"Es gibt keine Alternative zur Liebe! Jesus, der Sohn Gottes, ist Mensch mit den anderen und für die anderen. In ihm zeigt sich Gottes Liebe als Solidarität - mit uns und für uns!“, schreibt Bischof Ivo Muser im Hirtenbrief. Die Ausrichtung wirtschaftlichen Handelns an der Logik des Marktes führe „zu drastischen Einschränkungen der Solidarität“ und fördere Existenzängste, ist der Bischof überzeugt. „Dem gegenüber stelle ich mit Genugtuung und Dankbarkeit fest: Es gibt zahlreiche Initiativen im ehrenamtlichen und freiwilligen Bereich und neue soziale Bewegungen, die für ein produktives Miteinander in der Gesellschaft eintreten. Solidarität gehört für Christinnen und Christen zu den grundlegenden Tugenden der Weltgestaltung. Die Motivation, sich an der Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen, beziehen Glaubende aus dem biblischen Gottes- und Menschenbild", schreibt der Bischof.
Solidarität im Alltag
„Solidarität im persönlichen, sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und politischen Alltag ist nicht Theorie, sondern konkretes Tun! Solidarität ist nicht nur eine ‚Option‘, sondern Nachfolge Jesu Christi! Der Weg zu Gott führt zum Mitmenschen; die Liebe zu Gott drückt sich aus in der Liebe zum Nächsten. Solidarität ist für Christen und Christinnen ein lebenslanges anspruchsvolles Programm in der Schule Jesu und seiner Botschaft. Solidarität ist die Identitätskarte von Christinnen und Christen. Nicht Schlagworte wie "Wir zuerst" machen unsere Welt besser, sondern die Überzeugung: Wir brauchen einander. Nur gemeinsam mit den anderen wird das eigene Leben gelingen. Wer teilt, wird nicht ärmer, sondern reicher. Ich - du - wir gehören zusammen!“, schreibt der Bischof in seinem Hirtenbrief. Als Beispiel zitiert Muser den heiligen Vinzenz von Paul: „Es genügt nicht, Liebe im Herzen zu haben und in Worten zu äußern. Sie muss in unseren Taten sichtbar werden. Liebe ist Pflicht. Erbarmen ist das innerste Geheimnis Gottes.“
Persönlicher, organisierter und politischer Dienst
Der Dienst am Mitmenschen hat für Bischof Muser unterschiedliche Dimensionen, die einander ergänzen. Der Bischof nennt im Hirtenbrief den persönlichen Dienst, „von Angesicht zu Angesicht“, den organisierten Dienst (Diözesancaritas, Vereine, Verbände, geistliche Bewegungen) sowie den politischen Dienst, der sich für das Gemeinwohl stark macht und Widerstand leistet gegen strukturelles Unrecht. „Es gilt, eine Kultur der Aufmerksamkeit und des Helfens zu schaffen, damit Sorge und Verantwortung füreinander, Achtsamkeit und Teilen nicht leere Worte bleiben, sondern zu konkreten Taten werden“, fordert der Bischof.
In Anlehnung an Bischof Egger
Im Jahr 1992 hat Bischof Wilhelm Egger den Sozialhirtenbrief „Denkt an die fünf Brote … Unsere Sorge für Mensch und Schöpfung“ veröffentlicht. Zehn Jahre später, 2002, folgte der Hirtenbrief „Vom Alpha zum Omega, Sozial-Alphabet für die Diözese Bozen-Brixen"; mit Selbstverpflichtungen der katholischen Vereine und Verbände. „Weil sich seither viel verändert hat und sich neue Herausforderungen ankündigen, wurden die Verbände und die geistlichen Bewegungen eingeladen, ihre Selbstverpflichtungen neu zu formulieren“, schreibt Bischof Muser. Gemeinsam mit dem Hirtenbrief sind deshalb die Selbstverpflichtungen der katholischen Vereine und Verbände sowie konkrete Anregungen für Pfarreien bzw. Seelsorgeeinheiten in einer Broschüre abgedruckt und veröffentlicht worden.
Broschüre mit drei Teilen
Im ersten Teil der Broschüre ist der Hirtenbrief „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ in deutscher und italienischer Sprache abgedruckt, sowie eine Zusammenfassung des Hirtenbriefes auf Gadertalerisch und Grödnerisch. Der zweite Teil der Broschüre enthält Selbstverpflichtungen der katholischen Vereine. Der dritte Teil der Broschüre enthält konkrete Anregungen für Pfarreien bzw. Seelsorgeeinheiten. Bewusst wurde für die neue Broschüre das identische Format wie bei der Umweltfibel gewählt; es wurden auch wieder Zeichnungen von Lena Pixner aufgenommen, um auf diese Weise aufzuzeigen, dass der Einsatz für soziale Gerechtigkeit und die Schöpfungsverantwortung zwei Themen sind, die gemeinsam zu sehen sind und nicht voneinander getrennt werden können.
Selbstverpflichtungen sind Aufruf zum Handeln an uns alle
„Die Selbstverpflichtungen sind eine zuversichtlich stimmende Bestandsaufnahme, zugleich aber auch Mahnung und Handlungsappell an uns alle. Was die Möglichkeiten der Teilnahme von jungen Menschen betrifft, so werden häufig ihr Schwung und ihre Kreativität gelobt, jedoch größere Verantwortung wird ihnen kaum zugestanden. Viele positive Beispiele zeigen, dass Kindern und Jugendlichen - nicht nur im Kontext der „Fridays-for-Future“-Bewegung - sehr wohl ein verantwortungsvoller Einsatz für die Zukunft zugetraut werden kann“, ist Bischof Muser überzeugt.
Im Bemühen um Solidarität sind wir nicht allein ist Bischof Muser abschließend überzeugt: „ER geht uns voraus und ER geht den Weg mit. Es ist ein österlicher Weg, ein Weg des Umdenkens, der Umkehr, der Hingabe, der Liebe. Von Herzen wünsche ich uns allen, dass die Feier der Heiligen Woche und des Osterfestes - Mitte und Höhepunkt des Kirchenjahres - uns wieder Mut machen zum Weg in SEINER Nachfolge.“