten Sinn der Sendung Jesu zu deuten und zu verstehen. In seinen Worten und Taten, in seinem Umgang mit Menschen, in seiner Lebenshingabe und in seiner Auferstehung erweist er sich als derjenige, der das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht. Und in ihm zeigt Gott sein wahres Gesicht: Er ist kein furchterregender, kein zürnender, kein gewalttätiger Gott; er ist der „Gott mit uns“; ein Gott, der auf sein Recht verzichtet, das geknickte Rohr endgültig zu brechen und den glimmenden Docht endgültig zu löschen.

Dieses sprechende, biblische Bild will uns am Fest der Taufe des Herrn und zum Abschluss der Weihnachtszeit die Größe und Schönheit unseres christlichen Gottesbildes verkünden: Lassen wir uns treffen vom ganzen Ausmaß der Menschwerdung Gottes! Lassen wir uns treffen von der Person Jesu, von seinem Herabsteigen in die Krippe von Betlehem und in die Fluten des Jordans, von seinem Umgang mit Menschen, von seinem Weg, von der äußersten Konsequenz seines Herabsteigens zu uns, die sich in seinem Leiden und Sterben zeigt. Bitten wir oft darum, dass in unseren eigenen Reihen, im Umgang miteinander, in unserem Urteil über andere deutlich werden kann, dass wir getauft sind auf den Tod und die Auferstehung dessen, der das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht.

Am Ende dieser Eucharistiefeier wird der diözesane Prozess für das Seligsprechungsverfahren für Maria von Mörl abgeschlossen. Eine wichtige Etappe für den weiteren Weg hin zu ihrer Seligsprechung, zu der es kommen wird, wenn, wann und wie Gott es will.

Treffend schreibt P. Gottfried Egger OFM, der bischöfliche Delegierte des Seligsprechungsverfahrens, über Maria von Mörl: "Die Dienerin Gottes wurde durch die verwandelnde Kraft der Eucharistie ganz in die Menschwerdung und Passion Christi hineingenommen. Krippe, Kreuz und Eucharistie waren für sie die Eckpfeiler ihres gelebten franziskanischen Bekenntnisses zum Mensch gewordenen Gott."

Für mich ist der Schlüssel zu ihrer Lebens-, Glaubens- und Berufungsgeschichte ihre Christusverbundenheit. Das Schauen auf Jesus, die intensive Verbundenheit mit ihm in seiner Menschwerdung und in seiner Passion sind für mich die Botschaft, die sie auch an unsere Zeit richtet: Ein auf Christus ausgerichtetes Leben hat Sinn und schenkt Sinn! Ihre Christusbeziehung zeigte sich bei ihr dann auch dadurch, dass sie 34 Jahre lang die Wundmale Jesu an ihrem Leibe trug. Dadurch wurde sie zu einem lebendigen Kruzifix, „in der vom Wirbelwind hingerissenen Zeit“, wie Josef Görres, ein Zeitgenosse, über sie bezeugt hat. Und der selige Adolph Kolping, der am 9. September 1841 mit einigen Studenten Maria von Mörl besuchte, schreibt nach dieser Begegnung in seinem Tagebuch: „Ja, auch ich kann sagen, ich habe eine Heilige gesehen, und wenn ihre Nähe auch auf andere heilsam wirkt, so glaube ich, dass ich nicht umsonst an ihrem Lager gestanden und ihre Leiden annäherungsweise mitgefühlt habe…“

Mich persönlich beeindruckt, dass Maria von Mörl selber nie über die Wundmale sprach und dass sie auch in ihren Briefen nie eine Zeile darüber verlor.

Nicht alle werden einen Zugang zu dieser Gestalt und zu ihrer Spiritualität gewinnen. Sie wird vielen auch fremd bleiben. Ihr Leben, das gekennzeichnet war von Krankheit, Leiden und Opfer, kann aber auch uns heutigen Menschen, mit den blinden Flecken unserer Zeit, sagen: Es gibt mehr, als wir verstehen! Es gibt viel mehr als die Devise: Alles jetzt, alles gleich, alles leicht, alles angenehm, alles ohne zu leiden. Ihre Gestalt kann uns im Schauen auf Jesus herausfordern und wieder neu öffnen für die Herzmitte des christlichen Glaubens: „Durch seine Wunden sind wir geheilt.“

Maria von Mörl kann uns auf Gott verweisen, auf sein Geheimnis, auf seinen Heilsplan mit uns, auf sein ganz Anders-sein, auf seine Weisheit, auf die Torheit des Kreuzes Jesu und seiner Verkündigung. Und das ist immer größer, aber auch befreiender und erlösender als alles, was wir verstehen.

Ich schließe mit einigen Auszügen aus einem Gebet von Maria von Mörl: „Mein Gott, lass mein Herz immer, in den Freuden und Leiden, auf das heilige Kreuz gerichtet sein, damit ich im Schatten des Baumes meiner Erlösung immer im Frieden rasten kann…Bewahre mir doch in meinem Herzen immer einen Platz, wo die Welt nicht eindringen und ich bei dir verweilen kann…“