Die Würfel sind gefallen! Diesen berühmten Satz sagte Julius Cäsar im Jahr 49 v. Chr., als er mit seiner Armee den kleinen Fluss Rubikon überschritt, der südlich von Ravenna in die Adria einmündet. Nach dieser Überschreitung setzt er den Weg nach Rom fort und entscheidet siegreich den dort tobenden Bürgerkrieg.
Achtzig Jahre später sind auf einem Hügel bei Jerusalem die Würfel gefallen. Nicht nur über dem Gewand Jesu. Auch hier ist der Kampf entschieden: „Es ist vollbracht.“
Julius Cäsar sagte: „Die Würfel sind gefallen.“ Pilatus sagte: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.“ Es wird nicht mehr rückgängig gemacht: Dort am Kreuz hängt er, der König der Juden. Am Kreuz wird wie immer eine Inschrift angebracht, ein Schuldtitel, damit jeder lesen kann, für welches Vergehen der Gekreuzigte hingerichtet wird. Das soll natürlich der Abschreckung dienen: Wer so etwas tut, wird auch so enden.
„Jesus von Nazareth, der König der Juden.“ Das ist das Vergehen von Jesus. Aus römischer Sicht ein politisches Vergehen. Denn die theologischen Streitigkeiten, ob Jesus Gottes Sohn war, ob er Sünden vergeben konnte oder ob er am Feiertag Kranke heilen durfte – diese theologischen Streitigkeiten haben einen Römer und Realpolitiker wie Pilatus nicht interessiert. Wenn aber der Königstitel ins Spiel kam, wurden die Römer hellhörig. So jemand konnte ein politischer Aufrührer sein. Und mit solchen machten die Römer kurzen Prozess, auch um mögliche Nachahmer abzuschrecken. Und diejenigen aus der jüdischen Führung, die Jesus beseitigen wollten, versuchten ihn deshalb bei Pilatus als politischen Aufrührer anzuschwärzen.
„Jesus von Nazareth, der König der Juden“: Die Kreuzesinschrift, so möchte uns der Evangelist Johannes heute sagen, drückt eine tiefe Wahrheit aus. Jesus ist wirklich ein König, auch wenn sein Reich nicht von dieser Welt ist, wie er im Verhör vor Pilatus gesagt hat. Jesus ist der König der Juden, den Gott auserwählt und gesandt hat. Doch dieser König kommt nicht, um politische Befreiung zu bringen, sondern Befreiung von Schuld, für die er am Kreuz stirbt. Er bringt seinem Volk nicht die Rückkehr zur politischen Unabhängigkeit, sondern eröffnet ihnen den Weg zurück zu ihrem Gott. Die Würfel sind gefallen: Jesus ist König.
Johannes berichtet übrigens als einziger unter den vier Evangelisten davon, dass die Kreuzesinschrift Jesu in drei Sprachen abgefasst ist: in der Landessprache Hebräisch, in der Sprache des Volkes, als dessen König Jesus gekreuzigt wird; in der Amtssprache Lateinisch, der Sprache der Besatzungsmacht; und der internationalen Verkehrssprache Griechisch, die damals in etwa das war, was heute Englisch ist. Jeder in Israel und auf der ganzen Welt soll verstehen können, wer hier am Kreuz hängt: der König und Retter der Welt.
Jesus ist der Retter für Juden und Heiden, für Griechen und Römer, für die, die ihn ans Kreuz brachten, für die, die dabeistanden, und für die, die jetzt oder später in aller Welt davon hören. Das geht die ganze Welt an! Deshalb ist die Inschrift am Kreuz in drei Sprachen abgefasst und wird auch nicht mehr geändert. Die Würfel sind gefallen: Jesus ist König und Retter der Welt.
Und nun teilen die Soldaten die Kleider des Königs unter sich auf. Sein ungenähtes Gewand zerteilen sie jedoch nicht, sondern würfeln darum. Doch im Würfeln um Jesu Gewand steckt noch eine tiefere Bedeutung. Als die ersten Menschen im Paradies gegen Gott gesündigt hatten, hatte dies sofort eine sehr spürbare Folge: Sie entdeckten, dass sie nackt waren, und schämten sich. Schuld und Scham gehören zusammen, das gilt für alle Menschen und zeigt sich hier am Beispiel von Adam und Eva. Die Übertretung Adams, des ersten Menschen, hatte Schuld und Scham über alle Menschen gebracht. Und jetzt nimmt Jesus die Schuld aller Menschen auf sich und erträgt für sie die Scham.
Jesus tritt an die Stelle der Sünder. Das zeigt sich eindrücklich daran, dass er schmachvoll entkleidet wird und die Soldaten seine Kleider unter sich aufteilen. Jesus erträgt für uns und für alle Menschen die Scham der Nacktheit. Die Würfel sind gefallen: Jesus stirbt für die Sünde der Menschheit.
Und dann sagt Jesus dieses bedeutungsvolle letzte Wort: „Es ist vollbracht.“ Das heißt nicht einfach: „Es ist zu Ende“, geschweige denn: „Es ist überstanden“, sondern: „Es ist zu Ende gebracht“. Und zwar ist jetzt alles vollbracht, jetzt, da in den Augen der Welt alles gescheitert ist. Die Würfel sind gefallen: Das Erlösungswerk ist vollbracht. Der Himmel ist für immer offen!
Die Würfel sind gefallen, die Zeichen stehen auf Freiheit, auf Leben, auf ewiges Leben. Jetzt musst du nur noch sein Geschenk annehmen. Nimm diesen Karfreitag zum Anlass, Jesus dafür zu danken, dass er deinetwegen alles vollbracht hat.
Die Würfel sind gefallen – jetzt bist Du am Zug!