- Dass Jesus gerade den Fischer Simon zum „Petrus“, zum Felsen erklärt, ist nicht Ausdruck einer besonderen Leistung und noch weniger eines starken Charakters, sondern Ausdruck eines Dienstes, einer göttlichen Berufung. Von seinem Charakter her ist Petrus alles andere als eine felsenfeste Persönlichkeit. Das Neue Testament verschweigt es nicht: Begeisterung und Angst, Bekenntnis und Verrat liegen bei ihm nahe beieinander. Und genau dieser Simon ist der Petrus. Keine andere Gestalt begegnet uns im Neuen Testament nach und neben Jesus so oft und so anschaulich wie gerade er. Das Bekenntnis zu Jesus, dem Christus, ist eng verbunden mit der Berufung des Simon zum Petrus!
- Der Papst ist der Petrus von heute. Die Bischöfe sind zusammen mit dem Papst und unter dem Papst das Apostelkollegium von heute. Dabei sind die Bischöfe nicht die Beamten des Papstes, sondern durch ihre Weihe „ein sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen“, so wie der Bischof von Rom als Nachfolger des hl. Petrus „das immerwährende, sichtbare Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ ist, so lehrt es das Zweite Vatikanische Konzil. Papst und Bischöfe haben vor allem der Einheit der ganzen Kirche zu dienen. Es muss für alle klar sein: Papst Franziskus ist der Petrus von heute, so wie es Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I., Johannes Paul II., Benedikt XVI. in ihrer Amtszeit waren.
- Das Ringen um den Weg der Kirche gehört zum Wesen und Auftrag der Kirche dazu. Wir sind als Kirche immer auf dem Weg durch die Geschichte und noch nicht am Ziel! Deswegen darf es auch Meinungsverschiedenheiten, Auseinandersetzungen, unterschiedliche Standpunkte geben, wenn es darum geht, nach Antworten und Lösungen zu suchen, die dem Evangelium entsprechen. Ich halte es aber für bedenklich und sogar gefährlich, wenn bestimmte Gruppen nur solange hinter dem Papst stehen, solange er Entscheidungen trifft, die den eigenen Vorstellungen und Lieblingsgedanken entsprechen. Diese Tendenz nehme ich schon lange wahr. Es gibt Gruppen, die sogar die Rechtgläubigkeit des gegenwärtigen Papstes in Frage stellen und die in spalterischer Haltung den Petrusdienst früherer Päpste gegen den Petrusdienst des gegenwärtigen Papstes ausspielen. Und es gibt Gruppen und Stimmen, die jetzt Papst Franziskus an den Pranger stellen und scharf kritisieren, weil er in der Frage des priesterlichen Zölibats und in der Frage nach der Weihe von Frauen anders denkt und entscheidet als sie es wollen. Besonders bedenklich halte ich es, dass so ein mutiges und prophetisches Schreiben wie „Querida Amazonia“ auf Erwartungen reduziert wird, die den eigenen Vorstellungen entsprechen müssen. Es geht um einen Teil der Welt, in dem es brennt, nicht um uns! Es geht um soziale, kulturelle, ökologische und kirchliche Umkehr, nicht um Nabelschau!
- Manche Schlagzeilen, Urteile und Verhaltensweisen bringen Grundsätze in Gefahr, die für uns Katholiken und Katholikinnen selbstverständlich sein sollten. Das Stehen zum Papst und hinter dem Papst hat nichts mit bloßer Sympathie zu tun. Um es klar zu sagen: Ich stehe nicht zum Papst, weil er mir sympathisch ist oder solange er etwas sagt und tut, was mir zusagt und gefällt, sondern weil er der Petrus von heute ist. Und nach Papst Franziskus wird es wieder einen Bischof von Rom geben, der für seine Zeit den Petrusdienst ausüben wird. Das ist für mich ein Ernstfall meines Bekenntnisses und meiner Liebe zur konkreten Kirche. Die Bereitschaft, auf den Papst zu hören, gerade auch in seinem Einheitsdienst, ist Ausdruck der objektiven Dimension unseres Glaubens, nicht Ausdruck einer subjektiven Befindlichkeit. Katholisches Denken, Sprechen und Glauben darf nie ein polarisierendes Denken, Sprechen und Glauben sein: schwarz – weiß, entweder – oder, dafür – dagegen. Im polarisierenden Denken treffen sich oft Stimmen und Positionen, die nur auf den ersten Blick einander entgegengesetzt sind. Glauben wir daran, dass Christus der Herr der Kirche ist und dass er ganz bestimmt nicht aussteigt aus dem Boot seiner Kirche – trotz allem und durch alles hindurch? Kommt in allen Diskussionen noch genügend die Freude an Jesus durch und die Freude, Christen und Christinnen sein zu dürfen? Ist uns bewusst, dass wir diese Glaubensfreude den Menschen von heute schuldig sind?
- In jeder Eucharistiefeier, die für uns auch der konkrete Ausdruck der kirchlichen Einheit ist, beten wir mit diesen oder ähnlichen Worten: „Gedenke deiner Kirche auf der ganzen Erde und vollende dein Volk in der Liebe, vereint mit unserem Papst N., unserem Bischof N. und allen Bischöfen, unseren Priestern und Diakonen und mit allen, die zum Dienst in der Kirche bestellt werden“. Ich bitte alle um das Gebet für Papst Franziskus und um ein Denken, Reden und Verhalten, das im Dienst der Einheit der Kirche steht.
- Mir hilft ein Wort, auf das ich schon in meiner Studienzeit in Innsbruck gestoßen bin: „Auch in der Kirche der Zukunft wird es einen sündigen Papst, sündige Bischöfe, sündige Priester, sündige Ordensleute, sündige gläubige Frauen und Männer geben. Aber in dieser Kirche wird es immer geben SEINE Treue zu uns und den Mut zur Umkehr zu IHM. Und deswegen sage ich mit Gelassenheit und Freude: Ich glaube die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.“
Einen guten Weg auf Ostern zu. Jesus Christus, der gekreuzigte und auferstandene Herr, ist das Haupt und die Mitte der Kirche. Um IHN muss es uns gehen. SEINE Kirche dürfen wir sein. Die Freude an IHM ist unsere Kraft.
+ Ivo Muser
1. Fastensonntag, 1. März 2020