Ich kann es bei meinen älteren Mitschwestern tagtäglich sehen und erleben: Ja, ein Leben ‒ ausgerichtet auf Jesus Christus und in Gemeinschaft ‒ kann Jahre, Jahrzehnte, ja, ein ganzes Leben lang Zufriedenheit und Freude schenken. Ja, so ein Leben mit Christus ist es wert, auch schwierige Passagen auf dem Weg zu meistern. Und: Ja, trotz aller Unzulänglichkeiten bieten unsere Ordensgemeinschaften einen guten Boden für menschliches und spirituelles Reifen sowie für gesellschaftliches Engagement im Sinne des Evangeliums in den Fußspuren Jesu Christi.
Ich sehe die Bedeutung des Ordenslebens in unserer Gesellschaft in zwei Dingen: Zum einen sind Ordensleute ein „Steinchen im Schuh“. Wir wissen, wie lästig es ist, wenn sich ein klitzekleiner Stein in unserem Schuh versteckt hat und uns in unserem Gehen immer wieder empfindlich stört. Gerade das ist unsere Aufgabe. Wir sind durch unser Sein eine Provokation für die Welt. Wir bezeugen, dass Gott und nur er allein tatsächlich genügt.
Eine zweite wichtige Aufgabe ist jene des Gebets, genauer der Kontemplation, der absichtslosen Ausrichtung auf Gott. Nun lernen wir das, was unsere Mitschwestern, die Klarissen und alle anderen kontemplativen Gemeinschaften, uns schon seit Jahrhunderten vorleben: dass das Entscheidende Gott ist.
Nicht das Ich, sondern das Wir zählt. Und nicht unsere Leistung, sondern sein Wirken ist entscheidend. Wenn wir uns in liebender und vertrauensvoller Haltung an ihn wenden, schenkt er uns und allen Menschen das Notwendige und noch viel mehr.
Es geht nicht um uns und unsere Sichtbarkeit, sondern um den Aufbau des Reiches Gottes auf Wegen, die wir vielleicht nicht sehen. Wir wissen: Sein Geist weht, wo er will. Wir müssen uns nicht sorgen. Ja, unsere Kirche verliert an Einfluss und viele Gläubige wenden sich von der Kirche ab, aber das heißt nicht, dass Gott verschwindet. Tun wir das, was in unserer Macht steht, und überlassen wir alles andere Gott. Und bitte tun wir das nicht in einer Haltung der Ohnmacht oder Resignation, sondern in gelassener, liebender und freudiger Haltung. Denn wir haben unser Leben in die Hände Gottes gelegt. Und ich glaube, die meisten von uns können aufrichtigen Herzens sagen: Ja, es war gut, trotz aller Schwierigkeiten und Krisen. Wir wissen, wem wir unser Herz geschenkt haben und wem wir vertrauen. Und wurden wir enttäuscht? Ich glaube nicht.
Ich wünsche uns allen die Zuversicht, mutig und hoffnungsvoll unseren Weg gemeinsam mit unseren Mitschwestern und Mitbrüdern zu gehen. Ich wünsche uns, dass wir in der Kontemplation und im Gebet ihn und nur ihn suchen. Aber vor allem wünsche ich uns tiefe Freude über unser Sein und unser Leben in seiner Nähe.