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Drei österliche Tage und Osterzeit

Drei österliche Tage

Gottfried Ugolini

1. Kurze Auslegung von Joh 13,1-15  

Joh 13 trägt den Titel das Letzte Abendmahl. Treffender ist die Bezeichnung: das Liebesmahl oder das Mahl der Liebe. Dass Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht, ist als bezeichnender Auftakt und als "roter Faden" seiner Leidensgeschichte zu verstehen. Diese Aufgabe oblag den Haussklaven. Jesus wird als dargestellt und verstanden als einer, der dient. Er handelt aus der Liebe Gottes, die er verkündigt und durch sein Handeln erfahrbar macht und bezeugt. Darin hinterlässt er ein Beispiel, das die Beziehung zu Gott und die Beziehung zu den Menschen prägt: einander in Liebe dienen, weil Gott den Menschen, das Leben und seine Schöpfung in Liebe dient. Dieses Beispiel durchzieht sein Leben, Wirken und seinen Tod.

2. Zielsatz

Die Hörer/innen erkennen, dass die Fußwaschung und das Abendmahl Jesu im Innersten zusammenhängen und sich gegenseitig bedingen. Der Liebesdienst geht dem Liebesmahl voraus und erwächst aus diesem. Beide zusammen bilden ein glaubwürdiges Erkennungszeichen, dass wir (Christen) zu Christus gehören (Anteil haben) und Jesu nachfolgen.  

3. Predigtgedanken

Motivation 
Das Johannes-Evangelium reflektiert das Glaubensleben der christliche Gemeinde der zweiten und dritten Generation nach dem Tod Jesu. Neue Herausforderungen von innen und außen werfen grundsätzliche Fragen auf. Auf dem Spiel stehen die Identität der Christen und die Glaubwürdigkeit des christlichen Lebens. Diese Fragen stellen sich auch heute. Immer wieder besteht die Gefahr, dass Liebesdienst und Liebesmahl auseinanderklaffen oder sogar gegeneinander ausgespielt werden. Im II. Vatikanischen Konzil wurde  die Eucharistie als Quelle und Höhepunkt des christlichen und kirchlichen Lebens bezeichnet. 

Problemfrage 
Wie kann der Zusammenhang zwischen Fußwaschung und Liebesmahl verstärkt das Leben des einzelnen Christen sowie das Leben der christlichen Gemeinde nachhaltig prägen?

Versuch und Irrtum
Eine der immer wiedergeäußerten Kritiken betrifft den Zusammenhang von Kirchengehen, im Sinne von Teilnahme an den Gottesdienstfeiern, und christlichem Lebensstil im Alltag. Zugespitzt lautet der Vorwurf: "Gerade frei beten und fromm sein wollen und dann unchristlich mit den anderen umgehen."  Zugegeben, solche kritische Bemerkungen fallen oft zu leichtfertig und schnell. Sie sind zudem meist oberflächlich und sehr verallgemeinernd. Sie können verletzen und ungerecht erfolgen. Dennoch treffen sie einen wahren Kern: Gottesdienst und Menschendienst gehören zusammen.
Was wir im Gottesdienst feiern, orientiert und prägt unser Handeln und Leben im Alltag. Was wir im Alltag erleben, erleiden, erhoffen, was uns bedrückt, bewegt und beschäftigt bringen wir im Gottesdienst betend und feiernd ein. Unser Lebensalltag wirkt in den Gottesdienst hinein und der Gottesdienst wirkt sich auf unser Alltagsleben aus. Unsere Identität als Christen beschränkt sich nicht auf den Gottesdienst, sondern wird konkret und bewährt sich im Alltag. Die Liebe Gottes, die wir dankbar und bittend, im Gottesdienst feiern, bliebe leeres Gerede oder wie ein leeres Blatt Papier, würde sie nicht durch mich, durch uns gelebt und umgesetzt im Dienst an den Mitmenschen und in der Gestaltung unseres Lebens. Auf das Evangelium hin bedacht: ohne Fußwaschung kein Mahl der Liebe, weil wir keinen Anteil an Jesus hätten, der die Liebe ist.  Und ohne Mahl der Liebe fehlt mir die Verbindung mit Jesus, aus der heraus ich bereit bin, seinem Beispiel zu folgen und den anderen die Füße wasche.  

Lösungsangebot
Im Johannes-Evangelium stellt sich die christliche Gemeinde die Frage: wer sind wir, wenn wir sagen: Wir gehören zu Christus? Und: wie glaubwürdig leben wir unsere Christus-Nachfolge? Der Schreiber des Evangeliums setzt die Fußwaschung als niedersten Dienst der Sklaven vor dem abendlichen Paschamahl, dem inzwischen praktizierten Herrenmahl oder der Eucharistiefeier wie wir heute sagen. Damit setzt er einen eigenen Akzent, um auf die Fragen seiner Gemeinde zu antworten. Wir sind Christen, die Anteil an Christus haben. Jesus handelt im Johannes-Evangelium selbstbewusst und frei, wenn er den Jüngern die Füße wäscht. Jesus  weiß sich mit Gott verbunden, der sich in seiner Liebe den Menschen dienend zuwendet. An dieser Liebe Gottes sollen seine Jünger, sollen wir in seiner Nachfolge, teilhaben. Diese Liebe ist wirksam, konkret, leidenschaftlich und radikal. Sie fordert heraus und kennt keine Halbheiten. Sie bezieht Position und ergreift Partei für die Armen, für die Ausgegrenzten, für die Gescheiterten, für die Verlorenen, für die Flüchtlinge und Fremden. Wer sich selbst diese Liebe schenken lässt, hat Anteil an Christus, gehört zu Christus, lässt seine Liebe wirksam werden im Waschen der Füße seiner Nächsten, nicht im Kopfwaschen der anderen.

Lösungsverstärkung
Mir sind folgende Überlegungen durch den Kopf und durch das Herz gegangen.
1) Einmal verweisen wir auf die Eucharistie als Zentrum im christlichen Leben. Nicht umsonst betont das II. Vatikanische Konzil, dass die Eucharistie Quelle und Höhepunkt des christlichen und kirchlichen Lebens ist. Auf die Frage was das wichtigste in der Meßfeier ist, lautete die Antwort im Katechismus: die Wandlung. Damit ist die Veränderung, das Durchdrungen-Werden durch die Liebe Gottes, wie sie in Jesus Christus Wirklichkeit geworden ist, angesprochen. Christen lassen sich und ihr Leben von dieser Liebe wandeln und prägen. Das gilt genauso für die christliche Gemeinde. Deshalb gilt auch hier die Anfrage: inwieweit sich unsere Gemeinde vom Zusammenhang Fußwaschung und Mahl der Liebe durchdringen lässt.
2) In der katholischen Kirche wird die Kommunion im Tabernakel aufbewahrt. Dass Christus in unserer Kirche gegenwärtig ist und wirkt, war mir und ist mir eine herausfordernde Erinnerung, die mich beruhigt und anregt.  Die Überlegung, die mir dazu in den Sinn gekommen ist, geht in diese Richtung: wir gehen zwar zur Kommunion und verbinden uns leiblich mit Christus, der uns nährt und stärkt. Doch scheint mir, dass wir uns dessen gar nicht bewusst sind, der eigentliche Tabernakel zu sein, in dem und durch den Christus wirkt. Manchmal frage ich mich, ob wir dem Tabernakel in der Kirche nicht eine zu große und dadurch zu lebensferne Bedeutung beimessen. Damit würden wir Christus im Tabernakel ablegen, deponieren, ohne ihn in unserem Alltag in und durch uns wirksam werden zu lassen. Die Fußwaschung würde hier wieder ausgeblendet.
3) Letzthin erlebe ich immer wieder Diskussionen darüber, ob eine Wortgottesfeier mit einer Kommunionfeier verbunden werden soll oder nicht. Könnte da die Verbindung zwischen Fußwaschung und Abendmahlfeier im Johannes-Evangelium vielleicht Impuls und Korrektiv sein, damit unsere Gottesdienste nicht ohne Menschendienst, und unsere Dienste am Menschen oder am Leben nicht ohne Bezug zum Gottesdienst geschehen? Mir scheint, wir könnten die Kommunion dadurch grundsätzlicher verstehen und leben: aus der Verbundenheit mit Jesus und seiner Gottesliebe werden wir bereit auch zum niedersten Dienst an unseren Nächsten. Das würde unsere christliche Identität als einzelne und als Gemeinde stärken und glaubwürdig machen. Unser Christsein und unsere Kirche würden wieder gefragt auf dem Marktplatz des Lebens und der Welt heute und morgen, weil Fußwaschung Gottesdienst und Gottesdienst Fußwaschung ist - eine befreiende, österliche Hoffnung.

 

Gottfried Ugolini

1. Kurze Auslegung

Erste Lesung:  Ex 12,1-8.11-14 –  In Krisenzeiten verdichten sich verschiedene Lebens- und Glaubenserfahrungen zu einer aktuellen und zukunftsweisenden Perspektive. Die beschützende Gotteserfahrung der wandernden Hirten, die fürsorgliche Gotteserfahrung der sesshaften Bauern und die befreiende Gotteserfahrung im Auszug aus Ägypten legen für das nach-exilische Israel und uns heute ermutigende und nachhaltige Kräfte frei: im zeitlich festgelegten Rhythmus, in den einfachen Regeln wann was zu tun ist, im familiären und sozialen solidarischen und gerechten Teilen, im verständlichen und klaren Ablauf einer Feier und in der entsprechenden Haltung z.B. dem Gerüstet-Sein, um Gottes befreiendem Einsatz zu entsprechen.  Welche Schutzzeichen bringen wir an unseren Haus- und Kirchentüren, dass Gott uns zum Leben befreiend vorüberzieht?
Zweite Lesung:  1Kor 11,23-26 –  Wer benachteiligt ist, kämpft oder verlässt das Feld. Paulus sieht sich einer Gemeinde gegenüber, die sich spaltet, weil einige beim Mahl benachteiligt werden. Er hält seiner Gemeinde und uns heute das letzte Abendmahl Jesu als Spiegel vor:  unser Für- und Miteinander gründet in der Hingabe Jesu – für euch. Unser Umgang miteinander, unser Zusammenkommen am Sonntag, unsere Einheit als Gemeinde gründet in der Feier seines Gedächtnisses. Zweimal findet sich in diesem Text: Tut dies zu meinem Gedächtnis. Wie  bringen wir unsere Teilnahme an der Eucharistiefeier mit unserem Umgang miteinander in eine befruchtende Spannung?
Evangelium:  Joh 13,1-15 – Am besten werden konkrete Beispiele verstanden, ganz besonders wenn sie dazu noch körperlich also ganz (nicht nur mit Kopf oder Gemüt) erfahrbar sind. So ist es mit der Fußwaschung Jesu im Johannes-Evangelium. Sie sind einen beachtlich breiten Raum ein, um deutlich zu machen:  Jesu geht es darum, seinen Jüngern damals und uns heute seine Liebe zu erweisen. Diese erweist Gott auch und trotz aller Sünde, ihn und einander zu verraten und auszuliefern. Jesus nimmt vom Wasser aus den Krügen, die – wie bei der Hochzeit zu Kanaa – zur Waschung der staubigen Füße bereit standen. Diesen Dienst, der nicht nur damals Sklaven vorbehalten war, diesen Dienst vollzieht Jesus an seinen Jüngern und wohl auch an uns – wenn wir uns nicht in abstrakten Spekulationen, Rechthaberei und Machtkämpfe verrennen. Gerade im Waschen der Füße meiner Schwestern und Brüder, in diesem Pflegedienst, wird die respektvolle und demütige Haltung sichtbar, die Gott gegenüber jede und jeden von uns einnimmt. Wie sieht für mich der Dienst der Fußwaschung aus? 

2. Zielsatz

Die Zuhörerinnen und Zuhörer werden herausgefordert, sich vom befreienden Handeln Gottes anstecken zu lassen.

3. Predigtgedanken

Motivation
Bei all den erfreulichen Zeichen nicht nur im Frühlingserwachen der Natur, sondern auch in unserem Lebens- und Glaubensumfeld, beobachte ich einen vorsichtigen, verhaltenen Optimismus. Dieser schlägt da und dort leicht in eine gereizte Allergie um, die einen heftigen und nachhaltigen Schnupfen auslösen kann. Auswirkungen desselben äußern sich in lauten und hartnäckigen Niesattacken, die dann bald wieder nachlassen. Eine andere Auswirkung zeigt sich in einen eingetrübten und wässrigen Blick.
Wie können wir uns von der Politik-und Kirchenverdrossenheit befreien oder befreien lassen? Kaum ist die Diözesansynode dabei, die Themen für die Weiterarbeit zu bestimmten, melden sich Ängste und Misstrauen. Wer will schon zu den Benachteiligten gehören? Schon zeigen sich erste Folgen von vorausgehenden Frustperioden oder Frostnächten. Besorgt wurde schon die Frage gestellt:  Reihen sich zu den Wutbürgern nun auch Wutchristen?

Problemfrage
Was zeichnet Christinnen und Christen aus, die für das befreiende Vorübergehen Gottes gerüstet und startbereit sind?

Versuch und Irrtum
Eine menschliche Gefahr besteht immer darin, unser Denken und selbst unsere Sinne mit denen wir die Wirklichkeit wahrnehmen einengen. Anstatt uns den Fragen und Herausforderungen, Ängsten und Vertrauensverlusten zu öffnen, reagieren wir oft mit einseitigen Behauptungen, abwehrenden Verallgemeinerungen und verkappten Angriffen. Wir sichern uns ab und verschließen uns so einem beachtlichen Teil der Wirklichkeit. Wir fühlen uns benachteiligt und ziehen uns gekränkt und wuterfüllt zurück oder wir schlagen wild um uns herum. Nur das Hirtenfest zur feiernden Vergegenwärtigung des schützenden mitwandernden Gottes macht den nach-exilischen Glauben in Israel nicht zukunftstauglich. Nur die Betonung der Eucharistiefeier ohne den Umgang mit den  Mitfeiernden miteinzubeziehen führt in die Spaltung von Gottesdienst und Nächstendienst. Nur die Fußwaschung ohne das spannungsvolle und aufgeladene Gespräch zwischen Petrus und Jesus würde die inhaltliche Würze des Beispiels einander zu dienen entbehren.

Lösungsangebot
Wir brauchen streitbare, konfliktfähige und zum Aufbruch in die Zukunft gerüstete Christinnen und Christen, die die befreiende Nähe Gottes, sein Vorübergehen wahrnehmen. Wir brauchen Christinnen und Christen, die damit rechnen, dass Gott auch heute und wo immer wir auch zweifeln, dass er hier und dort befreiend vorbeizieht. Wir brauchen Christinnen und Christen, die das Liebesmahl feiern im Blick auf die Hingabe Jesu für uns und alle, sowie im Blick darauf, dass sich niemand benachteiligt fühlt. Wir brauchen Christinnen und Christen, die in und um der Diözesansynode nah und fern das Wasser zur Fußwaschung bereitstellen. Wie in der Wundergeschichte von Kanaa braucht es Wasserträgerinnen und Wasserträger. Ihre Aufgabe ist es, das Wasser von den Flüssen und Bächen, von den Brunnen und Seen  des menschlichen Alltags einzusammeln und in den Dienst der Liebe zu stellen. Dazu gehört auch der Geist, vertrocknete Flüsse, zugefallene Brunnen und zugefrorene Seen aufmerksam im Blick zu behalten und ein Ohr offen zu halten, damit dieser Teil der  Wirklichkeit nicht ausgeblendet wird.

Lösungsverstärkung
Am Gründonnerstag kommt die prophetisch-provokative Dimension unseres Glaubens in Spiel. Also keine harmonische Feier des Liebensmahles auf Kosten der Benachteiligten. Auch keine kirchenrechtlich abgesicherte Feier durch Ausschluss jener, deren Ehe gescheitert ist. Viele von ihnen haben im Glauben weiterhin oder neu die befreiende Kraft des vorüberziehenden Gottes erfahren.
Gründonnerstag erinnert uns ganz eindringlich, dass sich die befreiende Kraft unseres Gottes  nicht erst an Ostern auferweckend und belebend zeigt. Sie erweist sich überall und jederzeit. Wir brauchen aufmerksame, achtsame und wache Christen, die offen und vertrauensvoll, betend und segnend, ringend und hoffend mit dem Vorübergang des befreienden Gottes rechnen. Wir brauchen gerüstete und startbereite Christen, die Erfahrungen mit dem befreienden Gott aufgreifen und ins Gespräch bringen.
Gründonnerstag zeigt unverkennbar, dass in unserem Glauben Gottesdienst und Dienst an den Nächsten zuinnerst zusammengehören.  Die Fußwaschung Jesus ist ein Kernprogramm unseres christlichen Glaubens und der Frohen Botschaft.  Keine Feier des Liebesmahles ohne Liebesdienst, keine Eucharistiefeier ohne Caritas als Grundhaltung des einzelnen Christen und der christlichen Gemeinde. Christen bringen eine Wasserschüssel und ein Handtuch zur Fußwaschung mit, wenn sie zum Nächsten gehen, wenn sie miteinander das Wort Gottes hören, gemeinsam Eucharistie feiern, beten, in der Gemeinde mitwirken, im Religionsunterricht und in der Sakramentenkatechese, im Einsatz mit und für die Ärmsten nah und fern, im Wahrnehmen ihrer Verantwortung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, im Ausschau-Halten nach dem Vorüberziehen unseres befreienden Gottes  – selbst dort, wo Glaubens- und Kirchenverdrossenheit, Lebens- und Weltverdrossenheit herrschen.

Schluss
Sich vom befreienden Gott anstecken lassen und sich auf die heiligen Tage einlassen, fordert uns ganz heraus. Darin wirkt sich die Dynamik der Sich-hingebenden-Liebe aus, die uns in der Eucharistie und in der Caritas bewegt, den Dienst der Fußwaschung zentral in unser Glaubensverständnis auf- und wahrzunehmen. Dann sind wir bereit, unser Herzblut investieren und damit die Türpfosten unserer Herzen und unserer Wohnungen, unserer Kirchen und Gemeinden bestreichen als Zeichen unserer dankbaren und hoffnungsvollen Treue zum befreienden Gott unseres Lebens und unserer Welt – gestern – heute und morgen.

 

P. Urban Stillhard OSB

1. Kurze Auslegung von Joh 13,1-15  

Die Fußwaschung während des Mahles nimmt die Selbsthingabe Jesu „vor seinem Leiden“ beispielhaft vorweg. Jesus, der „Meister und Herr“, legt das Obergewand und damit sein „Herr Sein“ ab und nimmt „Knechtsgestalt“ an, indem er sich zu einem Sklavendienst erniedrigt, der auf seinen Sklaventod am Kreuz vorausverweist. Die erste Reaktion des Petrus zeigt einerseits seine Wertschätzung für Jesus, die es ihm unmöglich erscheinen lässt, sich den Sklavendienst „gefallen“ zu lassen, anderseits freilich auch sein – verständliches – Unverständnis für die tiefere Symbolik des Handelns Jesu. Erst als Jesus die Ablehnung seines Tuns als Verweigerung der Gemeinschaft mit ihm deutet, lenkt Petrus ein – in der für ihn „typischen“ Überreaktion. Bedeutsam ist, dass Johannes die Fußwaschung an der Stelle bringt, an der bei den Synoptikern von der Einsetzung der Eucharistie die Rede ist. Vom Essen seines „Fleisches“ im Zeichen des Brotes und vom Trinken seines Blutes schreibt Johannes ausführlich im Zusammenhang mit dem Bericht vom Brotwunder im 6. Kapitel seines Evangeliums.

2. Zielsatz

Die Hörerinnen und Hörer verstehen die „Sprache“ der Fußwaschung als Voraussetzung für die Gemeinschaft mit Jesus.

3. Predigtgedanken

Motivation
Die Erfahrung mit der „normalen“ Fußwaschung – nämlich, dass wir uns selbst die Füße waschen – bringen wir alle mit. Vielleicht erinnern sich manche von uns auch noch daran, dass uns in unserer Kindheit die Mutter oder sonst jemand die Füße gewaschen hat. Aber ich vermute, da wird die Erinnerung nicht so lebendig und nachhaltig sein. Diejenigen unter uns, die aus Alters- oder Krankheits- oder Verletzungsgründen darauf angewiesen waren oder noch sind, sich von anderen die Füße waschen zu lassen, und diejenigen, die Mitmenschen, sie selbst nicht mehr dazu imstande waren oder sind, die Füße gewaschen haben oder immer noch waschen, haben sicher eine unmittelbare Erinnerung daran. Die damit verbundene Erfahrung zeigt, dass Fußwaschung als Geschehen zwischen zwei Menschen etwas sehr Intimes ist und darum von Betroffenen – sowohl passiv wie aktiv Betroffenen – durchaus auch als unangenehm bis peinlich empfunden werden kann.

Problemfrage
Warum wäscht Jesus den Jüngern die Füße?

Versuch und Irrtum
In unserer deutschen Sprache gibt es die Redewendung vom Kopfwaschen für eine kritisch scharfe Belehrung nach einem Fehlverhalten. Jesu Belehrung der Jünger nach ihrem Streit, wer denn unter ihnen der Größte sei, könnte man als solche Kopfwaschung bezeichnen. Schon damals hatte er auf sich selbst und den Sinn seiner Sendung verwiesen („auch der Menschensohn ist nicht gekommen  sich dienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“), aber da hatten sie ihn offenbar noch nicht richtig verstanden. Jetzt, in der Abschiedsstunde aber wäscht Jesus seinen Jüngern nicht den Kopf, sondern die Füße, er belehrt sie nicht mehr mit dem Hinweis, wohin das Herrschaft nach Art der Mächtigen dieser Welt führt, sondern durch sein Beispiel, das er zur Nachahmung empfiehlt. Petrus versteht immer noch nicht und reagiert dem entsprechend geradezu empört: So etwas kommt für ihn nicht in Frage, denn Jesus ist für ihn schließlich nicht irgendwer, sondern „Meister und Herr“: Was Jesus da tun will, gefällt ihm ganz und gar nicht und darum will er es sich auch nicht gefallen lassen.

Problemlösung
Was den Widerstand des Petrus nicht nur bricht, sondern sogar in übersteigerte Zustimmung umwandelt, ist das Wort Jesu, das die Gemeinschaft mit ihm, den „Anteil“ an ihm, an die Annahme dieses seines Dienstes bindet. Das ist auch die bleibende Botschaft an alle, die Jesus nachfolgen wollen: Glaubwürdige Nachfolge, Gemeinschaft mit Jesus ist nur möglich mit der Bereitschaft, dem Leben der Mitmenschen zu dienen – bis dahin, wo man davon schmutzig wird.

Lösungsverstärkung
Die Wichtigkeit und Richtigkeit solcher Bereitschaft finden wir bei und in uns selbst bestätigt, wenn wir daran denken, wo wir unser Menschsein am tiefsten erfahren: Nicht dort, wo Machtpositionen aufgebaut werden, nicht dort, wo wir Angst voreinander haben müssen, sondern dort, wo wir Liebe-voll miteinander umgehen. Das Beispiel Jesu befreit uns dazu, uns beschenken zu lassen und als Beschenkte weiter zu schenken und so bereits in diesem Leben etwas von der Fülle des Lebens zu er-leben, zu der wir berufen sind.

Erste Lesung aus Gen 1,1-2,2:
Warum gibt es eine Welt? Warum gibt es uns? Am Anfang unserer Bibel steht ein feierliches Gedicht, das erzählt, dass die Welt von Gott gewollt ist und der Mensch das Meisterstück seiner Erschaffung ist.

Zweite Lesung aus Gen 22,1-18:
Gott ist ein Gott des Lebens -  daran werden wir immer wieder erinnert. Aber was ist mit unseren dunklen Erfahrungen? Wie fremd und widersprüchlich kann mir Gott in so mancher Lebenssituation sein. Die Lesung thematisiert diese dunklen Erfahrungen. Die Lesung endet aber nicht in Verzweiflung, sondern endet mit der Verheißung und dem Segen Gottes. Gott ist ein Gott des Lebens.

Dritte Lesung aus Ex 14,15-15,1:
Gewalt, Unterdrückung und lebensbedrohende Chaosmacht – dafür steht der Name Ägypten in der folgenden Lesung. Die Israeliten wurden in höchster Bedrohung auf wunderbare Weise gerettet – nicht aus eigener Kraft wurden sie gerettet, sondern Gott hat sie befreit.

Vierte Lesung aus Jes 54,5-14:
Verletzungen der Vergangenheit belasten die Gegenwart und können die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nehmen. Gott wendet sich dem Menschen zu und schenkt ihm Hoffnung und neues Leben.

Fünfte Lesung aus Jes 55,1-11:
Viel Geld und Mühen werden oft für etwas eingesetzt, das doch nur kurzfristig Erfüllung schenkt. Gott schenkt wirkliches Leben. Er ist uns ganz nah, bleibt aber auch der ganz andere.

Sechste Lesung aus Bar 3,9-15.32-4,4:
Das Heil ist nahe – wenn wir das ergreifen, was Gott uns anbietet. Das Heil ist nahe – wenn wir umkehren und uns am Wort Gottes orientieren.

Siebte Lesung aus Ez 36,16-17a.18-28:
Das Volk ist Gott gegenüber untreu geworden, Gott aber bleibt treu, viel mehr noch: Gott schenkt dem Volk ein neues Herz und einen neuen Geist. Diese neue Beziehung lässt erkennen, dass Gott Jahwe, der „Ich bin da“ ist.

Epistel aus Röm 6,3-11:
Menschliche Unterdrückung, Gewalt und Sünde haben ihre Macht über uns verloren. Wer auf Christus getauft wurde, ist frei von der Macht des Todes. Wir sind berufen mit Christus und in Christus für Gott zu leben.

Sonia Salamon

1. Kurze Auslegung von Lk 24,1-12 (nach Klaus Dorn)

Diese Perikope nach Lukas weist einige Elemente auf, die auch in der Perikope nach Markus (Mk 16,1-6) zu finden sind (Auftreten von Frauen, Salben, erster Tag der Woche, Stein weggewälzt, leere Grab, Erschrecken der Frauen, Verlassen des Grabes). Dazu gibt es einige Elemente, die nur in der Lk-Version zu finden sind: zwei Engel (Mk: ein Engel), die Frauen verkünden die Botschaft den anderen Jüngern (Mk: Frauen schweigen), der Unglaube der Jünger und Petrus am Grab.
V. 1-3: Die Frauen gehen zum Grab. Überlegungen, wer den Stein für sie wegrollen könnte (siehe Mk) sind in der Lk-Version nicht festgehalten. Hingegen wird hier das Wort „finden“ bewusst gegenübergestellt: die Frauen finden den Stein weggerollt - sie finden aber nicht den Leichnam des „Herrn Jesus“. Dabei wir der christologische Titel „Herr Jesus“ verwendet, zum ersten und einzigen Mal im Lukasevangelium. In der Apostelgeschichte ist dieser Titel hingegen öfters zu finden.
V. 4-6a: Im Mittelpunkt dieser Perikope stehen das Auftreten der Engel und ihre Botschaft (Angelophanie). Es sind zwei Männer: Für ein glaubwürdiges und rechtmäßiges Zeugnis braucht es zwei Zeugen. Die Frauen waren bis zum V. 5 die Handlungsträger, nun sind es die Engel. In einem vorwurfsvollen Ton weisen sie darauf hin, dass ein Lebender unmöglich bei den Toten gesucht werden kann. Im Grunde hätten die Frauen aufgrund der Verkündigung Jesu mit der Auferstehung rechnen müssen. Ansonsten ist hier keine Information über die neue Seinsweise des Auferweckten zu finden.
V. 6b-8: Es folgt eine Kurzfassung der Passion mit Auferstehung. Dabei werden die Frauen auf die Verheißung des vorösterlichen Jesus verwiesen. Die Verkündigung dieser Botschaft ist der Schwerpunkt dieser Perikope; es handelt sich dabei um eine Verkündigung und nicht um eine Berichterstattung.
V. 9-12: Diese Botschaft wird zunächst für Geschwätz gehalten. Frauen wurde damals ja auch ein vermindertes Zeugnisrecht zugesprochen. Petrus geht trotzdem zum Grab und sieht nur die Leinenbinden. Er staunt zwar über das Geschehene, jedoch wird sein Glaube nicht erwähnt. Zum Glauben kommt er erst, als er dem Auferstandenen begegnet (siehe V. 34). Diese Reaktion kann deutlich machen, dass das Sehen des leeren Grabes keine Glaubensvorteile bringt. Ebenso kann Lk eine Erscheinung des Auferstandenen nicht vermitteln, aber er kann auf das Zeugnis der ersten Christinnen und Christen verweisen, sowie auf die Begegnung mit dem Auferstandenen in der Auslegung der Schrift und in der Eucharistie (siehe Emmausperikope) hinweisen.

2. Zielsatz

Der Gemeinde wird aufgezeigt, dass eine Begegnung mit dem Auferstandenen nicht vermittelt werden kann. Es braucht Vertrauen: Vertrauen in das Zeugnis der ersten Christinnen und Christen und Vertrauen in die Osterbotschaft.

3. Predigtgedanken

Motivation
Heutzutage zu glauben ist nicht so leicht.

Problemfragen
Heutzutage braucht es Beweise und stichhaltige Spuren – dann kann ich mit anderen ins Gespräch kommen und dann hören mir die anderen auch zu. Ich brauche Beweise und stichhaltige Spuren, die ich anderen auch zeigen kann, dann erst kann ich andere überzeugen.

Versuch und Irrtum
Da hatten es die ersten Christinnen und Christen doch leichter. Sie haben Jesus kennen gelernt, ihn gesehen und mit ihm gesprochen. Sie haben das leere Grab gesehen und konnten sich von Auferstehung überzeugen.
Viele Menschen haben Jesus erlebt, aber nur ein kleiner Teil ist ihm gefolgt. Einige Menschen haben seine Wunder erlebt, aber nur ein kleiner Teil ist zum Glauben gekommen. Petrus hat das leere Grab gesehen, aber er hat darüber nur gestaunt.

Lösung
Die Frauen aus dem heutigen Osterevangelium haben erlebt, dass Jesus auferstanden ist. Sie haben ihre Erfahrung nicht für sich behalten, sondern sie haben sie weitererzählt, damit auch die anderen wieder hoffen können. Damit auch die anderen hören, dass Gott ein Gott des Lebens ist. Aber ihre Botschaft von der Auferstehung wurde für dummes Geschwätz gehalten. Zumindest Petrus ist neugierig geworden und hat das leere Grab aufgesucht. Die stichhaltigen Spuren wie das leere Grab und die Leinenbinden, die anzeigen, dass der Leichnam nicht einfach entfernt wurde, haben ihn nicht zum Glauben geführt. Aber er hat gesucht und er hat gestaunt. Wahrscheinlich hat ihn die Erzählung der Frauen berührt.
Es braucht also Menschen, die von der Osterbotschaft erzählen. Es braucht Menschen, die davon erzählen, auch wenn sie keine Beweise liefern können. Es braucht Menschen, die davon erzählen und auch keine Angst haben, von ihrer Hoffnung zu erzählen, auch wenn es für dummes Geschwätz gehalten wird. Diese Frauen waren wahrscheinlich so ergriffen von ihrem Erlebnis, dass sie mit der Zeit auch die anderen beeindruckt haben. Sie haben die anderen beeindruckt und davon überzeugt: Jesus Christus lebt. Gott ist ein Gott des Lebens.
Und mit der Zeit haben wohl einige ihnen und dieser Botschaft vertraut: Jesus lebt. Gott ist ein Gott des Lebens: Gott hat die Welt erschaffen, Gott verheißt uns allen das Leben und befreit auch uns aus dem Leid und vom Bösen. Gott bleibt sich treu. Er schenkt uns die Hoffnung, das Licht der Hoffnung – im Licht des Auferstandenen. Ich kann mit ihm die Auferstehung feiern. Ich kann mit ihm auch meine Auferstehung feiern, denn Gott wendet sich auch mir zu.
Ich kann hoffen und Ostern feiern, wenn ich dieser Botschaft vertraue und mich auf diese Beziehung einlasse. Ich kann Ostern feiern, wenn ich mich von dieser Beziehung berühren lasse und dieser Beziehung vertraue.

Lösungsverstärkung
Ich kann Ostern feiern, indem ich aufstehe und unseren Glauben bekenne – unseren Glauben, der mir anvertraut wurde und dem ich vertraue. Ich kann Ostern feiern und mich über die Auferstehungsbotschaft freuen. Ich kann Ostern leben, indem ich die frohe Auferstehungsbotschaft auch weitertrage. Ich kann Ostern nur durch mein Vertrauen und mein Leben beweisen.

Gottfried Ugolini

1. Kurze Auslegung von Joh 20,1-8 (18)

In vielfältiger Weise berichten die synoptischen Evangelien und das Johannesevangelium die Osterfahrung zur Sprache. In der vorliegenden Ostergeschichte (Joh 20) werden verschiedene Motive werden ineinander verwoben, um die Glaubenserfahrung zum Ausdruck zu bringen, dass der Gekreuzigte im Auferstandenen begegnet wird. Wie erfolgt diese Glaubenserfahrung, wenn die Augenzeugen verstorben sind? Johannes lässt die wichtigsten Zeugen der Auferstehung auf der Bühne seiner Glaubensvermittlung auftreten: Maria von Magdala, Petrus und den Lieblingsjünger. Sie haben den Charakter von Identifikationsfiguren, die einladen mit ihnen den Weg zur Ostererfahrung zu gehen.

2. Zielsatz

Ich möchte die Mitfeiernden ermutigen, sich auf die Begegnung mit dem Auferstandenen einzulassen und sich von ihm bewegen und begeistern zu lassen. Die Erfahrung vom leeren Grab setzt eine Initialzündung frei, darüber hinaus zu suchen, zu fragen und zu (er-)ahnen. Ein österlicher  Glaubebleibt nicht bei leeren Gräbern stehen, sondern macht sich auf dem Weg, konfrontiert sich mit anderen, erkundet und erzählt entsprechend dem diözesanen Jahresthema: „Wir glauben: darum reden wir!“

3. Predigtgedanken

Motivation
Der Osterglaube gehört vom Anfang an zum Evangelium. Tod und Begräbnis Jesu bilden nicht den Schluss der Jesus-Überlieferung. Jesu wird in neuer Lebendigkeit erfahren: Gott hat in und an ihn gehandelt. Das führt zu einem neuen Verhältnis zu Jesu nach seinem Tod: der Gekreuzigte wird zum Auferstandenen. Seine lebendige und wirksame Gegenwart werden zur Schlüsselerfahrung in der Begegnung mit ihm. So kommt es zu einer neuen, österlichen Bewegung des „Weges Jesu“. Es geht darum, sich auf Jesus, den Herrn, einzulassen und sich von ihm bewegen zu lassen. Im 20. Kapitel des Johannes-Evangeliums wird diese Dynamik deutlich, in die der einzelnen und die Gemeinde immer wieder hineingenommen wird, um im Glauben österlicher zu werden. 

Problemfrage
Zum Leben gehören Tod und Enttäuschungen genauso wie Träume und Hoffnungen.  Wir erleben diese Spannungen auf der persönlichen Ebene genauso wie im kirchlichen und gesellschaftlichen Leben. Wie gehen wir in österliche Perspektive mit Grenzerfahrungen,  Krisen, Scheitern, Tod usw. um? 

Versuch und Irrtum
Manchmal geht es uns wie Maria von Magdala und den Jüngern: wir erleiden einen Verlust, wir sind traurig und dann kommt noch eins drauf. Das schlägt dem Fass noch den Boden heraus. Wir sind fassungslos und alles um uns herum wird leer. Am liebsten würden wir alles aufgeben, wenn da nicht noch … Ja, wenn da nicht noch ein letzter Funke Hoffnung im Aufschrei mitklingt: „Das darf doch nicht wahr sein!“ Und trotz allem lähmenden Schock das Bedürfnis sich aufdrängt, mit jemand Vertrauten das Unglaubliche zu teilen.  Maria von Magdala läuft bestürzt weg zu den Jüngern und klagt ihnen vorwurfsvoll:  „Man hat den Herrn aus dem Grab genommen!“  Dadurch kommt eine Dynamik ins Geschehen, die sogar Festgefahrenes neu zu bewegen und neues Licht auf das Dunkle zu werfen vermag. 

Lösungsangebot
Am ersten Tag der Woche geht eine Frau, frühmorgens als es noch dunkel war, zum Grab. Das ist eine Zumutung: noch ist die Nacht dunkel und sie ist allein. So geht es jedem, der mit Tod, Leid oder Scheitern konfrontiert ist. Immer wieder kehrt man zurück, an dem Punkt, wo alles aufgehört hat. Wir wollen uns vergewissern ob nicht doch alles nur ein Traum war. So eingekreist ich auch in meinen Gedanken bin, bleibe ich wach und nehme jede kleinste Veränderung wahr. Maria von Magdala merkt, der Stein vom Grab ist weggenommen. Was trotz aller Fassungslosigkeit und Trauer kurz vorher noch Sicherheit zu geben schien, weicht nur der Angst, dass auch diese verloren ist. In solchen Situationen brauchen und suchen wir nach Mitmenschen, denen wir uns anvertrauen können. Hier sind Menschen gefragt, die mir Glauben schenken und sich mit mir auf dem Weg machen. Mich fasziniert diese Stelle, an der die beiden Jünger laufen, ja geradezu wettlaufen. Ich wünschte mir, dass in unseren Pfarrgemeinden, in unserer Kirche – wie damals – Jünger, Vertraute, Verantwortliche sich auf die Beine machen, wenn jemand auf etwas aufmerksam macht. Dieses vertrauensvolle Ernstnehmen und diese offene sich einlassen auf die Aussage, der unter Schock stehenden Frau, ist ein entscheidender Schritt, wenn es darum geht, Leid zu bewältigen. Eine Art Notfallseelsorge kommt hier ins Spiel.

Lösungsverstärkung
Bedeutungsvoll wird hervorgehoben in der österlichen Geschichte, dass der Jünger, den Jesus liebte, schneller zum Grab kam, als Petrus. Für mich symbolisieren sie zwei Grundhaltungen des Christen: jene der Verantwortung und jene der Liebe. Beide gehören aufs Engste zusammen. Verantwortung ohne Liebe riskiert zur Macht zu verkommen. Liebe ohne Verantwortung ist in Gefahr, macht- bzw. wirkungslos zu werden. Kommt die Liebe zuerst an, braucht sie die Verantwortung, um das Ganze zu ordnen. Die Verantwortung bedarf der Liebe, um das Ganze neu zu sehen und zu verstehen. Die gegenwärtigen Spannungen in der Kirche brauchen den Wettlauf und das Zusammenwirken beider. Ansonsten bleiben wir bei einem unseligen Machtkampf oder bei einer leblosen Auseinandersetzung. Die Ostergeschichte aus dem Johannes-Evangelium zeigt der Gemeinde damals und uns heute Schritte zur Bewältigung von Grenz-, Leid- und Krisensituationen auf. Die österliche Perspektive ist dabei ausschlaggeben: Erstens, dürfen wir unser Leiden, unsere Trauer zulassen und ausdrücken – Maria von Magdala geht allein am Sonntag früh als es noch dunkel war zum Grab. Zweitens, die Auseinandersetzung, die Beschäftigung mit dem leidvollen Ereignis, erhöht unsere Aufmerksamkeit, um Veränderungen wahrzunehmen, selbst wenn wir sie noch nicht verstehen – Maria von Magdala sieht, das der Stein vom Grab weggenommen war. Drittens, wir brauchen Menschen, denen wir uns anvertrauen und mit deren Unterstützung wir rechnen können – Maria von Magdala läuft zu den Jüngern, um ihnen zu berichten, was sie gesehen hatte. Viertens, gut tut, wenn wir merken, dass Menschen in ihrer Verantwortung und Liebe sich mit uns auf dem Weg machen. Die Jünger nehmen Maria von Magdala ernst und gehen ihrer Vermutung nach. Fünftens, wer sich um das Leid anderer kümmert, muss sich bücken und schauen, der muss sich hineinwagen, um zu sehen und zu erkennen – Petrus und der andere Jünger  überzeugen sich selbst, sie sehen und glauben. Dabei hat jeder seinen eigenen Rhythmus. Danach kehren sie nach Hause zurück. Maria von Magdala bleibt draußen vor dem Grab.

Schluss
Die Ostergeschichte geht weiter: Maria von Magdala begegnet und erkennt Jesus, der sie den Jüngern verkünden heißt, dass er zu seinem und unserem Vater hinaufgeht. Ostern zeigt uns den Gott des Lebens über jeden Tod hinaus. Das gibt mir, das gibt Christen Hoffnung und Mut, sich Krisen, Leiden, Tod, Scheitern und Schuld zu stellen und zu bewältigen – dem Leben zu trauen, weil Gott es mit uns lebt.
Österlicher Glaube bleibt also nicht am leeren Grab stehen. Österlicher Glaube kennt das Grab, wie er den Karfreitag kennt. Österlicher Glaube wendet sich aber vom Grab zur Welt hin. Das ist die entscheidende Wende, die not-wendige Blickrichtung, um den Gekreuzigten als Auferstandenen zu begegnen, den Gott zum Leben erweckt hat. Österlicher Glaube bringt eine Dynamik in Gang, die zu eigenen österlichen Lebens- und Glaubenserfahrungen führt. Österlicher Glaube ist wie die vom Seiltänzer gehaltene Balancestange zwischen Verantwortung und Liebe, damit sich das Leben der Kirche sich selber davon bewegen und erneuern lässt.

 

Gottfried Ugolini

1. Kurze Auslegung

Erste Lesung:  Apg 10,34a. 37-43 – Wir erzählen immer wieder neu, von dem was uns zutiefst erregt, berührt und bewegt. Dieser Abschnitt aus der Apostelgeschichte schildert wie Petrus von der Auferweckung Jesus erzählt. Er knüpft dort an, wo die Geschichte um Jesu für die Menschen mit seinem Tod endet. Er eröffnet ihnen eine neue Sichtweise durch die österliche Glaubenserfahrung: Gott hat Jesus auferweckt. In den direkt erfahrenen Begegnungen mit ihm erwachsen ein neues Verstehen und eine neue Einsicht in die Geschichte Gottes mit den Menschen. Petrus tut dies nicht aus sich aus, sondern er versteht sich als eingesetzter Zeuge, um andere zu dieser Erfahrung anzustecken. Wie bringen wir unseren österlichen Glauben auf den Punkt und wie verstehen wir unsere Berufung, österliche Zeugen im Alltag und in der Welt zu sein?
Zweite Lesung:  Kol 3,1-4 –  Zu den menschlichen Grundfragen gehört die Frage: Wer bin ich? Diese gilt auch für uns als Christen. Es ist Immer wieder notwendig, dass wir uns unserer christlichen Identität vergewissern, um diese neu von Ostern her zu hinterfragen und zu beleben.  Wer mit Jesus Christus verbunden ist, ist mit ihm auferweckt. Der österliche Glauben richtet sich nach dem Himmel aus, dem Dasein Gottes mitten unter uns. Gott erweist sich in Jesus Christus als der, der Leben erschafft, zum Leben erweckt und zum Leben in ihm einlädt. Wie zeigt sich in meinem Leben die österliche Freude und Kraft? Wie wirkt sich meine christliche Identität als österlicher Mensch im Umgang mit der Welt aus?
Evangelium:  Joh 20,1-18 – Dabei sein ist alles – heißt es nicht nur im Sport. In den Ostererzählungen geht es  um mehr. Über das Mit-dabei-Sein, über das Zuschauen und Miterleben hinaus, steht in den Ostererzählungen die alles verändernde Begegnung mit dem Auferstandenen im Mittelpunkt. Die Szenen die Ostererzählung erzeugen eine sich steigernde Spannung: Maria von Magdala kommt allein ans Grab, sieht, dass es offen ist und lief zu den Jüngern, diese darüber zu informieren. Zwei von den Jüngern laufen zum Grab und kommen zeitlich ungleich an. Der Erste geht nicht hinein. Der Zweite geht hinein. Dann geht auch der Erste hinein. Von ihm heißt es: „Er sah und glaubte!“ Beide kehren sie zurück. Nur die Frau bleibt (!). Sie begegnet dem Auferstandenen. Er spricht davon, dass er zum Vater, zu seinem und ihrem Gott, hinaufgeht (2x). In seinem Auftrag kehrt sie zu den Jüngern zurück und erzählt ihnen, was er ihr gesagt hat. Wie sieht es mit meinen österlichen Bewegungen aus? Wo bin ich gerade unterwegs? Zu welchen österlichen Bewegungen 

2. Zielsatz  

Die Zuhörerinnen und Zuhörer lernen anhand der Ostererzählungen wesentliche Merkmale für den persönlichen und gemeindlichen Glaubensweg zu erkennen.

3. Predigtgedanken

Motivation
Die Frage nach dem Wesentlichen des christlichen Glaubens stellt sich immer wieder neu. Sie erweist sich als bleibende kritische Herausforderung  und als notwendige Auseinandersetzung. Das gilt für den einzelnen wie für die christliche Gemeinde und für die Kirche als Ganze. Ostern bezeichnet das neu-schaffende und heilvolle Handeln Gottes: Gott erweckt Jesus aus dem Tod zum Leben. Das österliche Glaubensbekenntnis besagt:  der am Kreuz getötete Jesus ist auferstanden.  Damit wird schon angedeutet: christlicher Glaube gründet in Ostern. Damit wird deutlich, der österliche Glaube ist ein lebendiger und zielgerichteter  Glauben. Er setzt im konkreten Leben an und vollendet sich im Tod bzw. in der Auferstehung.   Österlicher Glaube steckt an, erweckt zum Leben und schafft Neues: er lädt ein, sich auf das Ostergeschehen (neu) einzulassen.

Problemfrage
Wie geht das, österlich glauben?

Versuch und Irrtum
Ostern die Grunderfahrung, von dem der christliche Glaube ausgeht und zu einem österlichen Glauben bewegt. Dennoch wird der vermittelte, gefeierte und erlebte Glaube oft als lebensfremd und menschenfeindlich  wahrgenommen oder empfunden. Ostern ist dann weit weg von meiner persönlichen Geschichte, von den Krisen und Konflikten im Leben und von den Leiden und vom Aufschrei der Menschen gegenüber Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Unfrieden und vielfältiger Not in aller Welt. Auferweckung zum Leben ist angesagt. Doch jede/r scheint mit sich oder mit etwas anderem beschäftigt, das wichtiger, befriedigender oder gewinnträchtiger ist. Ostern bleibt dann realitätsfern und wird aus dem Angebot ausgespart.

Lösungsangebot
Ganz anders die Ostererzählungen. Sie  setzen bei den Menschen und im konkreten Leben an. In seiner Osterverkündigung knüpft Petrus bei der Erinnerung der Menschen an den Tod Jesu an. Die Ostererzählungen im Johannesevangelium beginnen damit, dass Maria von Magdala zum Grab Jesu geht.  Die Jünger hatten sich in Angst eingeschlossen. Aufgeschreckt durch die Nachricht der Maria von Magdala, dass der Stein vor dem Grab weggewälzt ist, starten sie einen Wettlauf dorthin, um sich selbst davon zu überzeugen.
Zu den wesentlichen Merkmalen des österlichen Glaubens gehört das Gehen. Maria von Magdala geht zum Grab, sie läuft zu den Jüngern, die Jünger gehen hin zum Grab, sie laufen – einer schneller als der andere. Alle kommen sie ans Grab: Maria blieb kurz stehen und lief zu den Jüngern. Der Jünger, der zuerst ankommt, bleibt stehen und wagt sich nicht hinein. Der zweite Jünger kommt nach und geht hinein. Dann geht auch der andere Jünger hinein. Von ihm heißt es: Er sah und glaubte.
Wir kennen solche Geh-Geschichten aus unserem Alltag. Zum Beispiel, wir gehen gezielt auf etwas zu und plötzlich stehen wir vor einer Veränderung:  wie gehen wir damit um? Wenden wir uns enttäuscht ab? Das würden wir nur dann tun, wenn uns der Inhalt, das Anliegen, der Mensch usw. nicht wichtig ist. Andernfalls tun wir was: wir teilen unsere Beobachtung Menschen, die mitbetroffen sind, mit. Wir holen uns von ihnen Unterstützung und Verstärkung.  Unsere Aufmerksamkeit ist gefragt sowie unsere Bereitschaft, anderen unserer Beobachtung mitzuteilen und sie zum Handeln zu bewegen.
Umgekehrt ist genauso die Fähigkeit gefragt, sich ansprechen und bewegen zu lassen, wenn etwas nicht in Ordnung ist, wenn Veränderungen wahrgenommen werden. Je mehr wir uns miteinander verbunden wissen, umso motivierter sind wir, uns auf die Nachricht einzulassen und uns selbst vom Mitgeteilten zu überzeugen – und seines in einem Wettlauf. Doch dann bedarf es des Mutes, sich die Veränderung genauer anzusehen, ja diese zu inspizieren. Man darf sich ruhig gegenseitig dabei stützen und stützen lassen. Zum Beispiel in den eigenen Lebens- oder Glaubenskrisen oder in jenen, der eigenen Lebenspartner, Kinder, der Freunde und anderer Menschen, die mir nahe stehen. Sowie in den Veränderungen und Herausforderungen im Pfarrgemeindeleben.
Diese Aufbruchsmotive zum Gehen, Ankommen, Hingehen und Hineingehen sowie Wahrnehmen der Veränderungen kennzeichnen die bleibende Dynamik des österlichen Glaubens und zeigen uns wie österliches Glauben geht. Die Ostererzählungen bieten uns Modelle an, österliche Erfahrungen zu machen und österlich zu glauben.

Lösungsverstärkung
Wir dürfen dabei jedoch nicht beim Äußerlichen stehen bleiben. Österlicher Glaube führt zur Beziehung zum Auferstandenen. Vom Jünger, der als zweiter am Grab angekommen war, hieß es: Er sah und glaubte. Damit ist eine innere Erfahrung angesprochen. Ihm ist sozusagen innerlich ein Licht aufgegangen: Jesus lebt. Im Moment bleibt ihm diese Einsicht noch verschlossen.
Neben dem Modell der beiden Jünger, bietet uns das Johannes-Evangelium auch das Modell des österlichen Glaubens von Maria von Magdala an. Sie bleibt am Grab. In ihrer Trauer und Aufregung durch das offene Grab bleibt sie Jesus innerlich verbunden. Sie sucht ihn. Sie fragt nach ihm. Sie vertraut sich dem Engel an und lässt sich auf ein Gespräch mit Jesus ein, den sie zunächst für den Gärtner hält. Erst als sie ihn ihren Namen aussprechen hört, wendet sich sie ihm zu und erkennt ihn. Dann gibt auch er sich zu erkennen und sein Hinaufgehen zum seinem und unserem Vater. Damit wird das österliche Glaubensmotiv gestärkt: sich auf die Begegnung mit dem Auferstandenen einzulassen und in sein Hinaufgehen zum Vater mitzugehen.
Österlicher Glaube ist im Leben geerdet und auf Gott hin ausgerichtet. Österliche Glaube nimmt das Leben tod-ernst und vertraut auf Gottes schöpferischem Heilshandeln. Daraus ergibt sich eine befreiende Hoffnung, die auf die Treue Gottes setzt, der Jesu auferweckt hat.    

Schluss
Österliche Christen erkennt man daran, dass sie sich bewegen lassen. Ich möchte die Geh-Freudigkeit als ein wesentliches Merkmal der  österlichen  Christen im Blick auf die Ostererzählungen hervorheben. Gehen wir hin im Vertrauen unseren Dienst zu tun – sei es auch der letzte an einen Menschen, wie  Maria von Magdala. Nehmen wir wie Maria von Magdala wahr, dass das Grab offen ist. Teilen wir mit unseren Mitchristen, was wir beobachten und was uns befremdet – wie Maria von Magdala. Damit hat sie die Jünger aus ihrer Angst zum Leben erweckt. Lassen wir uns bewegen – wie die Jünger, und laufen wir zum Ort des Geschehens. Gehen wir hinein in die veränderte Wirklichkeit und lassen wir uns davon berühren – wie der Jünger, der sah und glaubte. Bleiben wir wie Maria von Magdala am offenen Grab, um ihn zu suchen und zu sehen. Hören wir auf unseren Namen, mit dem er uns ruft und lassen wir uns senden als Osterzeugen – wie Maria von Magdala.

 

P. Urban Stillhard OSB

1. Kurze Auslegung zu Joh 20,1-9

In dieser Perikope sind zwei Berichte miteinander verbunden: Der Bericht vom Gang der Maria von Magdala ans Grab Jesu, ihrem Schrecken über das offene und leere Grab und ihre sofortige Rückkehr zu Petrus und Johannes mit der überraschenden Botschaft; und der Bericht über das, was die Kunde der Maria bei den beiden Aposteln auslöst: Sie laufen sofort zum Grab, allerdings mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und unterschiedlicher Reaktion: Petrus sieht nur, kann sich aber noch keinen Reim auf das Geschehene machen, Johannes hingegen „sah und glaubte“.
In einigen Details unterscheidet sich der johanneische Text von den Auferstehungsberichten der Synoptiker, in der Formulierung aber zeigt sich eine weitgehende Übereinstimmung – ein Zeichen dafür, dass der spätere Johannestext bereits vorhandene frühere Bekenntnisformeln übernimmt.
Die folgende Homilie orientiert sich nur am ersten Bericht und dessen Kernsatz, dass der Stein vom Grab weggenommen war.

2. Zielsatz

Die Botschaft, dass der Stein vom Grab Jesu weggenommen und das Grab leer ist, soll die Mitfeiernden ermutigen, mit Hilfe des Auferstandenen an der Beseitigung von „Steinen“ vor den eigenen „Gräbern“ zu arbeiten.

3. Predigtgedanken

Motivation
Der Evangelist Markuserzählt, dass mit Maria von Magdala noch zwei andere Frauen mit wohlriechenden Salben zum Grab Jesu gingen, um Jesus einen letzten Liebesdienst zu erweisen. Dabei beschäftigte sie die Frage, wer ihnen wohl den schweren Stein vom Grabeseingang wegwälzen würde. Laut Markus stellten sie dann alle drei fest, was von Maria von Magdala im heutigen Evangelium gesagt wird: Dass der Stein bereits vom Grab weggenommen war.

Problemabgrenzung
Die Rede vom Stein, der vom Eingang des Grabes Jesu weggenommen war, ist seit jeher auch Anlass gewesen, Steine als Grabwächter oder Lebenshindernisse im übertragenen Sinn zu deuten und damit die Frage zu verbinden: Kann  die Botschaft vom weggewälzten Stein vor dem Grab Jesu eine Hilfe zur Beseitigung von „Steinen“ hin zur Öffnung für neues Leben für mich sein?

Versuch und Irrtum
Das offensichtliche Erschreckender Maria von Magdala – sie sieht nur, dass der Stein vor dem Grab weg ist und rennt gleich zu den Aposteln zurück – lässt noch keinen Gedanken an eine Auferstehung Jesu erkennen. Eher mag wohl der Gedanke da gewesen sein: Jetzt ist endgültig Schluss, sogar der Leichnam ist weg Wir würden heute sagen: Trauerarbeit ist fällig mit dem Ziel neuer Arbeits- und Gesellschaftsfähigkeit. So kann der Stein zum Symbol enttäuschter Hoffnungen werden (denken wir an Judas oder an die Emmausjünger), aber auch zum Symbol wiederhergestellter äußerer Ordnung (für. Pilatus) oder bestätigter Gesetze und Überzeugungen (für die Hohepriester, Schriftgelehrte und Pharisäer). Enttäuschte Hoffnungen, unerreichte Ziele, unerfüllte Wünsche, begrabene Freundschaften, gescheiterte Beziehungen, ausgeschaltete Konkurrenten, „erledigte“ Mitmenschen: Solche „Steine“ gibt es immer wieder im menschlichen Leben, und wir kennen auch die möglichen Auswirkungen: Resignation, Starrheit, Verbitterung, Härte gegen sich und andere, Pessimismus.

Problemlösung
Von Maria von Magdala und Petrus heißt es im heutigen Evangelium, sie hätten nur gesehen und noch nicht verstanden. Von Johannes hingegen wird gesagt: „Er sah und glaubte.“ Später ist bei Johannes von Maria und Petrus nochmals die Rede, und da werden beide verstehen und glauben: Maria bei der Begegnung im Garten, Petrus bei der dreimaligen Frage Jesu: „Liebst du mich?“ In der Begegnung mit dem Auferstandenen wird der Stein der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung weggenommen, weil das nicht zu hoffen – ja, nicht einmal zu denken! – Gewagte eingetreten ist: Er lebt. Dafür gibt es keinen naturwissenschaftlichen Beweis, aber es gibt das schriftlich und mündlich weiter gegebene Zeugnis der Jüngerinnen und Jünger und die Wirkungsgeschichte der Botschaft durch zwei Jahrtausende. Für mich heißt das: Es wird zwar auch in Zukunft Steine auf meinem Weg geben, aber der vor dem „Grab“der Angst vor dem Nichts nach dem Tod ist weg. Wenn ich offen bin und bleibe für die Begegnung mit Ihm im Wort, im Brotbrechen, in der gemeinsamen Feier, in der zwischenmenschlichen Begegnung, dann kann ich Ihn in meinem Leben als dasLeben erfahren – trotz aller Steine, ja mit den Steinen und aus ihnen.

Lösungsverstärkung
In früheren Jahrhunderten hat es den Brauch des Ostergelächters gegeben. Der Priester, der dem Ostergottesdienst vorstand, hat etwas gesagt oder getan, was die Leute zum Lachen brachte, und zwar nicht um des Lachens willen, sondern, um Tod und Teufel auszulachen, die durch die Auferstehung Christi grundsätzlich entmachtet sind. An diesen Brauch möchte ich abschließend mit einem Witz anknüpfen:Ein jüdischer Vater klagte Gott sein Leid:„Mein Sohn ist Christ geworden.“ Gott antwortet ihm darauf: „Auch mein Sohn ist Christ geworden.“ „Und – was soll ich machen?“, fragt der jüdische Vater. Gottes Antwort: „Hmm – ich weiß nicht, was du machen willst. Ich hab jedenfalls ein neues Testament gemacht.“ Es ist klar, dass der Witz aus der Doppelbedeutung des Begriffs „Neues Testament“ entsteht. Das befreiende Osterlachen aber hat seinen Grund in der Botschaft, dass der göttliche Vater seinen Sohn durch die Auferweckung zum „Universalerben“ eingesetzt hat und dass wir in diesem „neuen Testament“ alle zu Miterben geworden sind. Die Regelung dieser „Erbschaftsangelegenheit“ hat begonnen mit der Feststellung, „dass der Stein vom Grab weggenommen war“.

 

Zweiter Sonntag der Osterzeit

Gottfried Ugolini

1. Kurze Auslegung

Erste Lesung: Apg 2,42-47 – Lukas zeichnet ein Idealbild der christlichen Urgemeinde. Es liest sich wie ein Leitbild mit vier Merkmalen, die das christliche Gemeindeleben prägen: 1) an der Lehre der Apostel festhalten, 2) eine solidarische Gemeinde bilden, 3) das gemeinsame Brotbrechen feiern, und 4) beten.  Weil diese Merkmale geschwächt, gleichgültig gehandhabt, vernachlässigt  und  in Frage gestellt wurden, war es notwendig, für diese neu zu werben. Wie steht es mit unserem Leitbild einer lebendigen christlichen Gemeinde (Diözese)?
Zweite Lesung: 1Petr 1,3-9 – Wenn wir jemand ermutigen wollen, erinnern wir ihn an das, was ihn auszeichnet und an das Ziel, zu dem er unterwegs ist. In diesem Briefabschnitt lobt der Schreiber, dass uns Gott durch die Auferstehung Jesus eine lebendige Hoffnung schenkt. Diese ist unzerstörbar, denn Gott behütet uns im Glauben, damit wir das Heil erlangen. Diese endzeitliche, machtvolle Zusage Gottes ist der Grund zur Freude und zur Standhaftigkeit in der Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderungen und Chancen. Wie ermutigen wir uns persönlich und als christliche Gemeinde, im angesichts der Fragen und Anliegen, Ängste und Sehnsüchte der Menschen heute und morgen, uns aus dem Glauben heraus zu engagieren?
Evangelium  Joh 20,19-31:  Die vertraute österliche Erzählung riskiert als schon bekannt ihren Reiz und ihre Würze zu verlieren. Es lohnt sich, die ängstliche Glaubenshaltung der Jünger mit der Einladung Jesu zu einer lebendigen und mutigen Glaubenshaltung in Kontrast zu setzen und wie einen Bergkristall von verschiedenen Seiten her zu betrachten. Eine ganze Dynamik entwickelt sich in dieser Erzählung, die den Glauben der Jünger belebt und festigt und seine missionarische Triebkraft freilegt. Wie wirkt sich diese österliche Dynamik in der Glaubensentwicklung des einzelnen und  der Gemeinde (Diözese/Kirche) aus?

2. Zielsatz

Die Zuhörerinnen und Zuhörer werden bestärkt, dass der österliche Glaube eine lebendige Hoffnung freisetzt, die Freude schenkt und Standhaftigkeit in Krisen und Herausforderungen, weil Gott treu zu uns steht – wie in der Auferstehung Jesu. 

3. Predigtgedanken

Motivation
Ich meine, wir sagen manchmal zu schnell und zu leichtfertig: „Die Hoffnung stirbt zuletzt!“ oder: „Die Hoffnung gibt jemand nicht so schnell auf!“ Solche Hoffnung wird nicht selten verstanden als letzter Ankerpunkt, als blindes Warten auf ein Wunder oder als  vertröstendes Motiv, um sich nicht von der Tragik der Situation mitreißen zu lassen.
Eine lebendige Hoffnung, die auf den österlichen Glauben gründet, ist eine im Leben und in Gott verankerte  Hoffnung. Sie setzt Vertrauen frei, schenkt Mut, der aufrichtet, und gibt Gelassenheit, die das Unveränderbare annehmen kann, während ich mich in die Hände Gottes aufgehoben weiß. 

Problemfrage
Manchmal frage ich mich, warum neigt in uns Christen jene lebendige Hoffnung zu verkümmern, die im österlichen Glauben gründet, der uns aufzurichten vermag und Zukunft erschließt?

Versuch und Irrtum
Wer glaubt, hat mehr Hoffnung –heißt es oft, wenn Menschen mit Krankheit, Scheitern und Tod konfrontiert werden. Menschen, die glauben, können besser damit fertig werden. Dennoch frage ich mich: geht es ums Fertigwerden damit oder geht es um eine gläubige Bewältigung dieser Lebenssituationen? Es stimmt, dass der Glaube in solchen Situationen Hoffnung zu geben vermag. Doch der österliche Glaube ist kein Allheilmittel, keine billige Vertröstung und schon gar kein Arznei- oder Therapieersatz.  Es gilt dem österlichen Glauben auf dem Grund zu kommen und uns mit einer neuer Hoffnungsperspektive auf den Weg zu machen.
Mir scheint, dass jene schon einen wahren Nerv treffen, wenn sie uns Christen oft vorwerfen, dass wir in manchen Dingen lebens- und weltfremd sind. Sicher, das ist zu generell gesagt. Dennoch ist was Wichtiges ausgesagt: ein Glaube, der nicht geerdet ist, ist untauglich. Ein lebens- und weltfremder Glaube vermag keine lebendige Hoffnung aufkommen zu lassen. Eine lebendige Hoffnung, die sich im Alltag bewährt, lässt Freude und Mut aufkommen und gibt Standfestigkeit bei der Bewältigung der Krisen und Aufgaben.
Die lebendige Hoffnung, die aus dem österlichen Glauben erwächst, setzt beim konkreten Leben an. Da ist die krisengeschüttelte und konfliktbeladene Gemeinde, der Lukas in der Apostelgeschichte ein Idealbild als Korrekturrichtung zeichnet. Da ist die trost- und mutlose Gemeinde, an die sich der 1. Petrusbrief mit der Erinnerung an die lebendige Hoffnung aus dem österlichen Glauben richtet. Da sind die verängstigten Jünger und der zweifelnde Thomas, die erst in der Begegnung mit dem Auferstandenen ihren Glauben wieder beleben und missionarisch ausrichten lernten.

Lösungsangebot
Heute werden in vielen Einrichtungen Leitbilder erarbeitet. Diese haben die Aufgabe, deren Anliegen und Ziele, Motivation und Werte kurz und bündig zu vermitteln. Das ist notwendig, wenn diese nicht mehr klar sind, vernachlässigt wurden oder den heutigen Anforderungen angepasst werden müssen.  Das gilt auch für unseren österlichen Glauben. Wir lassen uns von den Ostererzählungen anstecken, damit wir unsere eigenen Ostererfahrungen daran anknüpfen oder damit wir uns auf neue österliche Glaubenserfahrungen einlassen. Dazu ist eine bewusste und gezielte Auseinandersetzung mit den Glaubensinhalten und Glaubensleben als christliche Gemeinde notwendig.
Das Idealbild, das Lukas in der Apostelgeschichte zeichnet, gleicht einem Leitbild, das auch für unsere Pfarrgemeinde (auch Diözesansynode) zur Auseinandersetzung damit einladen kann. Die vier Merkmale verstehen sich auch als Leitsätze, die das christliche Gemeindeleben prägen. Sie lauten: 1) an der Lehre der Apostel festhalten, 2) eine solidarische Gemeinde bilden, 3) in der Gemeinde (in den Häusern) das gemeinsame Brotbrechen feiern, und 4)  beten.  Lukas fügt noch ein missionswirksames Finale an:  einmal, dass Christen, die entsprechend diesen Leitsätzen als Gemeinde leben, bei den Menschen Sympathie auslösen. Und zum anderen, dass Gott ihnen täglich Menschen zuführte, die gerettet werden sollen. Wir dürfen ruhig mal dieses Leitbild auf unsere Pfarrgemeinde (Gemeinschaft, Diözese) anwenden und davon träumen, welche Auswirkungen bei uns ausgelöst würden, wenn es umgesetzt wird.

Lösungsverstärkung
Auch hier wieder: eine lebendige Hoffnung wird nur aufkommen, wenn wir konkret bei uns selbst und bei unserer Pfarrgemeinde bzw. Gemeinschaft (Diözese) ansetzen. Ein demütigen, dh nüchterner und realistischer Blick entspricht am ehestens dem Blick Gottes auf uns und auf unsere Leben- und Glaubenswirklichkeit. Zu diesem offenen und ehrlichen Blick gehört auch der österliche Glaube, der die Wirklichkeit auf Gottes Liebe und Treue zum Menschen und zu seiner Schöpfung hin erschließt.
Der Osterglaube ist die Grundlage für die lebendige Hoffnung, die wir als Christinnen und Christen in uns tragen. Für mich persönlich ist die Aussage im Petrusbrief von enormer Tragweite: Gott selbst bürgt und kümmert sich darum, dass wir durch den Glauben das Heil erlangen. Er hört nicht auf, uns darin zu treu zu begleiten und für uns einzustehen. Insofern haben wir tatsächlich eine unerschütterliche und unzerstörbare Hoffnung, weil wir uns auf Gott und sein uns zugesprochenes Heil verlassen können. Dieses wird bereits jetzt wirksam.
Doch, manchmal sind auch wir Christen aus Furcht vor … aus Furcht vor den anderen hinter verschlossenen Türen und wagen uns nicht hinaus. Wir vermeiden aufzufallen, Position zu beziehen sowie Rede und Antwort zu stehen, wo unsere Hoffnung gefragt ist, die uns erfüllt. Manchmal zweifeln wir auch über Glaubenszeugnisse anderer und fordern Beweise. Manchmal  werfen wir mit unbarmherziger Kritik gegenüber Mitchristen, Priestern und Verantwortlichen der Kirche um uns, verallgemeinern und verhalten uns ihnen gegenüber verachtend. Manchmal schätzen wir unseren Glauben stärker und besser ein als den der anderen. All das ist Ausdruck einer leblosen Hoffnung und keines österlichen Glaubens.
Hier tun wir gut daran, in die Glaubensschule der heutigen Ostererzählung zu gehen. Jesus spricht darin den Jüngern zweimal den Frieden zu bevor er ihnen den Heiligen Geist übergibt. Der Frieden ist der Lebens- und Glaubenshorizont, in dem wir unsere Berufung erkennen und verwirklichen im Blick auf das Heil, das Gott uns bereits jetzt erfahren lässt. Das macht unsere christliche Identität aus. Der Heilige Geist lockt uns heraus aus dem verängstigten Kleinglauben und aus den Sackgassen, in die wir uns leicht verrennen. Er führt uns ein in das Ernstnehmen unseres Glaubens, in das Wachsen und Reifen als versöhnte Christen. Die Zweifel des Thomas werden zum Grund seiner neuen Sendung, Mission, als nun österlich Glaubender, dem neu die Augen aufgegangen sind. Diese persönliche Begegnung ist der Schlüsselpunkt für eine lebendige Hoffnung, dass wir durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen.

Schluss
Österlicher Glaube gründet im Leben und im Glauben an Gott, der sich dem Menschen und seiner Schöpfung treu verbunden weiß. In der Auferstehung Jesu wird diese Erfahrung zur lebendigen Hoffnung für alle, die daran glauben. Diese Freude aus dem österlichen Glauben motiviert und stärkt den Christen, sich im Glauben und im Leben, in Kirche und Welt zu engagieren. Aus dem österlichen Glauben erwächst auch die Standhaftigkeit, mutig und solidarisch Krisen und Probleme, Leiden und Tod ernst zu nehmen, zu deuten und in lebendiger Hoffnung zu bewältigen. Diese Standhaftigkeit gibt auch die Gelassenheit und das Vertrauen, das Risiko der Liebe zum „unsichtbaren“  Gott einzugehen, weil wir als österliche Christen uns darauf verlassen können auf das Heil, das bei Gott ist.

Luis Gurndin

1. Kurze Auslegung von Joh 20,19-31

Ganz offensichtlich handelt es sich bei den beiden Erscheinungsberichten dieser Perikope um Glaubenserfahrungen der Jünger. Thomas ist beim ersten Mal nicht dabei und stellt darum die Glaubensaussagen der anderen in Frage. Darin liegt ein großer Trost und eine große Entlastung für alle, die seine Fragen und Zweifel teilen – bis auf den heutigen Tag, denn Jesus weist das Ansinnen des Thomas nicht zurück, sondern kommt seiner Sehnsucht nach Berührung und Be-Greifen entgegen. Damit ist uns gesagt, dass auch für uns der Zugang zur Erfahrung Jesu Christi als des Auferstandenen daran gebunden ist, dass wir uns auf ein Leben aus dem Glauben an ihn einlassen.

2. Zielsatz

Die Mitfeiernden sollen am Beispiel der Begegnung Jesu mit Thomas lernen, dass Glaubenszweifel erlaubt sind und dass die Auferstehung sich nicht verstandesmäßig beweisen lässt, sondern dass man sich auf eine Glaubensbeziehung zu Jesus einlassen muss, wenn man ihn als den Auferstandenen „erfahren“ will.

3. Predigtgedanken

Motivation
Den Apostel Thomas, der als der Mann des Zweifels , als „ungläubiger Thomas“ in die Christentumsgeschichte eingegangen ist, könnten wir aufgrund eben seines Zweifels am Bericht der Mitapostel von der Auferstehung Jesu als ersten aufgeklärten, modernen Menschen bezeichnen. Die bloße Nachricht von der Auferstehung genügt ihm nicht – es könnte sich schließlich um eine Zwecklüge, um ein Gerücht handeln –, er will handfeste Beweise, mit Händen greifen, um sich persönlich zu vergewissern.

Problemabgrenzung
Was aber lässt uns glauben, wenn wir keine Beweise haben?

Versuch und Irrtum
Wenn wir uns in die Lage des Thomas versetzen, dann werden viele von uns wahrscheinlich Verständnis für ihn haben, ja, sein Zweifel mag manchen von uns Trost in den eigenen Zweifeln und Glaubensschwierigkeiten sein. Nach aller Erfahrung, die wir in dieser Welt machen, erweist sich der Tod immer wieder als stärker denn das Leben, und so gibt es bis auf den heutigen Tag immer wieder auch Menschen, die die Meinung vertreten, man möge doch der Wirklichkeit ins Auge schauen, den unausweichlichen Tod akzeptieren und nicht Zuflucht in einer wie auch immer befristeten Betäubung suchen. Verlass sei nur auf handfeste Beweise, auf die eigene Hand, auf den eigenen Finger.

Problemlösung
Freilich, wenn wir uns, unsere Erfahrungen und unser Leben insgesamt aufmerksam beobachten und bedenken, muss uns doch auch aufgehen, dass die genannte Sicht- und Denkweise einseitig ist: Es gibt vieles in unserem Leben, das wir nicht greifen und be-greifen können, von dem wir trotzdem tief innerlich wissen, dass es da ist. Das Evangelium berichtet: Jesus lässt den Thomas eine solche Erfahrung machen, er nimmt ihn beim Wort, indem er ihn einlädt: Berühre mich mit deiner Hand, mit deinem Finger! Und Thomas, der eine Woche vorher noch große Töne von sich gegeben hatte, rührt keinen Finger. Insofern sind ja die meisten Darstellungen der Begegnung zwischen dem Auferstandenen und Thomas falsch. Thomas be-greift, was nicht zu greifen ist: Gott, der in Jesus unter uns erschienen, einer von uns geworden ist, dieser Gott ist nicht verfügbar, der am Kreuz Gestorbene ist gegen alle menschliche Logik der Lebende. Vor diesem „Geheimnis des Glaubens“ vergehen ihm alle großen und pessimistischen Sprüche, und er bekennt anbetend: „Mein Herr und mein Gott!“

Lösungsverstärkung
Damit sind für uns weder Zweifel und Glaubensschwierigkeiten ausgeschlossen, noch bleiben uns Dunkel, Leid und Ängste in unserem Leben erspart. Wohl aber fällt von der Auferstehung Jesu und von seiner Begegnung mit Thomas her Licht in unsere Dunkelheiten, weil wir im Glauben wissen: Einer hat ein offenes Herz für uns. Zweifel sind erlaubt: Er sucht die Begegnung mit uns auch im Zweifel. Leid und Ängste müssen uns nicht in die Ver-Zweiflung treiben: Der Gekreuzigte lebt und ist uns nahe, auch wenn wir Ihn nicht greifen und vieles nicht be-greifen können. Es ist uns die Hoffnung geschenkt, dass der Weg durch Leiden und Kreuz auch für uns zur Herrlichkeit der Auferstehung führen wird.

 

N.N.?

1. Kurze Auslegung von Joh 20,19-31

Mehrere Ostererzählungen sind in diesem Evangelium ineinander verwoben wie verschieden gefärbten Fäden eines Teppichs. Es handelte sich dabei um frühere und spätere Ostererzählungen. Alle berichten von der einen Grunderfahrung: „Jesus, der gekreuzigt worden war, er lebt. Wir haben den Herrn gesehen.“ Die Ostererzählungen sind Ausdruck von Glaubenserfahrungen, die die Botschaft Jesu und sein Sterben im Licht der Auferstehung deuten. Sie werden zu Glaubensbekenntnissen: Gott hat Jesus aus dem Tod in sein Leben hineingenommen. Deshalb lebt und wirkt er weiter, wo immer Menschen sich auf ihn einlassen und sich von seinem Geist bewegen lassen.
Die Zweifel des Thomas leiten eine veränderte Glaubenserfahrung ein: nicht mehr das direkte Sehen und Berühren bilden den Anlass zu glauben, sondern das Wort der Glaubenszeugen und deren  Lebens- und Glaubensgemeinschaft: „Selig, die nicht sehen und doch glauben!“ In der Nachfolge der Apostel („der Seher“) gibt für die Gemeinde des Johannes und für uns heute keinen anderen Beweis als ihr Zeugnis. Indem wir ihrem Zeugnis trauen und uns selbst auf die Nachfolge Jesu einlassen, können auch wir österliche Erfahrungen machen.

2. Zielsatz

Die Zuhörerinnen und Zuhörer werden ermutigt, mit ihren Fragen und Zweifeln, in ihrem Suchen und in ihrer kritischen Auseinandersetzung ihren eigenen Ostererfahrungen oder jener  anderer nachzuspüren und sich selbst auf neue einzulassen.

3. Predigtgedanken

Motivation
Ganz allgemein können wir feststellen, dass sichSorgen und Zweifeln, Misstrauen und Vorsichtum uns herum im Blick auf das Leben, auf die Gesellschaft und auf die Zukunft breit machen. Und das nicht nur im Zusammenhang mit der Energie- und Finanzkrise. Auch in unseren Lebens- und Glaubensgemeinschaften hat die optimistische Stimmung an Kraft eingebüßt.  Auf allen Gebieten hat die Unsicherheit fast überhandgenommen. Vieles ist ungewiss geworden. Eine lähmende und bedrückte Stimmung hat sich eingeschlichen. Während die einen resigniert und frustriert darauf reagieren, werden andere angriffslustig und machen sich andere auf die Suche nach Sündenböcken.
Innerkirchlich und in unseren Pfarrgemeinden atmen wir dieselbe Luft. Wie soll es mit dem Glauben weitergehen, fragen sich die einen besorgt und mühen sich ab, den Glauben lebenswürzig und attraktiv zu feiern und zu verkünden. Andere sehen überhaupt nur mehr Krise: die Kirchen, der Glaube, die Priester, die Laien, die Sakramente, das Gebet, die Liturgie … alles ist in Krise. Sie reagieren darauf verängstigt, verzweifelt und deprimiert.  Dann gibt es einige, die sich aggressiv und  abwertend oder anklagend und vorwurfsvoll äußern und dagegen ankämpfen. Wieder andere zweifeln und fragen, ob nicht inmitten aller Veränderungen, Umbrüche und Herausforderungen gerade die Begegnung mit dem Auferstandenen stattfinden, der uns  vorausgeht (so wiederholt auch in den Ostererzählungen unterstrichen!). Und andere ziehen sich in bewährte oder selbstgebastelte  Sicherheiten zurück, fast nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut!“

Problemfrage
Ganz allgemein und ganz gezielt auf unsere Kirche drängt sich die Frage auf: Wer ist für uns heute noch vertrauenswürdig, glaubwürdig? Wem kann ich trauen? Oder, im Blick auf mich (uns) selbst gefragt: Gilt mein (unser) Lebens- und Glaubenszeugnis, ist es für andere glaubwürdig, annehmbar?

Lösungsangebot
Angesichts der verschiedenen Krisen und Herausforderungen, der ich mich als Christ und der wir uns als Gemeinde, als Kirche zu stellen haben, kann ich vom heutigen Evangelium Einiges abgewinnen. Mich fasziniert der freie Umgang mit den verschiedenen Ostererzählungen, wie dies im Johannes-Evangelium geschieht. Sie werden miteinander verbunden, immer wieder neu. Der rote Faden, der sie alle durchzieht, gipfelt in der Aussage: „Wir haben den Herrn gesehen!“ Anders gesagt: „Wir sind Jesus begegnet. Er lebt.“ Wir hören, wie freudig und begeistert davon erzählt wird. Das steckt an.
Doch da wird uns noch Thomas vorgestellt, als einer der zweifelt, alles in Frage stellt und nach Beweisen verlangt. Er gehört auch, ja unbedingt, in die Ostererzählungen hinein. Diese Erfahrung gehört genauso dazu und will ernst genommen werden. Dabei ist ja interessant, dass Thomas darauf verzichtet, die Beweise zu überprüfen, was ihn Jesus ausdrücklich anbietet. Vielleicht hätte ich zugegriffen, berührt, um mich zu vergewissern. Johannes scheint in dieser Ostererzählung den Schwerpunkt nicht auf die Beweisführung zu legen, sondern darauf, dass die Ostererfahrung der Jünger übereinstimmt mit der Erfahrung des Thomas, dass Jesus als der Auferstandene lebendig da ist und lebt. Wir können sagen: Die Ostererfahrung der Jünger wird glaubwürdig in der eigenen Ostererfahrung des Thomas. Johannes lässt Jesus Thomas und uns sagen: „Selig, die nicht sehen und doch glauben!“ Das gilt auch uns, heute.
Ich wage mal aus dem bisher Gesagten folgenden Schluss zu ziehen: Echte Ostererfahrungen stecken  andere zu neuen Ostererfahrungen an. Der Grund dafür liegt im roten Faden der Ostererzählungen: Jesus lebt und sein Geist wirkt weiter. Mein christlicher Glaube, mein Lebens- und Glaubenszeugnis gründet in Jesus, den Gott in sein Leben hineingenommen hat. Jesus ist für mich zum unüberbietbaren  Ja zum Leben geworden, dem ich trauen kann. Jesus ist, anders gesagt, das radikalste Nein gegenüber allem, was das Leben bedroht, gefährdet oder gar zerstört. Jesus Auferstehung bürgt dafür, dass das Leben stärker ist in allem Leiden, mitten aller Ungerechtigkeit und selbst im Tod. Das Leben setzt sich darin durch, weil sich Gott in Jesus als Gott des Lebens erwiesen hat, dessen Geist belebend und zum Heil bewegend wirkt.
Für Thomas werden die österlichen Glaubenszeugnisse in dem Moment glaubwürdig, als er selbst Jesus begegnet. Damit ist das Kritierium angeführt, das unser österliches Lebens- und Glaubenszeugnis glaubwürdig macht. Der Auferstandene lebt und wirkt in uns, in unserer Pfarrgemeinde, in unserer Welt. Mein bzw. unser österliches Glaubenszeugnis erschließt anderen sein Mitten-unter-uns-Sein, wenn wir damit rechnen, dass Jesus bereits da ist und wirkt. Mein bzw. unser österliches Glaubenszeugnis wird glaubwürdig, wenn wir uns in der Nachfolge Jesu von seinem Geist leiten lassen.

Lösungsverstärkung
Gerade deshalb ist das Suchen und Fragen, das Zweifeln und die kritische Auseinandersetzung gefragt. Wir könnten sagen: Der Thomas gehört absolut dazu – in mir und in den anderen. Mit seiner Haltung provoziert und konfrontiert er uns zutiefst, radikal, um Jesus den Raum zu geben, sich zu zeigen, uns anzusprechen und mit seinem Geist zu erfüllen. Dazu braucht es ständig unser Suchen und Fragen -  auch in unserem Beten, unser Zweifeln und unsere kritische Auseinandersetzung: nicht um uns selbst zu kreisen, sondern uns zu öffnen und empfänglich zu machen für neue Ostererfahrungen. Denn Jesus lebt mitten unter uns: „Selig, die nicht sehen und doch glauben!“  Gerade diese Seligpreisung gilt für uns heute: mitten aller Verunsicherungen und allem Misstrauen, mitten aller Krisen und Zweifel. Selig, die suchen und fragen nach der Wahrheit, nach der Gerechtigkeit, nach Lösungen von Konflikten und Krisen: sie bewegen unsere Herzen, um sich vom Geist Jesu leiten zu lassen. Selig, die daran zweifeln, ob Jesu lebendig und heilsam mitten unter uns wirkt: sie geben uns die Möglichkeit, noch einmal hinzuschauen und hinzuhören, um seine Gegenwart unter uns auszumachen. Selig, die nicht sofort Ja und Amen sagen: sie regen uns an, unser Gewissen zu prüfen, die Geister zu unterscheiden und können dadurch verhindern, dass wir eigenen Götzen nachlaufen. Selig, die zutrauen, dass auch inmitten der Krisen und Herausforderungen im Leben und im Glauben, Auferstehung angesagt ist. Und, selig, die damit rechnen, dass in jedem Menschen ein Thomas steckt, der zweifelt und fähig ist zu glauben. Sie werden unser Leben und unsere Welt österlicher werden lassen.

Dritter Sonntag der Osterzeit

Luis Gurndin

1. Kurze Auslegung von Joh 21,1-14
Im Lesejahr C wird die Perikope bis Vers 19 vorgetragen.

Es geht in dieser Perikope offensichtlich nicht (nur) um eine zusätzliche „Beweisführung“ für den Auferstehungsglauben, sondern um das Vertrauen in das Dasein und Wirken des Auferstandenen auch im Alltagstrott und in den Enttäuschungen und Misserfolgen des persönlichen Lebens wie auch des Lebens der kirchlichen Gemeinschaft. Der christliche Glaube hat seine Grundlage in der Gemeinschaft mit Christus. Solange wir nur auf unsere menschlichen Möglichkeiten bauen, werfen wir die Netze auf der falschen Seite aus, und sie bleiben leer. Nur im Hören auf Jesu Wort und im Handeln nach diesem Wort „liegen wir richtig“.

2. Zielsatz
Die Hörerinnen und Hörer verstehen den Bericht als Ermutigung, auch in den Enttäuschungen und Misserfolgen des – persönlichen wie des kirchlichen – Lebens der Gegenwart und dem überraschenden Wirken des Auferstandenen zu vertrauen, und als Einladung, aus diesem Vertrauen heraus immer neu „die Netze auszuwerfen“.

3. Predigtgedanken

Motivation
Angesichts des enttäuschenden Scheiterns Jesu entschließen sich sieben seiner engsten Mitarbeiter, zu ihrer ursprünglichen Tätigkeit als Fischer zurückzukehren. Wir können es als Flucht in die Betriebsamkeit oder als Beschäftigungstherapie deuten – das Problem ist: Sie rechnen offensichtlich nicht mehr mit Jesus.

Problemfrage
Rechne ich in den enttäuschenden Erfahrungen meines Alltagslebens und meines Glaubenslebens, und rechnen wir als Glaubensgemeinschaft in den enttäuschenden Erfahrungen des pfarrlichen und kirchlichen Lebens mit der Gegenwart und dem überraschenden Wirken Jesu?

Versuch und Irrtum
Krisen auslösende Misserfolge und Enttäuschungen im persönlichen Leben können zum depressiven „Rückzug ins Schneckenhaus“, zu Überbetriebsamkeit oder auch zur Flucht in die Betäubung führen, weil man nur mehr mit den eigenen vordergründigen Möglichkeiten gerechnet hat und dabei nicht aus der Sackgasse herauskommt. Genauso kann es im persönlichen geistlichen Leben geschehen, dass man ungeduldig und verbissen um inneres Wachstum kämpft und meint, man müsse es aus eigener Kraft schaffen, um Gott zu gefallen. Und ebenso kann es angesichts offensichtlich notwendiger innerkirchlicher Reformen geschehen, dass man zu sehr auf vordergründig menschlich machbare Veränderungen setzt, anstatt mit der „Brille“ Gottes die Zeichen der Zeit zu sehen und zu deuten.

Problemlösung
Mir ist durchaus bewusst, dass das Sehen mit der „Brille“ Gottes“ ein frommer Gemeinplatz sein kann, in den eigene Lieblingsideen hineingestopft werden können. Aber auch dieses Evangelium bietet uns keine Patentlösung für alle Probleme, sondern nur die Einladung, das, was wir immer tun – nämlich die Netze zum Fang auswerfen – auf Geheiß und im Sinn Jesu zu tun, also im Hören auf sein Wort und im Blick auf sein Beispiel und dann auf sein Dasein und sein Wirken zu vertrauen. Das wollte der Verfasser des Evangeliums damals seiner Gemeinde sagen, das will uns heute gesagt sein.

Lösungsverstärkung
Im Evangelium bestätigt der reiche Fischfang den Jüngern, dass sie gut daran getan haben, der Einladung Jesu zu folgen. Der Verfasser des Evangeliums wollte damit seinen Adressaten sagen: Haltet Jesus die Treue, auch wenn es sich scheinbar nicht lohnt, und glaubt daran, dass er in dem und durch, was ihr tut, seine Sache zum Sieg führt. Dazu sind auch wir heute eingelade - persönlich und als Glaubensgemeinschaft.

 

Sonia Salamon

1. Kurze Auslegung von Joh 21,1-19 (nach Hans-Ulrich Wiedemann)
Im Lesejahr A wird die Perikope (Auswahllesung) nur bis Vers 14 vorgetragen.

Das Abschlusskapitel des Johannesevangeliums gilt als Nachtrag und ist vermutlich einer der jüngsten neutestamentlichen Texte. Im Zentrum dieses Nachtrags stehen Petrus und der namenlose geliebte Jünger: Die Übergabe des Hirtenamtes an Petrus wird ebenso hervorgehoben wie das „Bleiben“ des Lieblingsjüngers (V. 20-25). Dahinter steht der Konsens zweier Gruppierungen: die johanneische Tradition (und ihre Trägerkreise) und das außerjohanneische (petrinische) Christentum.
Das Abschlusskapitel kann in zwei Einheiten gegliedert werden: V. 1-14 greifen den Weg vom Unwissen zur Erkenntnis des Auferstandenen auf. Es werden sieben Jünger aufgezählt (vgl. V. 2), wobei zunächst Petrus genannt wird, dann Thomas (vgl. das österliche Bekenntnis in 20,28) und Nathanael (vgl. erste Bekenntnis in Joh 1,49). Mit diesen beiden Jüngern ist das spezifische Christusbekenntnis des Johannesevangeliums (weder Nathanael noch das Thomasbekenntnis sind in den synoptischen Evangelien zu finden) von Anfang bis zum Ende untern den Jüngern anwesend. Die Zebedäussöhne hingegen werden hier zum ersten Mal genannt; sie treten ansonsten in einigen wichtigen synoptischen Erzählungen auf. Des Weiteren werden zwei „anonyme“ Jünger erwähnt, wobei angenommen werden kann, dass einer der beiden der namenlose Lieblingsjünger ist.
Die Jünger gehen nach den Ostererscheinungen dem Fischfang nach; sie widmen sich wieder ihrem Alltag und ihrem Berufsleben. Im Vergleich zu den Begegnungen mit dem Auferstandenen in Joh 20 wird deutlich, dass die Begegnung mit ihm sowohl in der Liturgie der Kirche („hinter verschlossenen Türen“ - vgl. Joh 20) als auch in der konkreten Alltags- und Berufserfahrung (vgl. Joh 21) stattfindet.
Nach V. 9 sehen die Jünger ein Kohlefeuer am Land. Dieses Wort „Kohlefeuer“ spielt auf das Kohlefeuer im Hof des Hohenpriesters an und somit bereits auf die dreifache Verleugnung des Petrus. Des Weiteren fällt auf, dass die Fische, die die Jünger gefangen hatten, eigentlich nicht zum Essen gebraucht werden: Es brennen bereits Fisch und Brot am Kohlefeuer. Jesus gibt aber nach V. 10 die Anweisung, die gefangenen Fische herzubringen: Sie werden also zur Mahlzeit gebracht, „sind aber nicht Teil der Mahlzeit.“ Die Zahl der Fische wird unterschiedlich gedeutet. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass mit den zahlreichen Fischen Menschen gemeint sind: Und trotz der großen Menge, zerreißt das Netz nicht. Jesus lädt dann zum Mahl ein (vgl. V. 12): Er gibt Anteil an der Mahlgemeinschaft.
V. 15-17: Jesus wendet sich Petrus zu. Er spricht ihn mit Namen an. Die drei Fragen nach seiner Liebe erinnern an die dreimalige Verleugnung im Hof des Hohenpriesters. Dabei wird dieses Versagen nicht explizit angesprochen, sondern durch die dreifache Liebesbezeugung als überwunden dargestellt. Diese Liebensbezeugung spielt auch im Zusammenhang des Mahles eine wichtige Rolle: Die Zuhörenden werden daran erinnert, dass die Liebe zu Jesus die Voraussetzung für die Teilnahme am Herrenmahl ist; die „größere“ Liebe des Petrus, die sein Hirtenamt begründet, muss jedoch dreimal bekräftigt werden, um seine Verleugnung „auszugleichen“. Die Andeutung seines Martyriums in den V. 18-19 macht zudem deutlich, dass sein „Mehr“ an Verantwortung auch ein „Mehr“ an Lebenseinsatz fordert. Die abschließende Forderung „Folge mir nach!“ erinnert an das Wort Jesu in seiner Abschiedsrede (vgl. 13,36).

2. Zielsatz

Der Gemeinde wird verdeutlicht, dass Jesus Christus nicht nur in der Feier der Liturgie erfahrbar ist, sondern auch in ihrem Alltag.

3. Predigtgedanken

Motivation
Stellen Sie sich vor, Sie erhalten eine Einladung zu einer Geburtstagsfeier und kennen diesen Menschen nicht, bzw. Sie können sich nicht an ihn erinnern. Vielleicht sind Sie neugierig geworden und denken Sie sich: Jetzt gehe ich mal dorthin und schaue, wer diese Person ist. Und vielleicht kenne ich ja die eine oder den anderen.
Vielleicht legen Sie die Einladung bei Seite oder werfen sie weg, weil sie diesen Menschen nicht kennen. Warum soll ich dann auf diese Feier gehen?

Problemfrage

Ich frage mich, ob es ähnliche Situationen auch bei uns Christinnen und Christen gibt?

Versuch und Irrtum

Menschen, die Jesus Christus kaum kennen und zu einer Gottesdienstfeier kommen: Wenn ich mir das so vorstelle, kann ich es gut verstehen, dass sie mit der Zeit nicht mehr zu unserer christlichen Feier kommen. Und ich kann verstehen, dass andere erst gar nicht kommen. Aber vielleicht ist der eine oder die andere ja zwischendurch neugierig geworden und kommt trotzdem. Vielleicht kennt er die eine oder die andere, vielleicht ist er auch von der Feier beeindruckt, und er ist neugierig geworden und möchte Jesus Christus kennen lernen.

Lösung 
Es steht außer Frage: Die liturgischen Feiern sind für uns Christinnen und Christen wichtig und sie können uns viel schenken – besonders die Begegnung mit dem Auferstandenen selbst. Davon erzählen ja auch einige biblischen Geschichten: Wann sind die Jünger und Jüngerinnen dem Auferstandenen begegnet und haben ihn erkannt? In ihren gemeinsamen Versammlungen, beim Mahlfeiern, beim Brechen und Teilen des Brotes. Aber nicht nur! Das heutige Evangelium erzählt zum Beispiel von einer Alltagssituation: Die Jünger gehen fischen. Sie gehen ihrem Beruf und ihrem Alltag nach. Und hier begegnet ihnen der Auferstandene. Auch in ihrem Alltag erfahren sie, dass der Auferstandene sich ihnen zuwendet und mit ihnen ist. Sie begegnen ihm in ihrem gewöhnlichen Alltag – und er lädt sie ein, mit ihm Mahl zu feiern.

Lösungsverstärkung
Auch wir feiern heute gemeinsam Mahl – wir feiern gemeinsam Eucharistie. Wir feiern dies, weil es uns wichtig ist, weil uns die Gemeinschaft mit ihm wichtig ist oder weil wir sie suchen. Wir feiern gemeinsam, weil er uns zu dieser Feier eingeladen hat, weil er uns in unserem Alltag begegnet ist: Wer hat mir von Jesus Christus erzählt? Wann habe ich das letzte Mal ganz besonders erlebt, dass er sich mir zuwendet, dass er mit mir ist?
Ich darf darauf vertrauen, dass Jesus Christus mich durch meinen Alltag begleitet und mir im Alltag zur Seite steht. Ich darf darauf vertrauen und dies heute im Gottesdienst feiern.

Gottfried Ugolini

1. Kurze Auslegung von Lk 24,35-48

An die Ostererzählung der Emmaus-Jünger reiht sich nahtlos eine weitere Ostererzählung. Sie beeindruckt durch die konkrete Erzählweise und riskiert als Bericht zu erscheinen. Lukas will mit dieser Ostererzählung seine Gemeinde überzeugen: der gekreuzigte Jesus ist als der Auferstandene in ihrer Mitte wirksam gegenwärtig.
Der Glaube und die Praxis der Urchristen gründen im Zeugnis und in der Verkündigung der Jünger. Dieser Glaube wird von innen und außen immer wieder in Frage gestellt und bedarf der Vergewisserung. Lukas tut dies in dieser Darstellung und fügt einzelne Teile zusammen wie ein Puzzle, um seine Gemeinde zu vergewissern: der österliche Glaube wird nicht von den Jüngern begründet, sondern von Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen,  selbst. Deshalb hebt Lukas deren Erschrecken, Angst und Unglauben hervor.
Lukas macht mehrfach deutlich: die Initiative des Osterglaubens geht von Jesus selbst aus. Die Oster-Jünger glaubten nicht irgendeinem Geist (Spuk), sondern sie erfuhren damals - und die Gemeinde kann dies heute erfahren: Jesus erscheint bzw. offenbart sich in ihrer Mitte. In der vom Geist Jesu erfüllten und gelebten Nachfolge, ist Jesus wirksam.  Schließlich macht Jesus die verängstigten und begriffstützigen, erstaunten und doch noch im Unglauben verharrenden Jünger zu seinen Zeugen – auch heute.

2. Zielsatz

Die ZuhörerInnen sollen durch diese Ostererzählung angeregt werden, persönlich und als christliche Gemeinde ihren österlichen Glauben zu bedenken: dass der Auferstandene in unserer Mitte ist und wirkt und dass wir zu seinen Zeugen berufen sind.

3. Predigtgedanken

Motivation
Letzte Statistiken haben ergeben, dass die Christen insgesamt die stärkste Glaubensgemeinschaft der Erde bilden. Gleichzeitig sind die Christen zu der am stärksten verfolgten Gruppe geworden. Das stimmt mich nachdenklich. Vor allem auch, weil wir hier in Europa – obwohl medial am besten ausgerüstet – selbst unter uns Christen die Tatsache, dass Mitchristen verfolgt werden, kaum wahrgenommen wird. Auf jedem Fall merken wir wenig davon. Wahrscheinlich auch, weil wir bei uns meines Erachtens eher eine unterschwellige, subtilere Form der Verfolgung erleiden. Da sind z.B. die vielen Infragestellungen, die verbreitete Gleichgültigkeit, der persönliche Mix des eigenen Glaubens,  der Fundamentalismus, die unterschwelligen und vernichtenden Angriffe unter uns Christen selbst (siehe manche  Lesebriefe oder Internetforen). 
Auf diesem Hintergrund erscheint mir das heutige Evangelium provozierend und aktuell. Für mich ist die Berufung zur Nachfolge Jesu verbunden mit der Frage: wer ist der Maßstab für die Nachfolge Jesu? Die Antwort ist Jesus, der Gekreuzigte und Auferstandene. Dass er in unsere Mitte ist und dass sein in unsere Mitte-Sein uns zur Umkehr bewegt, dafür sind wir berufen Zeugen zu sein: Zeugen, dass Umkehr zum Leben, zur Auferstehung, zum Frieden und zur Versöhnung möglich ist – für uns und alle (Völker).

Problemfrage
Wie ist es für uns als Christen, als Gemeinde in der heutigen Zeit, in der heutigen Welt, überhaupt möglich, die lebendige und Frieden schenkende Gegenwart Jesu in unserer Mitte zu erfahren und zu bezeugen?

Versuch und Irrtum
Zu Recht wird in unserem Bemühen, unseren christlichen Glauben zu feiern, zu leben und zu bezeugen, eingefordert, dass das Glaubenswissen nicht zu kurz kommt. Die Weltkatechismen, der Jugendkatechismus verstehen sich als Hilfe, unser wachsendes und reifendes Glaubenswissen übersichtlich darzustellen und festzuhalten. Darin haben wir in der Kirche eine lange Tradition. Denn immer wieder ist unser Wissen über den christlichen Glauben aufgrund der aktuellen Lebens- und Glaubenserfahrungen in der Sprache der Zeit neu festzuhalten.
Doch das Glaubenswissen allein genügt nicht: es will gelebt und umgesetzt werden im Alltag. Ich kann alles wissen über den christlichen Glauben. Ich kann ein tiefer Kenner der christlichen Theologie sein, mich in der christlichen Geschichte und Kunst bestens auskennen, ohne christlich zu leben, ohne den christlichen Glauben zu bezeugen, ohne den christlichen Glauben zu feiern. Wissen allein bewegt noch nicht. Christliches Wissen für sich allein bewirkt noch nicht die Umkehr. Wissen kann Interesse wecken, neugierig machen und zur Auseinandersetzung anregen. Wissen kann ein Suchen auslösen, das sich nach Begegnung sehnt.  Erst wenn von Herz zu Herz der Funke überspringt, wird Wissen lebendig, erfahrbar und bezeugbar, das heißt, dann kann ich Zeuge dafür werden.

Lösungsangebot
Kinder sind wissensdurstig  und erlebnishungrig. Wenn wir sie auf die Feier der Sakramente vorbereiten, beteiligen sich - bei aller Lebendigkeit - aufmerksam und hellhörig. Sie sind offen für die biblischen Geschichten und für das vermittelte Glaubenswissen, wenn sie nur genug mit Erlebnissen und konkreten Erfahrungen verbunden sind. Ein Erfahrungsraum ist unsere christliche Gemeinde: was wir feiern, was wir beten, was wir als christliche Gemeinde sind, erleben die Kinder in unserem Umgang miteinander, dhin unserem Lebens- und Glaubenszeugnis. Wir sind als christliche Gemeinde für die Kinder – und nicht nur für sie, sondern für uns selbst, für die Gäste, für unsere Um- und Mitwelt – sozusagen, das lebendige Beispiel, das zeitgeschichtliche Zeugnis im Hier und Jetzt, der Schauplatz, die Bühne, auf der sich der christliche Glaube ereignet, ja im wahrsten Sinne des Wortes, abspielt (fürwahr als heiliges Spiel). Glaubenswissen und Glaubenszeugnis gehören innerlich zusammen oder gehen unverbindlich, leb- und inhaltlos nebeneinander einher oder Glaubenswissen und Glaubenszeugnis verlieren sich gar aus dem Blick.
Lebendiger christlicher Glaube umfasst tradiertes und je neu reflektiertes Wissen zusammen - und eigentlich verbunden - mit dem gelebten, erprobten, durchbeteten und geisterfüllten Glaubenszeugnis. Die oft angeführten Kritiken, das Glauben und Leben auseinanderklaffen, dass jemand Kirchen geht und dann seine Wege geht, dass Gebet und Lebenshaltung nicht im Einklang sind, können für uns auffordernde und mahnende Signale sein. Sie fordern uns heraus und laden uns ein, unser Glaubensleben zu stimmen, wie man ein Instrument stimmt, damit die gespielten Töne wieder zusammenklingen.

Lösungsverstärkung
Der Grundton unseres Christseins ist Ostern: auf Ostern hin, auf die von Gott in Jesus gewirkte Erfahrung der Auferstehung, auf die von Jesus gewirkten Ostererfahrungen der Jünger hin, und auf die vom österlichen Geist erfüllten Erfahrungen der urchristlichen Gemeinden - haben wir unseren Glauben, unser Leben abzustimmen. Wir, unser Leben, unsere Welt, sind die Bühne, auf der sich Ostern ereignet. In der gelebten Nachfolge Jesu, werden wir zu Zeugen dafür. Österlichen Zeugen sind gefragt, die erinnern, dass Jesus mitten unter uns ist; die uns erfahrbar machen, dass Jesus in unserer Mitte ist und uns seinen Frieden zuspricht; die uns anstecken, umzukehren um versöhnter, solidarisch und hoffnungsvoll den Weg in die Zukunft zu gehen.
Österliche Zeugen sind gefragt wie du und ich, die daran glauben und daraus leben, dass Jesus in unsere Mitte ist – auch in allem Leid, in aller Trauer, in allem Scheitern, an allen Wegkreuzungen, auf allen Umwegen und in allen Nebenschauplätzen unseres Lebens.
Österliche Zeugen sind gefragt wie du und ich, die die Nachfolge Jesu immer wieder zum Maßstab ihres Handelns nehmen für ihre Entscheidungen, Kritik und Hoffnung im Leben und in der Welt von heute: die sich nicht unterkriegen lassen vom Machtkampf und von der Korruption im gesellschaftlichen Leben; die den Menschen in den Mittelpunkt stellen in all seiner Würde unabhängig von seiner Geschichte, Herkunft, Hautfarbe, Religion und Kultur; die sich wie Jesu auf der Seite der Armen, der Leidenden, der Fremden, der Benachteiligten, der Missbrauchten und der Ausgegrenzten stellt.
Österliche Zeugen sind gefragt wie du und ich, die in ihrem Gebet und in der Feier des Glaubens, in den Gottesdiensten, die lebendige und wirksame Gegenwart Jesu als den Gekreuzigten und Auferstandenen mit dem Lebensalltag der Menschen heute verbinden; die die Freuden und Leiden, die Ängste und Hoffnungen der Menschen bittend und klagend, dankend und lobend zum Ausdruck bringen.

Schluss

Jesus ist mitten unter uns, er wünscht uns seinen Frieden und sendet uns als seine Zeugen. Diese Berufung, dieser Auftrag gilt für uns als einzelne wie als Gemeinde. Mögen die Kinder und andere an uns ein Stück wahrnehmen können, dass wir von diesem österlichen Glauben erfüllt sind und uns daran orientieren – offen und ehrlich, in allem, was sich auf der Bühne unseres Lebens abspielt. Dann können wir auch geschwisterlicher miteinander umgehen und – auch vor der Welt - glaubwürdige Zeugen sein.

Vierter Sonntag der Osterzeit

Luis Gurndin

1. Kurze Auslegung von Joh 10,1-10 (10,1-14)

Die „Hirtenrede“ ist (auch) Teil der Auseinandersetzung Jesu mit den Schriftgelehrten und Pharisäern. Es geht dabei „um den Anspruch Jesu, der wahre Heilsbringer zu sein, den die Pharisäer in Frage stellen… Die ‚Hirtenrede‘ ist der Höhepunkt und der Abschluss der Offenbarungsreden Jesu vor dem Volk. Diese lassen auch die Gemeindesituation zur Zeit der Entstehung des Johannesevangeliums durchscheinen. Damals gab es Richtungsstreitigkeiten unter den Gemeinden um die Person Jesu, zudem Irrlehrer, falsche Messiasse und allerlei Heilsbringer aus eigenen Gnaden, die die Gemeinden durcheinanderbrachten“ ((aus: Gottes Volk, Heft 4/2014, Seite 90).

2. Zielsatz

Die Hörerinnen und Hörer verstehen, was Jesus mit dem Bild des Hirten für sich selbst und für alle aussagt, die auf seinen Namen getauft, mit seinem Geist besiegelt und – gegebenenfalls – durch das Weihesakrament mit besonderer Befähigung und Verantwortung für seine Herde ausgestattet sind.

3. Predigtgedanken

Motivation
Eine Anekdote erzählt: Bei der Dichterlesung durch einen Schauspieler war auch ein Pfarrer anwesend. Im Rahmen der anschließend gebotenen Möglichkeit des Gesprächs zwischen Publikum und Schauspieler stellte der Pfarrer sich vor und ersuchte dann den Schauspieler, den Psalm 23 vorzutragen (das ist der bekannte Psalm: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“). Der Schauspieler antwortete: „Gern, aber nur unter der Bedingung, dass Sie, Herr Pfarrer, den Psalm nachher auch rezitieren.“ So sprach zunächst der Schauspieler den Text des Psalms, dann kam der Pfarrer an die Reihe. Atemlose Stille begleitete das Sprechen des Pfarrers. Als er geendet hatte, fragte der Schauspieler ins Publikum: „Sie haben sicher den Unterschied in Ihrer Reaktion auf unser Sprechen bemerkt. Wissen Sie auch, worauf er zurückzuführen ist?“ Schweigen im Saal. Darauf der Schauspieler: „Ich kenne den Text, der Pfarrer kennt den Hirten.“

Problemfrage
Was ist die Botschaft des Bildes Jesu als des guten Hirten?

Problemlösung
Das Bild des Hirten drückte für die damalige Zeit Fürsorge und Verantwortungsbewusstsein im Sinn einer rundum zufriedenstellenden und befriedeten Situation der einem Hirten anvertrauen Herde aus und wurde schon im Alten Testament (vgl. Ez 34) zur Kennzeichnung idealer Machtausübung des Königs verwendet. Die konkrete Erfahrung Israels mit seinen Königen war freilich oft eine andere, und die Erfahrung vieler Menschen heute mit denen, deren Verantwortung sie anvertraut sind, ist leider auch oft eine andere. Darum heißt es schon im Alten Testament, dass Gott den Führern des Volkes ihr Hirtenamt entziehen und es selbst übernehmen will. In diesem Sinn stellt Jesus sich im Evangelium selbst als guter Hirt vor, der seine Herde im Namen Gottes führt. Zugleich stellt er sich als Türe vor, die jene als legitime Hirten ausweist, die den Hirtendienst in seinem Namen ausüben. Weil das Bild vom guten Hirten jedes Jahr im Evangelium des vierten Ostersonntags auftaucht, trägt dieser Sonntag auch die Bezeichnung: „Der Gute-Hirten-Sonntag“. Das ist auch der Grund dafür, dass in der katholischen Kirche dieser Sonntag zum Weltgebetstag für geistliche Berufe bestimmt wurde: So wie Jesus Christus dargestellt wird im Bild des Hirten, dem das Wohl und Wehe seiner Herde so sehr am Herzen liegt, dass er zu deren Schutz sogar sein Leben aufs Spiel setzt, so sollten und sollen die, die in seinem Namen dem Volk Gottes in einem geistlichen Beruf dienen, diesem Bild und der damit gemeinten Haltung entsprechen, so dass man ihnen das Zeugnis ausstellen könnte, das in der Anekdote der Schauspieler dem Pfarrer ausstellte.

Lösungsverstärkung
In einem weiteren Sinn sind damit selbstverständlich alle Getauften gemeint, weil die Taufe alle zu Geistbegabten, also zu „Geist-lichen“ macht. Und viele von diesen getauften Hirtinnen und Hirten – ob in einem engeren Sinn „Geist-liche“ oder nicht – werden auch in diesem Jahr „den Herrn der Ernte“ wieder um „Arbeiterinnen und Arbeiter für seine Ernte“ bitten. Und alle – ob „amtliche“ Hirten oder nicht – sind mit der Frage konfrontiert, ob sie sich ihrer Hirtenaufgabe bewusst sind und sie auch wahrnehmen, da sie von Taufe her den Namen des guten Hirten Jesus Christus tragen, von der Firmung her mit seinem Geist für diesen Auftrag gestärkt und gegebenenfalls vom Weihesakrament her mit einer besonderen Gabe beschenkt und dadurch mit einer besonderen Verantwortung für die Herde betraut sind.

Gottfried Ugolini

1. Kurze Auslegung von Joh 20,11-18

Im Johannes-Evangelium wird die altorientalische und altbiblische Bezeichnung Hirte auf Jesus angewendet. Der Hirte setzt sich ganz und umfassend für seine Schafe ein. Seine Sorge gründet auf einem Vertrauensverhältnis.  Deshalb wurde dieses Bild auch für den König angewandt, der sich wie ein Hirte für das Wohl des Volkes einsetzt und dessen Fürsorge auf ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Interessant und hintergründig ist die sog. Ich-Aussage Jesus: „Ich bin der gute Hirt!“
Das hier verwendete Bildwort vom Hirten baut auf Kontraste auf. Allein schon die Ich-Aussage mit dem Eigenschaftswort „gut“, im Sinne von der richtige oder der einzig wahre Hirt, verweist auf eine Gegenüberstellung. Das Besondere des guten Hirten liegt in dessen Qualitätssiegel: er gibt sein Leben hin für die Schafe. Diese Markierung wird in diesem Abschnitt des Evangeliums drei Mal hervorgehoben.
Dann wird die Kontrastfigur hervorgehoben: dem guten Hirten wird der bezahlte Knecht gegenübergestellt. Letzterer ist gar nicht Hirte. Er führt die Arbeiten eines Hirten aus. Er hat keine persönliche Beziehung zu den Schafen. Sein eigenes Wohl liegt ihm am nächsten. 
Demgegenüber wird Jesus in einer Ich-Aussage als der gute Hirte vorgestellt. Seine Besonderheit liegt in der Liebe, die sich in der gegenseitigen Beziehung ausdrückt wie sie Gott und den Seinen eigen ist. Daraus erwächst die Ganzhingabe, der totale Einsatz seines Lebens für die ihm Anvertrauten. Diese Hingabe spielt auf den Tod Jesu an sowie auf seine Heilsbedeutung für alle Menschen – auch über die Grenzen des Volkes Gottes (Israel) hinaus.  Das Hören der Stimme hängt mit dem missionarischen Engagement zusammen, das auf eine universale Völkergemeinschaft hinzielt.
Die enge Beziehung zwischen Jesus und Gott ist der Grund dafür, das Leben frei hinzugeben und es wieder zu nehmen. Gott erweist sich als Gott des Lebens – auch über den Tod hinaus. Im Tod Jesu  und in seiner Auferweckung erreicht das Heilshandeln Gottes einen unüberbietbaren Höhepunkt. In Jesus ereignet sich das Heil Gottes, das allen Menschen geschenkt ist und niemand abgesprochen werden kann.
Die Gemeinde des Johannes vergewissert sich in diesem Text der Zuverlässigkeit Jesu im Dienst  Gottes als der gute Hirt. Aus dieser Verbundenheit (Einheit)mit Gott ist Jesus bereit, sein Leben ganz hinzugeben zum Heil aller. Die Freiheit und Macht dies zu tun ist damit begründet, dass Gott für das Leben bürgt und allen Menschen Heil schenkt. Wie Jesus als der gute Hirt mit Gott und mit den Schafen in Liebe verbunden ist, will Johannes seiner Gemeinde vor Augen halten, bilden Hirten und Schafe, Verantwortliche und die Mitglieder der Gemeinde, eine Einheit. Sie sind auf ihrem Weg aufeinander angewiesen und füreinander da. Beide sollen sich aufeinander verlassen können und gemeinsam die „Zeichen der Zeit“ erkennen und deuten unter der Führung des Heiligen Geistes. 

2. Zielsatz                                                                                                                   

Die Zuhörerinnen und Zuhörer werden ermutigt, anhand dieses Evangeliums über ihre Verbundenheit mit der Gemeinde und über die je eigene Hirtenaufgabe, die daraus erwächst, nachzudenken.  Sie werden eingeladen, ihre Erfahrungen und ihre Träume von Gemeinde (Pfarrgemeinde) – gerade in Zeiten des Umbruchs – prophetisch ein- und ins Gespräch zu bringen. Aus dem Bewusstsein der Verbundenheit erwächst die Zusammengehörigkeit und die Bereitschaft füreinander Verantwortung zu übernehmen.

3. Predigtgedanken

Motivation
„Priests to hire“ – „Priester zu mieten“ so habe ich vor einigen Jahren eine Anzeige in einer Zeitung gelesen. Sie bezieht sich auf eine Servicestelle in England, die für alle möglichen Anlässe entsprechende Fachleute vermittelt. In der Liste wird u.a. auch der Dienst des Seelsorgers angeführt. Im Einzelnen werden dann die Dienste genannt, für die man einen Priester anfordern, mieten oder auf Bezahlung engagieren kann.
Wie immer dieses Angebot auf mir wirkt, mir wird bewusst wie groß die Gefahr ist: den Dienst des Priesters beziehungslos, losgelöst von der Gemeinde, wie einen Hirten ohne Herde anzupreisen oder zu vermarkten. Diese Gefahr ist aktuell und wird aktuell überall dort, wo christliche Gemeinden ihr Selbstbewusstsein und ihre Hirtensorge vernachlässigen oder gar aufgeben.
Da erinnert das heutige Evangelium an das Selbstverständnis Jesu im Bildwort des guten Hirten.Dieses ist keineswegs Priestern oder Amtsträgern vorbehalten, wohl aber allen Christen Orientierung und Maßstab. Johannes nennt als Merkmale der Selbstaussage Jesu: „Ich bin der gute Hirt“: er weiß sich mit Gott und mit den Menschen verbunden. Das Qualitätssiegel dieser Verbundenheit ist die Liebe, wie Gott sie schenkt. Der gute Hirt weiß sich liebend verbunden  und zwar weniger in einem hierarchischen Verständnis als in einem wertschätzenden Dialog, im aufeinander Hören, im miteinander Unterwegssein und im ganzheitlichen Einsatz füreinander (sein Leben hingeben für die Schafe).
Wer sich im Glauben verbunden weiß, will diese Verbundenheit wahren, pflegen und vertiefen.    Wer sich im Glauben mit anderen unterwegs erfährt, ist interessiert das Ziel immer wieder neu zu überprüfen, den Weg dazu auf Grund bisheriger Erfahrungen und auf Grund neuer Herausforderungen und Möglichkeiten je neu zu erkunden und zu markieren. Die Aufgaben und die Rolle der Hirten erwachsen – auf dem Hintergrund des heutigen Evangeliums – aus der achtsamen und kritischen (Geist der Unterscheidung) Auseinandersetzung

Problemfrage
Wo bleiben das Selbstbewusstsein und die Hirtensorge der christlichen Gemeinde angesichts der inneren und äußeren Herausforderungen und Umbrüche? Die Frage nach den Berufungen (im Besonderen jener für Priester, Diakone, Ordensleute) scheint oft losgelöst vom Leben der christlichen Gemeinde gestellt. Das heutige Evangelium zeigt eine andere Blickrichtung auf, nämlich das Selbstbewusstsein bzw. Selbstverständnis der christlichen Gemeinde und die Hirtensorge als deren ureigene Aufgabe aufeinander bezogen zu sehen.

Versuch und Irrtum
Ich lade Sie ein, das englische Werbeangebot kurz mit mir durchzudenken: wie wäre das für mich, wenn ich für meine christliche Lebensgestaltung einen Priester bei Bedarf durch ein Service-Institut anmiete bzw. kommen lasse. Für mich wäre damit der Bezug zur Gemeinde verloren. Natürlich kann an dieser Stelle jemand einwenden: ja, handhaben wir das nicht auch bereits in unseren Pfarrgemeinden, in Städten, wenn Mitchristen den Seelsorger nicht kennen und dann, eben bei Bedarf, anrufen und jemand kommen lassen? Der Verweis ist nicht ganz aus der Hand zu schlagen.
Bei aller Wertschätzung für jene Priester, Diakone, Ordensleute, KrankenhausseelsorgerInnen und Pastoralassistentinnen, die auf solche Anfragen erreicht werden, reagieren und in christlicher Nächstenliebe handeln. Doch wird mir hier gleichzeitig die tragische und folgenreiche Tatsache bewusst, wie großmaschig dann Pfarrgemeinde bzw. Seelsorge angelegt ist, dass das Selbstverständnis von Pfarrgemeinde als Einheit (Zugehörigkeit, Verbundenheit) schwindet und ihre ureigene Aufgabe der Hirtensorge kaum wahrgenommen wird.
Damit wird deutlich, dass die Hirtensorge Aufgabe der christlichen Gemeinde ist, die aus ihrem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein erwächst. Dieser Ansatz erfordert in der sogenannten Berufepastoral weniger einen auf einzelne Menschen hin gezielten Einsatz als auf die christliche Gemeinde als solche.

Lösungsangebot
Ein Pfarrer besuchte einmal eine Frau auf einem abgelegenen Hof. Er hatte sie länger nicht mehr in der Kirche gesehen. So ging er zu ihr. Er begrüßte sie und sagte: „So will ich halt als guter Hirte die einsamen Schafe besuchen.“ Die Frau antwortete gekränkt: “Ich bin kein einsames Schaf.“ Der Pfarrer war überrascht, ist er doch als Hirte seinen Schafen nachgegangen. Doch die Antwort der Frau lässt aufhorchen: hier scheint die gutgemeinte Aufmerksamkeit und die Verbundenheit zwischen Hirten und Schafen in einer Schräglage zu sein. Hier ist ein sich gegenseitiges Kennenlernen gefragt, damit sie sich miteinander im Erzählen austauschen und so Beziehung aufbauen können. Im aufeinander Hören, im Erkennen der Stimme des anderen, in der achtsamen und würdevollen Umgangsweise mit Menschen, die wir aus dem Blick verloren haben, mit Unbekannten und mit Fremden schaffen wir Raum dafür, Beziehung aufzubauen und Verbindung herzustellen. Daraus erwächst die Aufgabe der Hirtensorge, dass wir füreinander aufmerksam sind und hinhören, was der andere mir sagen bzw. anvertrauen will.
Dass die Frau vom Pfarrer besucht wird, ist wichtig und richtig. Dass die Frau sich nicht als Schaf abstempeln lässt ist genauso wichtig und richtig. Sie drückt aus, dass sie sich mit der Pfarrgemeinde nicht verbunden weiß oder nur teilweise. Das Herstellen von Beziehung setzt die Aufmerksamkeit voraus, zu hören wo der bzw. die andere steht. Erst dann kann ich mich mit ihm auf dem Weg machen. Oder wie es im Erziehungsbereich heißt: Den anderen dort abholen, wo er steht.
Mit der Selbstaussage Jesu: „Ich bin der gute Hirt“ ist gleichzeitig die Leidenschaft verbunden, sich ganz für die anderen einzusetzen. „Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.“ Diese Leidenschaft wurzelt in der lebendigen Beziehung zu Gott, der die Liebe ist. Das unterscheidet den guten Hirt vom bezahlten Knecht, der dann flieht, wenn Gefahr droht: weil er nur auf sich schaut.
Darin liegt die Anfrage und Herausforderung an mich als Christen und an uns als christliche Gemeinde: wie leidenschaftlich ist mein bzw. unser Glaube? Trägt er angesichts der verschiedenen Herausforderungen, die sowohl von innen wie von außen kommen? Hier setzt unser diözesanes Jahresthema an: „Wir glauben: darum reden wir – in Wort und Tat“! Es geht darum, dass wir über unseren Glauben ins Gespräch kommen – auch gerade untereinander. Ich finde, das ist eine mutige und ermutigende Einladung, damit wir die Worte, die Sprache, die Ausdrucksweisen unseres Glaubens finden und dadurch miteinander ins Gespräch kommen. Die geschlossene Teilnahme bei der Erstkommunionfeier oder zu Ostern an den Gottesdiensten ist wichtig. Genauso wichtig ist für mich, dass wir von unseren Glaubenserfahrungen, Fragen und Zweifeln, Sehnsüchten und Hoffnungen erzählen und miteinander ins Gespräch kommen. Das würde uns noch tiefer verbinden und gegenseitig stärken. Dann könnte die Leidenschaft des Glaubens in uns noch mehr wachsen und uns bewegen, aus dem Glauben zu leben, lebendige Gemeinde mit den eigenen Charismen mitzubauen, Welt mitzugestalten und damit Zukunftsperspektiven aufzeigen, die jungen Menschen trotz aller Probleme und Ängste Mut und Hoffnung geben.

Lösungsverstärkung
Mir fällt folgendes Bild ein: stellen Sie sich vor, wir würden jetzt hier mit der Nachbarin oder mit dem Nachbar rechts von mir – und sollte dort gerade niemand sein, dann jemand links, vor oder hinter mir – stellen Sie sich vor, wir würden jetzt über dieses Evangelium reden, darüber wie wir unsere Pfarrgemeinde sehen, wie wir unsere Verbundenheit untereinander einschätzen und worin unsere Hirtenaufgabe besteht bzw. bestehen könnte. Sie wären überrascht, doch wir könnten es versuchen. Sie könnten schon mal probieren nach dem Gottesdienst mit jemand darüber zu reden, was Sie vom Evangelium angesprochen hat, wie Sie sich mit unserer Pfarrgemeinde verbunden wissen, welche Hirtenaufgabe Sie übernehmen oder übernehmen könnten. Das würde den Boden bereiten zu vielfältigen Berufungen, die alle notwendig sind, damit das Glaubensleben in den Mitglieder und in der Gemeinde selbst erzählt, gefeiert und bezeugt werden kann. Dass ich mich als Hirte fürsorglich einsetze, ja geradezu leidenschaftlich, erwächst wesentlich von der Verbundenheit, die wir untereinander und im Glauben mit Gott, also auch betend, leben.

Schluss
Der sogenannte „Gute-Hirten-Sonntag“ führt uns vor Augen, dass wir nicht um geistliche Berufe beten können, ohne unsere Verbundenheit im Glauben, in der Gemeinde und mit dem Alltag miteinzubeziehen. Wo eine lebendige Gemeinde im Glauben versammelt und unterwegs ist, lässt sich auch leichter jemand bewegen, seine Hirtesorge als Dienst in und an der Gemeinde anzubieten und sich dafür beauftragen zu lassen. Der gute Hirte gibt sein Leben – Ostern haben wir gefeiert. Österlich sind wir berufen zu glauben und zu leben. Amen.

Maria Theresia Ploner

1. Kurze Auslegung von Joh 10,17-30

Kontext: Der knappe Evangelienabschnitt steht im Kontext der Messiasfrage durch „die Juden“, vgl. Joh 10,24). Der Evangelist Johannes hat praktisch Teile der Passionserzählung nach vorne gezogen. So ist Joh 10,24f. als eine Art Verhörszene gestaltet, denn die Messiasfrage (V. 24), wie dann auch der Vorwurf der Gotteslästerung (V. 33) gehören eigentlich in den Passionskontext (Vgl. Mt 26,63f.65; Lk 22,67.70). Dort jedoch spart diese Johannes aus. Michael Theobald bemerkt in seinem Johanneskommentar dazu: „Der Leser gewinnt den Eindruck: Der Prozess Jesu ist schon in vollem Gang!
Den zeitlichen Rahmen bildet das Tempelweihfest, das in den Winter fällt (V. 22). Dieser Festkontext und auch der Aufenthalt Jesu im Tempel sind nicht zufällig gewählt. Was hier zur Diskussion steht ist Jesus Christus als der entscheidende Erfahrungsort der Wirklichkeit Gottes. Der Evangelienabschnitt des 4. Ostersonntags im Lesejahr C ist letztlich ein relativ knapper Auszug von der „Antwort“ Jesu auf die „Messiasfrage“. In diesem Abschnitt wird noch einmal Bezug genommen auf die vorausgegangene Hirtenrede (Joh 10,1-21).
Traditionsgeschichte: Die VV. 26-29 sind einer Überarbeitung des Johannesevangeliums zuzurechnen (sogenannte „Redaktion“), die vor allem ekklesiologische Akzente setzt, also stärker die Gemeindewirklichkeit thematisiert. V. 30 würde z.B. nahtlos und gut an V. 25 anschließen. Der Redaktor möchte seine Gemeinde im Glauben stärken, indem er auf die identitätstragenden Erfahrungen derselben rekurriert und sie in starken Metaphern zum Ausdruck bringt.
V.27: Dieser Vers bringt im Gegensatz zu der negativen Aussage im Hinblick auf die ihn Ansprechenden in V. 26. eine positive Aussage über die Jesusglaubenden, wiederum anhand der Metapher der Schafe. Die Bildrede drückt die gelungene Beziehung zwischen dem „Hirten“ Jesus und den ihm anvertrauten „Schafen“, der Gemeinde, aus. Sie kennzeichnet: Hörbereitschaft, Nachfolgebereitschaft, Lebenszuversicht (vgl. V. 28a).
V.28: Vehement wird hier anhand zweier Negationen die Gewissheit formuliert, dass der Glaubende nicht aus dem Schutz- und Heilsraum, den der „Hirte“ Jesus Christus gewährt, herausfällt. Es kommt darin einerseits die Grunderfahrung der johanneischen Gemeinde zum Ausdruck, dass der Glaube trotz unterschiedlicher Bedrängnisse eben als lebenstragend erfahren wird. Andererseits steht wohl auch die Erfahrung im Hintergrund, dass sich manche von der johanneischen Gemeinde verabschiedet haben. Umso mehr ist eine Besinnung auf das Heilsame der Glaubensgemeinschaft vonnöten. Die Rede vom ewigen Leben kann dahingehend verstanden werden, dass der Glaubende aus einer solchen Lebenszuversicht heraus lebt, die sich in der Gewissheit verfestigt, dass selbst in der tiefsten Bedrängnis er nicht aus der Lebenshand Gottes fallen kann.
V.29: In diesem Vers kommt der eigentliche Garant der Christusgemeinschaft ins Spiel, Gott. Die johanneische Gemeinschaft verdankt sich nicht sich selbst, sondern versteht sich als etwas von Gott „Gegebenes“ (Klaus Wengst).
V.30: Das Wort „Ich und der Vater, eins sind wir“ im Mund Jesu ist letztlich das im Glauben erschlossene Bekenntnis der Gemeinde, dass sich im Heilswirken Jesu von Nazaret, kein anderer den Menschen zugewendet hat, als der Gott Israels. Aus diesem Bekenntnis lebt die christliche Gemeinde bis heute.

2. Zielsatz

Der Gemeinde soll bewusst werden, dass der gemeinsame Glaube an Jesus Christus lebenstragende Qualität gerade auch in Krisensituationen erweisen kann.

3. Gedanken zur Predigt

Motivation
„Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. / Und sieh dir andre an: es ist in allen. / Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen / unendlich sanft in seinen Händen hält.“ Wie kaum ein anderer vermochte der Dichter Rainer Maria Rilke zutiefst geheimnisvolle Lebenswirklichkeiten so gekonnt in einen sprachlichen Ausdruck zu überführen, dass uns seine Gedichte dermaßen treffen. Ja so, als ob einem darin gleich selbst jene Wirklichkeiten anrühren, die er mit seinen Worten besingt. Dies gelingt dem Dichter z.B. in seinem Herbstgedicht in einzigartiger Weise, wo es darum geht, dem sichtbaren Zerfall zu trotzen und sich unbeirrt an dem einen Lebensstrohhalm festzuklammern, den wir Gott nennen und den Bibel wie Rilke als Lebenshand begreifen.
Der Bedrängnis trotzen, dies ist ein Leitimpuls des Johannesevangeliums, Unsicherheit und drohender Zerfall – die Erfahrungssituation in die sich die johanneische Gemeinde hineingestellt erfuhr. Auf dem Spiel stand das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem nunmehr unverzichtbaren Erfahrungsort der Zuwendung Gottes. Dieses Bekenntnis unterschied die christlichen Gemeinden von ihren mittlerweile in klarer Distanzierung lebenden jüdischen Glaubensgemeinden. Die Anfechtung von außen und letztlich auch von innen nagte am Identitätskitt. Auf diesem situativen Hintergrund ist der heutige Evangelienabschnitt zu lesen und zu verstehen: Er bringt in Form eines Bildes aus der Landwirtschaft (der Hirt-Schafe-Metaphorik) die Zuversicht zum Ausdruck, dass der Glaube an Jesus Christus lebenstragend ist, weil Gott selbst dafür bürgt.

Problemfrage
Wo ist diese vielfach behauptete lebenstragende Qualität des Glaubens spürbar?

Lösung
Diese Frage beschäftigte nicht nur die damalige Gemeinde, sondern stellt sich auch vielen Glaubenden heute. Woher hat z.B. ein Rilke seine Lebenszuversicht ableiten können, die er in seinem Herbstgedicht zum Ausdruck bringt? Ich wage zu behaupten: Wo anders als in der konkreten Lebenserfahrung, im zwischenmenschlichen Miteinander, im respektvollem Wahrnehmen des Geschenks der Natur bzw. der Schöpfung konnte er etwas von dem Geheimnis des Lebens erahnen und diese Ahnung, diese lebenstragende Grunderfahrung stärkte eben seine Zuversicht, sein Vertrauen in das Leben.
Die christlichen Gemeinden bleiben darauf verwiesen, dass sie neben all dem auch selbst jenen Ort darstellen, in dem Leben als heilsam und wertvoll erfahren werden kann. Freilich gelingt dies angemessen, wenn sie sich immer neu auf die Botschaft Jesu Christi einlässt (Hörbereitschaft) und danach ihr Leben gestaltet (Nachfolgebereitschaft).

Eventuell einigen Konkretisationen entsprechend der Situation der jeweiligen Pfarrgemeinde

Doch ist der Christusglaube letztlich kein Garantieschein für einen lebenslangen Happy-Zustand. Es macht auch nichts, wenn man zwischendurch einmal das Gefühl hat, man hält als Christ nur leeres Stroh in den Händen. Es genügt, wenn in diesem vermeintlich „leeren Stroh“ jener sprichwörtlich letzte Strohhalm sich findet lässt, an dem man sich klammern kann, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird oder einem der Lebenssinn ohnmächtig aus den Händen gleitet. 

Fünfter Sonntag der Osterzeit

Luis Gurndin

1. Kurze Auslegung von Joh 14,1-12

Der folgende Predigtvorschlag bezieht sich vor allem auf die Bitte des Philippus: „Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns“, und auf die Antwort Jesu: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Den „Vater“ – Gott – zu sehen, ist wohl die Sehnsucht aller Gott-gläubigen Menschen – eine Sehnsucht, die in dieser Welt nicht vollends in Erfüllung gehen kann. Trotzdem können wir getrost sein – dass will Johannes seinen Adressaten damals und heute uns sagen: Wenn auf Jesus schauen – auf seine Person, an sein Wort und Beispiel –, dann bekommen wir einen verlässlichen Hinweis für den rechten Weg zur Anschauung Gottes.

2. Zielsatz

Die Zuhörenden verstehen, dass uns Gott in diesem Leben immer ein Geheimnis bleiben wird, das wir nie ganz ergründen können, und dass wir uns deshalb auch nie ein absolutes „Bild“ von Gott machen dürfen, dass uns aber in Person, Wort und Beispiel Jesu zugleich die Grundhaltung Gottes uns Menschen gegenüber deutlich genug aufgezeigt und zugesagt ist: Mit Jesus sind wir auf dem richtigen Weg zu Gott.

3. Predigtgedanken

Motivation
Im ersten der Zehn Gebote heißt es: „Du sollst dir kein Gottesbild(nis) machen“ (Ex 20,4 und Dtn 5,8). Im Blick auf die heidnischen Nachbarn hat Israel dieses Bilderverbot zunächst vor allem wörtlich verstanden als Weisung, keine Statuen und Bilder von seinem Gott herzustellen, um der Gefahr vorzubeugen, solchen Darstellungen göttliche Kräfte zuzuschreiben und ihnen die Verehrung und Anbetung zu erweisen, die allein Gott selbst vorbehalten ist. Speziell bei den Propheten und in den Psalmen findet sich immer die Warnung davor, die heidnische Praxis der Verehrung und Anbetung von Darstellungen der „Götzen“ nachzuahmen, die ironisch-abschätzig als „Gebilde von Menschenhand“, als „Machwerk von Menschen“ bezeichnet werden.

Problem
Die Gefahr, religiösen Zeichen und Darstellungen übernatürliche Kräfte zuzuschreiben, bestand und besteht in allen Religionen zu allen Zeiten. Darum zeigt auch „die Urkirche lange Zeit große Zurückhaltung“ (August Franzen) im Umgang mit religiösen Bildern. Immerhin stammt die älteste Kreuzigungsdarstellung erst aus dem 4. Jahrhundert. Später hat es einen Jahrzehnte langen Bilderstreit und ein allgemeines Bilderverbot (um 730 unter Kaiser Leo III.) gegeben, das schließlich in der Anordnung eines Konzils (754) zur „Vernichtung sämtlicher Bilder religiösen Inhalts“ (Franzen) gipfelte, bis 787 das VII. Ökumenische Konzil von Nicäa die Bilderverehrung wieder erlaubte. Die theologische Begründung dafür formuliert der Kirchenhistoriker Franzen so: „Nachdem aber Gott selbst Mensch geworden war und in Jesus Christus sichtbare Gestalt angenommen hatte, konnte im Neuen Testament das Bilderverbot nicht mehr die gleiche Bedeutung haben wie im Alten Testament.“ Die Frage, die glaubende Menschen immer umgetrieben hat, ist: Wie steht Gott zu uns Menschen?

Versuch und Irrtum
Die christliche Theologie hat in ihrem Nachdenken über Gott den Begriff der „theologianegativa“ entwickelt. Damit ist gemeint, dass all das, was wir in unserem Bemühen um Erkenntnis des Wesens Gottes als Ergebnis in Worte fassen, nie das ganze Wesen Gottes auszusagen vermag, ja, dass das, was wir wissen, immer weniger ist als das, was wir nicht wissen. Insofern ist das „Bilderverbot“ nach wie vor auch im übertragenen theologischen Sinn aktuell als Warnung vor dem Anspruch, irgendwann ganz genau und in vollem Umfang zu wissen, wer und wie Gott ist.

Problemlösung
Anderseits freilich befreit uns gerade auch das von Jesus im morgigen Evangelium überlieferte Selbstzeugnis Jesu seinem Apostel Philippus gegenüber von einem totalen „theologischen Bilderverbot“, wenn Jesus sagt: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Wir sprechen ja davon, dass wir schon von der Schöpfung her auf den Schöpfer schließen können, wir bezeichnen die Heilige Schrift als „Offenbarung Gottes“ und finden bereits im ersten Kapitel der Bibel den Hinweis, dass Gott den Menschen als „unser Abbild, uns ähnlich“ (Gen 1,16) schuf. Umso mehr können wir dem, was uns in den Evangelien von Jesu Leben und seinem Sprechen von Gott überliefert ist, Zutreffendes über Gottes Wesen und seine Beziehung zu Welt und Menschen entnehmen. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“, sagt Jesus im morgigen Evangelium dem Apostel Thomas – und uns. Wenn wir uns auf ihn und sein Wort einlassen, sind wir auf dem richtigen Weg zu Gott und damit zum Leben. Das kann – und muss – uns genügen.

Lösungsverstärkung
Im Glauben ist es wie in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen: Wenn wir einen Menschen kennen lernen wollen, müssen wir uns auf Beziehung einlassen; wenn wir wissen wollen, ob wir einem Menschen vertrauen können, müssen wir Vertrauen wagen; ob Liebe tragfähig ist, erfahren wir nur, wenn wir uns auf eine Liebesbeziehung einlassen. Ob christlicher Glaube trägt, können wir nur erfahren, wenn wir uns auf ein Leben aus dem Glauben einlassen.

Gottfried Ugolini

1. Kurze Auslegung von Joh 15,1-8

Das Bildwort vom Weinstock und Fruchtbringen ist aus dem Alten Testament bekannt. Der Weinberg bzw. der Weinstock stehen für das Volk Gottes. Die Aussage: „Ich bin der wahre Weinstock!“ offenbart Jesus in seiner direkten und unmittelbaren Gottesbeziehung. Die Beziehung zu Jesus bildet den Grund für die Jüngergemeinde (Kirche) und gleichzeitig prägt sie das Leben derselben. Die Verbundenheit der Reben mit dem Weinstock und das Früchtebringen sind nicht das Ergebnis menschlicher „Leistung“.  Das gilt für die christliche Gemeinde. In der lebendigen Verbundenheit mit Jesus Christus liegt der Grund für das Früchtebringen. Von hier aus ist der mahnende Zwischenruf zu verstehen: „Bleibt in mir und ich bleibe in euch!“  Christliche Gemeinde lebt von der wechselseitigen Verbundenheit und bringt daraus Früchte hervor.
Zwei Handlungen an den Reben werden erwähnt:  die unfruchtbaren Reben werden weggeschnitten und die guten Reben zurechtgeschnitten. Beide Tätigkeiten zielen darauf ab, dass die Reben in der Verbundenheit mit dem Weinstock Früchte bringen. Dabei kommt es auf jede Rebe an: um das Fruchtbringen zu erhöhen werden die Reben zurechtgeschnitten und gereinigt. Die unfruchtbaren Reben werden abgeschnitten. Damit sind der Ernst und die Konsequenz eines Lebens in der Nachfolge Jesu aufgezeigt. Der Evangelist mahnt seine Gemeinde und uns heute, mit Jesus und untereinander lebendig  verbunden zu bleiben.
Das bittende Gebet ist eingebettet in die vertrauliche und offenherzige Beziehung zu Gott, auf dessen Antwort darauf Verlass ist. Gott wird durch die Früchte aus der Verbundenheit mit Jesus Christus und die gelebte Nachfolge (Jünger werden) verherrlicht. Das heißt: alles erfolgt zur größeren Ehre Gottes und damit auch zum wahren Leben des Menschen.

2. Zielsatz

Die ZuhörerInnen und Zuhörer werden ermutigt, ihre Beziehung zu Gott, die Verbundenheit der Christen untereinander in der Pfarrgemeinde und in der Kirche in der heutigen Welt ehrlich, achtsam und Frucht bringend zu pflegen.

3. Predigtgedanken

Motivation
Wir freuen uns, wenn wir sehen und erleben, wie das christliche Leben einer Pfarrgemeinde im Rahmen einer Feier oder Aktion zum Ausdruck kommt. Die innere Motivation stimmt mit dem äußeren Feiern zusammen. Für die Zukunft ist diese Erfahrung: wir sind Christen und gehören zusammen zentral. Gerade im Blick auf das Leben und auf die Seelsorge einer Pfarrgemeinde (in einer Seelsorgeeinheit) ist die spirituelle Motivation entscheidend, die aus einer lebendigen Christus-Beziehung erwächst.  Ohne diese besteht das Risiko, dem bloßen Organisieren zu verfallen oder liebgewonnene Gewohnheiten und Vorlieben unkritisch zu einzufordern und zu verteidigen. Wer mit Jesus verbunden bleibt, daraus lebt und handelt, wird die je eigenen Talente zum Aufbau einer lebendigen Gemeinde einbringen und aus seiner christlichen Gesinnung heraus mitgestalten.

Problemfrage
Wie kann das Leben und die Seelsorge in unseren Pfarrgemeinden an Profil gewinnen, an Reiz und Strahlkraft, dass sie immer mehr zu einer dem Evangelium gemäßen Gemeinde werden, die Frucht bringt zur Verherrlichung Gottes?

Versuch und Irrtum
Die Verlebendigung des christlichen Lebens und das Wachsen im christlichen Glauben sind nicht nur lebenslange Aufgaben. Sie gehören zum Wesen und zur Geschichte der Kirche selbst, zu ihrer Tradition und zu ihrem Auftrag. Nicht Stillstand ist gefragt, sondern Leben, Werden, Wachsen, Reifen und Fruchtbringen. Bereits hier unterscheiden sich die Geister: die einen setzen auf eine mehr oder ausschließlich spirituelle Erneuerung, die anderen auf eine strukturelle Veränderung; andere wiederum wollen das Glaubenswissen für immer und ewig festschreiben, während andere dazu neigen, alles Hinterfragen und schier neu zu „erfinden“. Sicherlich sind diese Positionen überzeichnet und machen Extreme bewusst, denen wir in dieser Form selten begegnen. Sicher ist: auf beiden Seiten kann man sich verrennen. Demgegenüber lädt uns das Evangelium ein, einen Blick darauf zu werfen, wie es um unsere Verbundenheit mit Christus steht und wie wir daraus leben und Gemeinde Jesu bilden.

Lösungsangebot
Inmitten aller Klagen und Fragen, wie das Glaubensleben und die Seelsorge in unseren Pfarrgemeinden in Zukunft erhalten und gewährleistet wird, wird eines klar: die Motivation dafür kommt aus der Verbundenheit und im Verbunden-Bleiben mit der Mitte unseres Glaubens, mit Christus. Im Bildwort des Weinstocks und den Reben wird uns vor Augen geführt, wie das geht. Hier wird ersichtlich, dass die Reben, erst wenn sie mit dem Weinstock verbunden bleiben, Frucht bringen können. Aus sich allein können die Reben keine Frucht bringen. Dieses direkte Verbunden-Sein mit dem Weinstock, mit dem Grund unseres Glauben, mit Christus, gilt es wieder zu entdecken und zu verlebendigen. Hier müssen wir durch einigen kirchengeschichtlich gewachsenen und sich angesammelten Gestrüpp hindurch, um den Weinstock wieder frei zu legen. Wir sagen „Kirchen gehen“, wenn wir unsere Verbundenheit mit Christus feiern. Wir sagen, „Kommunion gehen“, wenn wir den Leib Christi empfangen, damit er in uns bleibt und wir in ihm bleiben. Gleichzeitig werden wir mit allen Christen überall auf der Welt in Christus vereint. Diese Dimension kann uns das heutige Evangelium bewusst machen. Wir sagen „Beichten gehen“, wenn wir uns von Christus verzeihen und versöhnen lassen, um uns zurechtschneiden zu lassen, damit die lebendige Beziehung zwischen Weinstock und Reben, Christus und mir Frucht bringen kann.
Wir laufen immer wieder Gefahr, vor lauter kirchlicher Regeln und Gewohnheiten, den direkten Draht zu Jesus zu verlieren.  Eigentlich stehen die Regeln und Gewohnheiten für die Gewährleistung des „In-Verbindung-Bleibens“ mit Christus. Wenn das Einhalten dieser Regeln und Gewohnheiten wichtiger wird als die lebendige Verbundenheit mit Christus, verliert diese ihren Reiz und ihre Wachstumskraft. Dann kann es zum Stillstand kommen. Doch wer mit Christus verbunden ist, gerät in eine österliche Dynamik. Diese Dynamik zieht Kreise sowohl für das eigene Wachsen und Reifen in der Nachfolge Jesu als auch für das Leben und Wirken einer christlichen Gemeinde in der Welt.
„Wer nicht wächst, der schrumpft.“  Dieser Ausspruch stammt von der spanischen Heiligen und Mystikerin Theresa von Avila. Sie erinnert uns daran, in unserer Verbundenheit mit Christus zu wachsen und zu reifen – inmitten aller Krisen, Herausforderungen, Fragen und Zweifel genauso wie inmitten aller bereichernden Erfahrungen, aller Hoffnung, allem Trost und aller Freude aus dem Glauben. Wachsen und Fruchtbringen setzen eine lebendige und bleibende Verbundenheit voraus, die gepflegt wird im Hören auf das Wort Gottes, im Gebet, in der Feier der Sakramente, im Dienst an den Mitmenschen, im Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. 

Lösungsverstärkung
Niemand lebt und glaubt für sich allein, sagt schon der hl. Paulus. Der nordafrikanische Bischof Cyprian von Karthago (3. Jahrhundert) brachte dies Wahrheit wie folgt auf dem Punkt: „Ein Christ ist kein Christ.“ Diese Aussage mahnt unsere Zusammengehörigkeit in Christus ein. Christsein prägt nicht nur das persönliche Leben, sondern auch das Zusammenleben. Christlicher Glaube ist immer Beziehungsarbeit: zu Christus und zueinander. Wer mit Jesu verbunden ist, weiß sich in ihm mit allen verbunden, weil er unser aller Bruder ist. Im Blick auf die Zukunft unserer Pfarrgemeinden stellt sich die Frage, wie sich diese Verbundenheit entwickeln und bewähren kann und soll. Das Evangelium vom Weinstock und den Reben stellt die lebendige Verbundenheit mit Christus in den Mittelpunkt. Damit wird einerseits der spirituelle Aspekt hervorgehoben und zum Anderen, das das Fruchtbringen nicht das Ergebnis menschlicher Leistung ist, sondern Geschenk. Weiters mahnt uns das Evangelium vom Weinstock zu einer stärkeren Verbundenheit untereinander als Christen, die im Miteinander und Füreinander aus dem Verbunden-bleiben mit Jesus das Fruchtbringen erbitten, verdanken und erhoffen.

Schluss
Die Qualität unseres Christsein wächst uns durch Christus zu: darauf dürfen wir stolz sein und das dürfen wir auch ausstrahlen. Das Interesse sich mit dem eigenen Glauben auseinander zu setzen und  die Freude an unserem Christsein sind der Anreiz, mit Christus und untereinander in Verbindung zu bleiben. Das diözesane Jahresthema: „Wir glauben: darum reden wir – in Wort und Tat“ erinnert uns daran, immer mehr zu einer erzählenden, feiernden und missionarischen Gemeinde inmitten unserer Welt zu werden. Diese Einladung und Bitte wurzelt im Bewusstsein, dass wir in Christus miteinander verbunden bleiben und darin Fruchtbringen. Segn’s Gott!

Ploner Maria Theresia

1. Kurze Auslegung von Joh 13,31-35

Großkontext bzw. Gattung: Der Abschnitt des Evangeliums vom 5. Ostersonntag steht im Kontext, bzw. ist Teil der Abschiedsreden Jesu. Hier liegt also die Gattung „literarischen Testament“ vor, die sowohl im griechisch-römischen, als auch im alttestamentlich-jüdischen Kultur- und Literaturbereich bekannt und im Gebrauch war, wenn es um die rückblickende Darstellung bedeutsamer historischer oder auch fiktiver Persönlichkeiten geht. Der literarische Topos „Testament/Abschiedsrede“ eignet sich besonders zwei verschiedene Zeitebenen (z.B. die Zeit Jesu und die Zeit der johanneischen Gemeinde) zu verschränken und kommt daher dem Anliegen des Evangelisten sehr entgegen, welcher im Evangelium das „Ineinander von Vita Jesu und eigener kirchlicher Erfahrung“ (Michael Theobald) darstellen möchte. Die zeitgenössischen Themen und Probleme, welche die nachösterliche Gemeinschaft beschäftigt und mitunter auch belastet, werden so in eine „Abschiedsrede“ Jesu rückprojiziert und als Voraussagungen Jesu charakterisiert. So wird der trostvolle Eindruck vermittelt: Der auferweckte Kyrios weiß um die Probleme der nachösterlichen Gemeinden. Diesen relativ unbekümmerten und freie Umgang mit der Glaubenstradition pflegen Evangelist wie späterer Redaktor (13,34f.?) aus dem tiefen Bewusstsein heraus, dass der auferstandene und gegenwärtige Kyrios die Gemeinde des Johannes tröstet, bestärkt und ermutigt. Die Abschiedsreden bezeugen also letztlich einen kreativen, aktualisierenden und eben heilsamen Umgang mit der Jesusbotschaft angesichts geschichtlicher und situativer Veränderung. Die Abschiedsrede ist also ein Konstrukt der johanneischen Gemeindekatechese.
Unmittelbarer Kontext der Perikope: Dem Leseabschnitt voraus geht die Szene von der Fußwaschung (13,1-20) und jene der Ansage des Verrats des Judas (13,21-30). Die Texteinheit 13,31-35 bildet den Anfangsteil der 1. Abschiedsrede (13,31-14,31). Mit dem in V. 31 erwähnten Hinausgehen des Judas (Raumsymbolik: Drinnen - Draußen) und dem Hinweis im vorausgehenden V. 30 Hinweis: „Es war aber Nacht.“ (Zeitsymbolik: Licht - Finsternis) nimmt das Drama der Jesuspassion allmählich seinen unaufhaltsamen Lauf.
V. 31f.: Das hier wiederholt gebrauchte Verb „verherrlichen“ doxazō gehört zu den Leitwörtern des Johannesevangeliums (Vgl. Joh 12,23.28). Hinter dem Begriff „verherrlichen“ bzw. „Verherrlichung“ steht die alttestamentliche Rede von der kabod  (Gewichtigkeit, Herrlichkeit) Jahwes, etwas salopp ausgedrückt: es drückt die Wucht der Gegenwärtigkeit Gottes aus. Die griechische Bibel wendet dafür die Bezeichnung doxa auf, die wir im Deutschen mit dem etwas missverständlichen „Herrlichkeit“ wiedergeben. Menschen bringen manchmal ihr Erstaunen über Jemanden, deren Verhalten oder Leistung sie besonders beeindruckt hat, mit dem Satz zum Ausdruck. „Du bist eine Wucht!“ Das meint: „Du hast Gewicht“; „Du hast Bedeutsames geleistet“. Etwas von dieser heilvollen Wucht Gottes ist den Menschen im Jesusereignis neu aufgegangen. Und der Gemeinde wurde erst auf dem Hintergrund ihres Gottesglaubens die Bedeutsamkeit Jesu als Christos und Menschensohn bewusst. Menschensohn und Gott erschließen sich dem Glaubenden gleichsam gegenseitig. Das möchte hier der Evangelist in seiner Gemeinde verankert wissen.
V. 33a: Einzig an dieser Stelle taucht der Diminuitivbegriff teknion „Kinderchen“ – in unserem Dialekt „Kinderler“ – im Munde Jesu als Anrede an die Jünger auf. Es verweist auf die liebevolle Beziehung zwischen dem Abschiednehmenden. Das Thema dieses Verses ist die Trennung bzw. Abwesenheit von Jesus. Die sinnlich erfahrbare Abwesenheit Jesu wird damit zum Normalfall erklärt. Aber gleichsam als Alternative wird eine Erfahrungseite Jesu und letztendlich Gottes anGEBOTEN: die gegenseitige bzw. solidarische Liebe (vgl. 34f.)
V. 34f.: Als bleibendes Vermächtnis Jesu an die Seinen und damit als authentische Glaubenszeugnis der Gemeinde wird - so der Evangelist bzw. der Redaktor - die Liebe benannt. (Das Liebesgebot wird von einigen ExegetInnen der Redaktion des Johannesevangeliums zugeschrieben.) Diese Liebe hat Jesus selbst in seinem Wirken bis in den Tod hinein, mit einer faszinierenden Wucht spürbar gemacht. Auf dem Hintergrund der alttestamentlichen Heilsgeschichte wird klar, dass letztlich die „Neuheit“ dieses Gebotes sich nicht auf dessen Inhalt bezieht. Ist doch die Abenteuergeschichte Israels mit seinem Gott gerade auch eine Liebesgeschichte. Das Liebesgebot ist daher nicht neu. Doch ist die solidarisch gelebte Liebe der johanneischen Gemeinde und auch uns in Jesus Christus neuaufgegeben.

2. Zielsatz

Die Gemeinde darf sich von der Gegenwart Jesu Christi im konkreten und liebevollen Miteinander getragen wissen.

3. Gedanken zur Predigt

Motivation

"Wie hab ich das gefühlt, was Abschied heißt,
Wie weiß ich's noch: ein dunkles unverwundnes
Grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
Noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt."

Diese Zeilen aus dem Gedicht "Abschied" stammen vom Dichter Rainer Maria Rilke.  Eine Theologiestudentin hat sie ihrer Doktorarbeit als Motto vorangestellt, in der sie die Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium untersucht hat. Aus diesen johanneischen Abschiedsreden ist unser heutiger Evangelienabschnitt entnommen. Wir alle haben unsere eigenen Erfahrungen mit den unterschiedlichen Abschiedssituationen. In den Abschiedsszenen Liebender kommt - und das hat Rilke so wunderbar in Worte fassen - die Beziehung der Abschiedsnehmenden noch einmal in ganz intensiver Weise zum Ausdruck, aber gleichzeitig auch den Trennungsschmerz. Und es steht die bange Frage stumm im Raum, wie man die kommende Zeit ohne den Anderen der Anderen durchstehen u bewältigen kann. Diese Frage stellte sich auch die nachösterliche Gemeinde des Johannes sehr dringlich:

Problemfrage
Wie gestalten wir unsere Zukunft, wenn uns die Gegenwart Jesu nicht mehr so körperlich-konkret gegeben ist, wie den Jünger und Jüngerinnen Jesu?

Lösung
Eine ermutigende Antwort darauf bietet das Johannesevangelium in Form der in der Antike weit verbreiteten "Abschieds- oder testamentarischen Rede". In ihr lässt der Evangelist die Fragen und Probleme der Gemeinde von Jesus noch vor seinem Tod selbst ansprechen, so als hätte er diese bereits vorausschauend erkannt. Sie richten sich daher eigentlich nicht an die Jünger selbst, sondern direkt an die johanneische Gemeinde. Das heutigen Evangelium bildet den Auftakt dieser Reden und verweist auf die Grundorientierung der Gemeinde:
Da gilt es einmal die Bedeutsamkeit Jesu als der Erfahrungsort Gottes zu bewahren. Diese Glaubensüberzeugung ist ausgedrückt in der Rede von der Verherrlichung des Menschensohns und Gottes.  Das Alte Testament kennt für die Herrlichkeit Gottes das Wort kabod, das eigentlich Gewichtigkeit, Wucht, Bedeutsamkeit meint. Jesus hat Gott bei den Menschen wieder "gewichtig" werden lassen, er hat ihnen das Leben als etwas "Gottschweres" und damit als etwas Heilsames neu erkennen lassen.
Und dann ist da schließlich noch die solidarische Liebe in der Gemeinde, die es zu leben und  wachzuhalten gilt. Wer liebt, der spürt mit voller Wucht nicht nur das Leben, sondern auch Gottes Wirklichkeit selbst.
 Abschiednehmen ist für Liebende immer etwas Grausames, Rilke zeigt dies in seinem Gedichtzeilen erbarmungslos auf. Der Evangelist Johannes versuchte - so gut er konnte - das Trauma der Abwesenheit Jesu in seiner Gemeinde aufzufangen, auch aus dem glaubenden Bewusstsein heraus, dass der Gehende immer auch schon der Kommende ist.

Sechster Sonntag der Osterzeit

Luis Gurndin

1. Kurze Auslegung von Joh 14,15-21

Das Reich Gottes, dessen Anbrechen Jesus verkündet und in seinem Tun und in seinen Zeichen erfahrbar und so glaub-bar macht, soll durch seine Jünger – durch die Gemeinschaft derer, die an ihn glauben – weiterverkündet und in ihrem Tun ebenso erfahrbar und glaub-bar werden. Dabei sind sie nicht auf sich selbst gestellt, sondern vom Geist Jesu begleitet und gestärkt.

2. Zielsatz

Die Zuhörenden verstehen: Die Antwort auf das Geschenk der Liebe Gottes – konkret auch in der Liebe zu Jesus – ist erst dann glaubwürdig, wenn sie sich auch im Verhalten zeigt – konkret im Halten der Gebote. Dazu sagt uns Jesus den Beistand des Heiligen Geistes zu.

3. Predigtgedanken

Motivation
Was uns wichtig ist, verlangt nach „Verleiblichung“ in äußeren Zeichen.Dem entsprechen zum Beispiel der Ring und das öffentlich gesprochene und vernehmbare Ja-Wort bei einer Hochzeit und die kleinen Geschenke, die laut Sprichwort die Freundschaft erhalten. Wenn das in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen so ist, kann es in unserer Beziehung zu Gott – im Glauben also – nicht anders sein.

Problemfrage
Worin aber zeigt sich die Echtheit unserer Antwort der Gegenliebe auf das Geschenk der Liebe Gottes, an das wir aufgrund der Botschaft Jesu und seines Lebens, Leidens und Sterbens und seiner Auferstehung glauben?

Versuch und Irrtum
Da wir Menschen auch Leibwesen sind, kann sich die Echtheit unserer Liebesantwort auf Gottes Liebesangebot nicht nur in Gedanken und Gefühlen zeigen. Es genügt also nicht, Gebote zu kennen, Glaubenswahrheiten auswendig zu lernen, Gebete und Glaubensbekenntnisse zu sprechen, fromme Lieder und singen und fromme Gefühle zu hegen, sondern es geht auch hier um „Verleiblichung“ in Zeichen, in Tätigkeiten und Verhaltensweisen, die der Beziehung entsprechen.

Problemlösung
Jesus bringt es im heutigen Evangelium mit den Worten auf den: Punkt: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ Und damit wir uns dabei nicht gleich überfordert fühlen müssen, fügt er gleich auch als Ermutigung hinzu: „Und ich werde den Vater bitten, er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen.“ Das heißt: Die Glaubwürdigkeit unserer Liebe zu Gott erweist sich in unserem Leben darin, dass unser Leben zu einer Fortsetzung seines heilvollen Tuns im Dienst der Menschen wird: Dass wir wie Er liebevoll mit Kranken, Enttäuschten, Trauernden, Ausgegrenzten, von Schuld Gequälten umgehen, dasswir ganz allgemein unsere Beziehungen untereinander ernst nehmen und pflegen, damit etwas von dem erfahrbar wird, was mit dem Reich Gottes gemeint ist, von dem Jesus gesprochen hat. Dabei lässt er uns nicht allein, sondern steht uns bei durch seinen Geist.

Lösungsverstärkung
Dieses Versprechen von damals gilt auch uns: Im Heiligen Geist, den in wir Taufe und Firmung empfangen haben, wird die Liebe Gottes durch Jesus Christus in und durch uns wirksam. Jesus weiß zwar: Unsere Liebesfähigkeit ist begrenzt, brüchig, gefährdet; schnell kommt uns die Liebe abhanden. Er macht uns dafür aber keinen Vorwurf, sondern spricht uns Trost und Ermutigung zu und lädt uns ein, Gottes maßlose Liebe zu uns an- und ernst zu nehmen, die uns auch für den Fall enttäuschter und enttäuschender menschlicher Liebesbeziehungen versprochen ist und uns die Kraft gibt, in guten Zeiten für andere durch unsere Liebes-Zeichen „Ort“ der Kraft, der Ermutigung und des Trostes auf dem Lebens- und Glaubensweg zu sein.

Gottfried Ugolini

1. Kurze Auslegung von Joh 15,9-17

Noch fern von jeder durchorganisierter Struktur und zentralistischen Leitung ist die johanneische Gemeinde in erster Linie eine örtliche Gruppe von Christen, die sich regelmäßig zum Gottesdienst versammeln. Der innere Verbindungsfaden sind der österliche Glaube, die Begeisterung für den Auferstandenen und seine Frohe Botschaft sowie der daraus erwachsende Lebensstil. Diese Verbundenheit galt und gilt es immer wieder neu zu ins Bewusstsein zu heben, zu beleben und zu bezeugen.
Aufbauend auf der Bildrede vom Weinstock vertieft und konkretisiert Johannes für seine Gemeinde die innere Zusammengehörigkeit mit Christus und untereinander.  Sie ist geprägt von der liebenden Beziehung, die von Gott ausgeht, und in die Jünger hineingenommen, wenn sie mit Jesus verbunden bleiben. Die Liebe ist eine tätige, wirksame und verbindliche Liebe, die in der Hingabe für die Freunde gipfelt. Jesus selbst ist Vorbild dieser Liebe, dessen Praxis unüberbietbar in der Fußwaschung und im Weg zum Kreuz zum Ausdruck kommt. Sie ist der Maßstab für alle, die ihr Leben in der Nachfolge Jesu verankern. Wesensmerkmal dieser Liebe ist die Freude. Diese österliche Freude versteht sich als Geschenk und als Beweggrund, mit Begeisterung den Weg der Nachfolge Jesu zu gehen, zu feiern und bekannt zu machen. Wer sich darauf einlässt, erfährt das Angebot der Freundschaft als Erkennungsmerkmal dieser Liebe. Im wechselseitigen Bleiben, aus der Verwurzelung dieser Liebe erwächst das Fruchtbringen: die Früchte der tätigen, dienenden, frohen und sich hingebenden Liebe sind Geschenk der lebendigen und wirksamen Liebe, die von Gott ausgeht. 

2. Zielsatz

Die Zuhörerinnen und Zuhörer werden ermutigt, ihre eigene Freude am Christsein und als Mitglied einer christlichen Gemeinde bzw. der Kirche auf der Grundlage dieses Evangeliumtextes zu bedenken.

3. Predigtgedanken

Motivation
Ein froher Glauben ist ein motivierender Glauben. Freude steckt bekanntlich an, erbaut und bewegt, aus dieser Freude begeistert und konkret zu handeln. Freude und Jubel waren nach Apg 2,46 ein wesentliches Merkmal der versammelten Gemeinden. Frühchristliche Hymnen und Lieder sind dafür beredte Zeugnisse. Als Beispiel werden Verse eines Liedes aus den „Oden Salomos“ wiedergegeben, das zeitlich und inhaltlich dem Johannesevangelium nahesteht: 
„Meine Freude ist der Herr und mein Lauf auf ihn zu. Dieser mein Weg ist schön, denn ein Helfer ist er mir zum Herrn. … Er wurde wie ich, auf dass ich ihn erfassen könnte. Und nicht erschrak ich, als ich ihn erblickte, weil er meine Gnade ist.“ (Oden Salomos 7,2-5*)

Problemfrage
Wie kann die Glaubensfreude, die Freude Christ zu sein und einer christlichen Glaubensgemeinde (und Kirche) anzugehören vermehrt zur Geltung kommen?

Versuch und Irrtum
Immer wieder klagen Pfarrer, klagen Pfarrgemeindemitglieder, klagen Eltern, klagen Jugendliche, klagen die Kinder trotz aller aufgebrachten Mühe, den Glauben, die Gottesdienste würdige, ansprechend und erhebend zu feiern. Letzten Endes kommt kaum oder nur verhaltene Freude auf. Da können die flottesten Gospelsongs und die hochkarätig aufgeführte Mozart-Messe, die ansprechend vorgetragenen modernsten Texte und  ausgewählten  sinnenträchtigsten Symbole keine Stimmung herbeiführen. Irgendwie scheint die Quelle der Freude unter uns Christen verschüttet. Sicherlich kann vieles durch Pflichterfüllung, liturgische Regeln und Richtlinien, Unbeweglichkeit sowohl räumlich wie persönlich, Fixierungen auf Einstellungen wie „es muss so sein“, durch Frust oder Verletzungen bedingt dass, dass die Freude abstumpft oder gar deren Aufkommen erstickt wird. In solchen Situationen scheint der Funke nicht mehr überzuspringen, der die Freude entzündet und sie in den Herzen der Gläubigen entflammt.

Lösungsangebot
Da fällt mir die Mutter eines Erstkommunionkindes ein. Ich gebe ihr den Namen Emma. Sie hat eine Gruppe Kinder auf die Erstkommunion vorbereitet. Frau Emma erzählte mir wie sie die Vorbereitung auf das Sakrament der Versöhnung und der Eucharistie zuerst für sich persönlich als herausfordernd und bereichernd erlebt hat. Sie schilderte mir, wie überfordert sie sich zu Beginn erlebte. „Da weiß ich doch selbst zu wenig bescheid. Bei uns hat das früher der Pfarrer gemacht.“  Zuerst etwas ängstlich doch dann dankbar besuchte sie eine dafür vorgesehene Ausbildung. Hier erfuhr sie im Austausch mit anderen und durch kompetente Referenten, wie grundlegend und bedeutsam das Reden über die eigene Glaubensgeschichte, die eigenen Erfahrungen und Fragen im Zusammenhang mit Glauben und Kirche ist. Vielfach stolpern wir schon über die eigene Schwierigkeit, vom Glauben zu reden: da fehlt uns die Sprache, „wie soll ich sagen …“. Die offene und kompetente Auseinandersetzung mit der eigenen Glaubensgeschichte und mit zentralen Glaubensinhalten aus der Bibel und aus dem Erfahrungs- und Glaubenswissen der Kirche bereicherten und begeisterten Frau Emma immer mehr. „Da ging mir so Einiges erst richtig auf. Jetzt wo ich Inhalte oder Themen aus dem Glauben verstanden habe, sind sie lebendiger in mir. Ich freue mich darüber.“ Nun konnte sie sich auch besser vorstellen, eine Gruppe auf die Erstkommunion mitvorzubereiten. Zum Schluss gestand sie: „Am meisten habe ich dabei gelernt. Die Aufgabe hat mich für den Glauben neu interessiert und neugierig gemacht. Ich will mich auf alle Fälle noch weiterbilden und bin gern bereit, die nochmals eine Aufgabe in der Pfarrgemeinde zu übernehmen.“
Die Kinder erkannten sehr bald, dass Frau Emma sich selbst begeistert und motiviert als die Treffen einließ – trotz einiger Disziplinschwierigkeiten, die auch gemeistert wurden, und trotz offener Fragen, auf die Frau Emma nicht immer gleich eine Frage wusste, die aber bei einem nächsten Treffen wieder aufgegriffen und gemeinsam beantwortet wurden.
Die Beziehung zwischen den Kindern und Frau Emma blieb auch nach der Erstkommunionfeier aufrecht. Mit deren Eltern wurde sogar ein Gesprächskreis eingerichtet, bei dem Fragen des Glaubens, Themen und Anliegen in der Glaubenserziehung besprochen. Darüber hinaus werden  Hilfen für die Glaubensvertiefung, für Gebete und Feiern ausgetauscht. Sogar der eine und andere Kinder- und Familiengottesdienst wird von dieser Gruppe bereits gestaltet.

Lösungsverstärkung
Die Glaubensfreude einer Pfarrgemeinde erwächst aus lebens- und glaubensfrohen Christen, die miteinander das Gemeindeleben gestalten. Das drückt sich in der Stimmung bei den Gottesdiensten aus: vor allem bei denen, die dabei Aufgaben übernehmen. Doch nichtsdestoweniger bei allen, die mitfeiern. Das geschieht durch die gedankliche und gefühlsmäßige Einstellung, mit der ich in den Gottesdienst komme, und wie ich mich daran beteilige. Wer sich freut und dankbar ist, dass wieder eine neue Lektorin bzw. ein neuer Lektor mitwirkt – und ihr bzw. ihm im Anschluss an die Gottesdienstfeier dankt und gar einen positiven Eindruck rückmeldet, der baut nicht nur Mitarbeitende auf, sondern trägt auch zur Gemeindebildung bei.
Wenn ich interessiert und neugierig bin, wie unser Leben und Glauben gefeiert wird, damit ich und andere Kraft und Trost, Mut und Zuversicht daraus schöpfen, erstarken meine Wurzeln in der Beziehung zu Gott und zueinander. Wenn ich mich darauf eingestimmt habe zu hören, was das Wort Gottes in mir bzw. in uns heute bewirkt, beteiligte ich mich mit offenem Herzen und Wohlwollen, selbst wenn ich mich in der Feier nicht angesprochen erlebe. Wenn ich darauf achte, wie Freud und Leid unseres Alltags und unserer Nächsten nah und fern in den Gebeten und Liedern zur Sprache kommen und vor Gott hingetragen werden, weiß ich mich und sie mithineingenommen in das heilige Geschehen, in dem Gott wirkt.
Freude steckt an und bewegt, sich einzubringen, mitzuwirken und sich einzulassen auf neue Erfahrungen. Das stärkt die österliche Hoffnung und Freude in mir und schafft eine Verbundenheit mit den Mitchristen und Mitmenschen nah und fern. Meine Lebens- und Glaubensfreude schärft mein aufmerksames und kritisches Wahrnehmen, wo ich gefragt bin, wo mein Gebet angesagt ist, wo meine Kritik notwendig ist, wo meine Solidarität erforderlich ist und wo ich ermutigend, aufbauend und versöhnend unterwegs sein soll. Durch solche Solidarität würde das Profil unserer christlichen Gemeinde, unserer Pfarrgemeinde, unserer Diözese, unserer Kirche mehr Freude aufzeigen, vermitteln und ausstrahlen.

Schluss
Ich wünsche Euch und mir, die Freude am Glauben zu entdecken oder wieder zu entdecken – persönlich und als Pfarrgemeinde, dass sie in und durch uns wächst und Früchte bringt. Wer sich am Glauben freut, bleibt in Liebe freundschaftlich verbunden mit Christus und mit seinen Freunden. Übrigens: Eine gesunde Lebens- und Glaubensfreude färbt sich auch auf das Gemeindeleben ab und gibt der christlichen Gemeinde ein glaubwürdiges und attraktives Qualitätssiegel.

Maria Theresia Ploner

1. Kurze Auslegung von Joh 14,23-29

Kontext: Auch dieser Leseabschnitt ist, wie schon jener des letzten Sonntages aus den Abschiedsreden Jesu des Johannesevangelium entnommen. (Zur Gattung und Funktion der Abschiedsrede siehe die Auslegung zum Evangelium des letzten Sonntags). Zu Beginn von Joh 14 werden die Jünger von Jesus angemahnt, ohne Angst zu sein und auf Gott und ihn zu vertrauen. Dahinter lässt sich eine Situation der Bedrängnis vermuten, in der sich wohl die johanneische Gemeinde befand. Das Gottvertrauen ist daher als der Grundtenor des ganzen Kapitels anzusehen.
In V. 23f. beantwortet Jesus die Frage des Judas (nicht des Iskariot) eigentlich mit einer Aussage, die uns von V. 15.21 her nicht neu erscheint. Diejenigen die ihn (Jesus) lieben, werden am Wort Jesu festhalten. Dasselbe wird dann nochmals in Form einer negativen Aussage in V. 24 wiederholt. Liebe wird hier nicht allein als rein emotionale Empfindung, sondern als eine Lebenshaltung verstanden und inhaltlich aufgefüllt im Sinne von: „auf die Botschaft Jesu ausgerichtet bleiben“. Diese Liebe kennzeichnet auch das Verhältnis des Sohnes zum Vater. Der Sohn ist der Exeget/Ausleger Gottes bzw. seiner Botschaft (Vgl. 1,18). Es ist das Wort Jesu Christi, das Gemeinschaft stiftet. „Das von Gott in Jesus gesprochene Wort weist ein in den durch den Tod Jesu eröffneten Raum geschwisterlicher Liebe. Dem Evangelisten Johannes geht es so um die Gemeinde als Ort der neuen Gegenwart Jesu im Geist“ (Klaus Wengst). Die glaubende Gemeinde weiß sich in Wohngemeinschaft mit Gott. Die VV. 23f. gehören eigentlich noch zu vorausgehenden Thematik des Wiederkommens Jesu.
V. 25 leitet über zu einem neuen Thema. Die Wendung „Das habe ich zu euch gesagt“, die in den Abschiedsreden wiederholt vorkommt (Vgl. 16,1.4.33) möchte die testamentarische Qualität und damit die Verbindlichkeit dieser Aussagen für die nachösterliche Gemeinde betonen.
V. 26: Die Tatsache, dass die nachösterliche Gemeinde aus der Botschaft Jesu heraus lebt, sie in neue Situationen hineindenkt und so eine kreative Erinnerungsarbeit leistet und ist Ausdruck der Gegenwart des Parakleten (Anwalt, Beistand, „Mutmacher“). Die Gemeinde ist als Erinnerungsort der Worte Jesu gleichzeitig Erfahrungsort Gottes. Dafür steht das Glaubenssymbol „Geist“ als die in der menschlich-historischen Wirklichkeit erfahrene Zuwendung Gottes. Erinnerung ist als vergegenwärtigende Erinnerung zu verstehen. In der Rede vom Beistand drückt Johannes das Vertrauen aus, dass im Glaubenszeugnis der Gemeinde Jesus sich „selbst zu Gehör und in Erinnerung“ bringt. (Klaus Wengst). Davon zeugt letztendlich auch die Existenz des Johannesevangeliums selbst. „Geistesgegenwärtig handeln“ meint aber nicht reines Wiederholen, sondern ein in neuen Situationen hineindenken. Nicht konservativ, sondern kreativ soll der Umgang mit der Botschaft Jesus Christi sein.
V. 27: In der Gabe des Friedens drückt sich der Heilswille Gottes in Jesus Christus aus. Schalom meint ein „ganzheitliches Wohlergehen“, „rundum Genügsamkeit erfahren“. Im krassen Gegensatz dazu steht jener „Friede der Welt“, wie ihn z.B. die Pax Romana realpolitisch konkretisiert hat, durch militärischer Gewalt und ideologischer Überformung. Die christlichen Peacemaker (FriedenstifterInnen) hingegen zeichnen sich durch ein solidarisches Handeln in jeglichen Lebensvollzügen aus.
V. 28f. schneidet jenes Thema wieder an, das der Evangelist in den Abschiedsreden grundsätzlich reflektieren wollte, der Fortgang Jesu, bzw. seine nicht mehr körperlich wahrnehmbare Anwesenheit in der Gemeinde. Dieser Fortgang ist die Voraussetzung dafür, dass die Gemeinde selbst bleibender Erfahrungsort Jesu Christi bzw. Gottes sein kann und darf. Das wäre an sich wirklich ein Grund zu Freude.

2. Zielsatz

Die christliche Gemeinde soll in einer Situation des Umbruches und der Unsicherheit zu einem lebendigen Umgang mit der Botschaft Jesu ermutigt werden.

3. Gedanken zur Predigt

Motivation
Manchmal können wir in der Zeitung von einem in letzter Minute verhinderten Unfall lesen, bei Wildwechsel z.B. oder bei rücksichtslosen Verkehrsrowdys. Da heißt es dann: „Geistesgegenwärtig riss ein Fahrer sein Auto auf die Seite.“ „Geistesgegenwärtig“ bedeutet in diesem Fall „Handeln innerhalb kurzer Reaktionszeit“. „Geistesgegenwärtig“ das ist – nach dem Verfasser des Johannesevangelium aber keine sporadische und vor allem kurz aktivierte Fähigkeit, sondern soll für die christliche Gemeinschaft gleichsam eine lebenslange Haltung und Eignung sein. Dies versucht der Evangelist im Rückgriff auf die Glaubenstradition seiner Gemeinde im Rahmen einr Abschiedsrede Jesu zu vermitteln.

Problemfrage
Die Gemeinde des Johannes sieht sich um 100 n. Chr. mit der Frage konfrontiert, wie sie die Ursprungserfahrung der JüngerInnengruppe mit Jesus bleibend wirksam und erfahrbar in ihrer Mitte halten kann. Diese Frage steht natürlich immer wieder im Raum der Kirche und so auch besonders in unserer Zeit.

Lösung
Für den Evangelisten ist es klar: Jesus von Nazaret hat der Jüngergemeinde durch sein Wort und sein Handeln das Marschgepäck für ihren Weg durch die Zeit mitgegeben. Zentral bleibt für sie einmal die Pflege der Erinnerung. Erinnerungspflege aber nicht in einer museal-konservativen Art, sondern in Form eines kreativen Vergegenwärtigen dessen, was Jesus in dieser konkreten Situation wohl getan hätte. Für diese Form der Erinnerung steht im Johannesevangelium das Glaubenssymbol „parakletos“, der Beistand, Helfer, Mutmacher. Dieser verkörpert letztlich die „Geistesgegenwärtigkeit“ der Gemeinde. Geistesgegenwärtig handeln heißt: im entscheidenden Moment, d.h. in dieser ganz konkreten geschichtlichen Situation das richtige, das Jesu Wort Angemessene tun.
Messen wird sich dieses Tun allerdings auch an der kritischen Anfrage müssen, ob es jener weiteren Heilsgabe Jesu entspricht, die ebenfalls zum Marschgepäck der christlichen Gemeinde gehört, nämlich seinem Frieden. Frieden meint aber nicht einfach nur eine gewaltunterlassende oder erduldende Haltung, sondern aktiv gelebte Solidarität. Es gilt jene geistesgegenwärtige und teilhabende Haltung einzunehmen, mit der das Konzilsdokument „Gaudium et Spes“ so beeindruckend intoniert wird: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger [und Jüngerinnen] Christi.“
Diese Achtsamkeit für die Anderen bleibt den Christen aufgetragen, in ihrer Gemeinschaft, aber auch darüber hinaus. Als allzeit geistesgegenwärtige Menschen sind sie befähigt, aber auch aufgefordert zu einer heilsamen Kreativität im Umgang mit der christlichen Botschaft, die es ja am Leben und an der Welt zu erproben gilt. Diese Gestaltungsfreude an der Neuen Welt Gottes macht die christliche Gemeinschaft dann auch zur eigentlichen Monstranz Christi.

Christi Himmelfahrt

Arnold Stiglmair

1. Auslegung des Textes (Apg 1,1-11)

Alle ntl. Autoren außer Lk (und der Verfasser des zweiten Mk-SchlussesMk 16,9-20) verstehen die Auferweckung Jesu von den Toten als das eigentliche Erhöhungsgeschehen Jesu zu Gott. Nur Lk und im Rückgriff auf ihn der Verfasser von Mk 16,9-20 sprechen ausdrücklich von einer Entrückung Jesu in die „Welt Gottes“. „Wenn es also im 1. Petrusbrief heißt: ‚er fuhr auf in den Himmel‘ (1 Petr 3,22) oder im 1. Timotheusbrief: ‚er wurde aufgenommen in Herrlichkeit‘ (1 Tim 3,16), so dürfen diese Aussagen keinesfalls auf eine sichtbare Himmelfahrt im Sinne des Lukas gedeutet werden. Sie meinen ein Geschehen, das mit der Auferstehung Jesu eine innere Einheit bildet und das sich in der Verborgenheit der jenseitigen Welt vollzieht.“ (G. Lohfink)
Der Evangelist Lukas hat sowohl am Ende des Evangeliums wie auch am Beginn der Apostelgeschichte den Glaubensinhalt von der „Erhöhung Jesu in die Welt Gottes“ in Form einer ausdrücklichen Entrückungserzählung gestaltet auf der Basis von ihm vorliegenden Glaubensaussagen. Formale Vorgaben, mit denen Lk arbeitet, sind für V. 9 das „Entrückungsschema“ (vgl. Gen 5,24; als Erzählung ausgeformt 2 Kön 2,1-18; Himmelfahrtsgeschichten in der nichtjüdischen Umwelt des Lukas), die Tradition der Erscheinung des Auferweckten und für die Szene mit den zwei Männern in weißen Gewändern (V. 10f) die Grabeserzählung in Lk 24,4-9.
Mit der Himmelfahrt Jesu gestaltet Lukas die „endgültige Vollendung“ der Geschichte Jesu. Die Ostererscheinungen gehen eben nicht über in die endgültige, letzte Erscheinung Jesu bei der Parusie. Die Ostererfahrungen hatten bei den Anhängern und Anhängerinnen Jesu die Erwartungen vom endgültigen, baldigen Kommen des Gottesreiches, von dem Jesus selber gesprochen hatte, neu entfacht. Doch Lukas korrigiert diese Erwartungen und gibt der Geschichte der „nachösterlichen Gemeinde Jesu“ einen neuen Sinn. Der Abschnitt will mehrere Momente herausstellen:

  • Gott allein lenkt die Geschichte, und den Jüngern ist die Kenntnis des Zeitpunktes der Parusie endgültig verweigert, womit Lukas auch alle jene als Irrlehrer entlarvt, die von diesem Zeitpunkt reden (vgl. 21,8).
  • Christus kommt jetzt gerade nicht in die Welt, er geht weg in die Welt Gottes!
  • Die Vollendung der Geschichte Jesu (d.h. seine Auferstehung) ernst nehmen heißt: nicht untätig zuwarten, sondern als „Gemeinde Jesu“ für ihn Zeugnis ablegen im Rahmen „Israels“ und über Israel hinaus in der ganzen Welt. „Nicht Christus wird kommen, sondern der Heilige Geist, um die Jünger für die bevorstehende Missionszeit auszurüsten“ (G. Lohfink).

2. Zielsatz

Ich möchte die Gemeinde ermutigen, indem ich begreifen helfe: „Kirche“ behält ihren Sinn dann – und nur dann! –, wenn sie die lebendige Zeugin der „Jesusgeschichte“ bleibt, indem sie Wort und Tat Jesu als Orientierung für die Welt durch ihr eigenes Reden und Tun darstellt.

3. Predigtgedanken

Motivation
Irritationen verschiedenster Art (Zerbrechen vieler kirchlicher Strukturen in unserer sogenannten ersten und zweiten Welt; das Versagen von „Kirche“ im Rahmen der Bewältigung großer Weltprobleme, wie Umgang mit Macht, Umgang mit Unmenschlichkeit und Unterdrückung in und außerhalb der Kirche usw.; moralisches Versagen in der Kirche …) lassen an Sinn, Aufgabe und Profil der Kirche zweifeln. Daher stellt man immer wieder und immer drängender die Frage:

Problemfrage
Was lässt uns Christinnen und Christen und auch die Menschen außerhalb der Kirche an den Sinn von „Kirche“, „christlicher Gemeinde“ für unsere große und kleine Welt glauben?

Lösung
Der Evangelist Lukas und die Gemeinden, für die er geschrieben hat, mussten sich sehr intensiv mit diesem Problem auseinandersetzen. Die völlig anders denkende Umwelt mit ihren für viele sehr faszinierenden religiösen Sinnangeboten (man denke bloß an die großen Staatsfeste, wo die staatliche Macht Roms sich in großen Festen für die Götter, die mit günstigen Lebensmittelangeboten verbunden waren, präsentierte) aber auch die damit verbundenen Frustrationen (z.B. Aushöhlung der religiösen Symbole und der häufig damit verbundene moralische Verfall) waren eine Herausforderung für die „Jesus-Gemeinden“, sich ständig zu fragen: Welche Aufgabe haben wir „für“ diese unsere Welt? Welches ist unser Ort in dieser teilweise so anders denkenden und so anders handelnden Umwelt?
Da gibt der Evangelist Lukas mit der heutigen Lesung und den darin verwendeten Bildern – und mit ihm auch Matthäus mit den Worten, die er dem auferweckten Jesus als Testament an die Seinen in den Mund legt (Mt 28,16-20)  – seinen Gemeinden und auch uns zu bedenken: Jesus nachtrauern und untätig auf ein großes Geschenk des Himmels zu warten  gibt den Jesus-Gemeinden in unserer Welt kein Profil, das beachtet würde: „Stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? (Apg 1,6) „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Diese Fragen können aktualisiert werden: Warum ist heute alles anders? Man hört nicht mehr auf die Wortedes Papstes! Es bleibt nichts mehr als beten, beten…! Und schauen, dass man selber in dieser Welt nicht untergeht!...
Vielmehr gilt es aus dem Glauben an die in und durch uns wirkende Kraft Gottes die „Jesus-Geschichte“ in unserer und für unsere Welt neu gegenwärtig werden zu lassen:

  • durch ein Reden, das die rettende, befreiende, Mut machende, Hoffnung gebende Botschaft hörbar macht,
  • und durch ein Tun, das das befreiende, aufrichtende, den Gequälten Licht bringende Tun Jesu erfahrbar macht.

Wo Gemeinde Jesu auf diese Art und Weise in ihrer Umwelt wirkt, wird sie wahrgenommen und beachtet als Ort, wo der „Mensch“ zu sich selber findet in aller Entfremdung, die immer neu nach ihm ausgreift.

Lösungsverstärkung
Wie recht Lukas hat, wird deutlich an den Reaktionen, die die „Menschlichkeit“ von Papst Franziskus auf der ganzen Welt hervorruft.

Reinhard Demetz

1. Kurze Auslegung von Mk 16, 15-20

Das Markusevangelium trägt in seiner ursprünglichen Fassung einen eigentümlich offenen Schluss. Das furchtsame Schweigen der Frauen (Mk 16,8) ist das letzte Wort der ältesten Handschriften. Die Verse 9-20 wurden wahrscheinlich erst im 2. Jh. n. Chr. hinzugefügt – zu problematisch mag manchen Zeitgenossen das offene Ende des Evangeliums erschienen sein.
Das Textstück bietet nur lose Anklänge an den vorhergehenden Text, trägt aber deutliche Spuren der lukanischen (Himmelfahrt) und johanneischen (Ersterscheinung vor Maria Magdalena) Tradition auf. Es ist durchaus denkbar, dass das Stück als eigenständiges Traditionsstück dem Markusevangelium angefügt wurde.
Der Neueinsatz zwischen 16,8 und 16,9 ist deutlich. Während sich der chronologische Verlauf nahtlos fortführt, schwenkt der Text von den drei erschrockenen Frauen um auf Maria Magdalena, die dem Leser erneut vorgestellt wird als jene, aus der Jesus sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Das folgende Textstück, ist von einem deutlichen Rhythmus von Erscheinung, Zeugnis und Unglauben geprägt. Der Kreis der Adressaten erweitert sich dabei kontinuierlich: von der ersten Zeugin Maria, über die beiden Jünger, die aufs Land gehen wollten, bis hin zu den Elf.
Nimmt man hier noch die letzten Verse des ursprünglichem Markusevangeliums dazu, ergibt sich eine deutlicher Ablauf: in drei Anläufen wird die Auferstehungsbotschaft verkündet, um drei Mal auf ungläubige Ohren zu stoßen. Drei Mal tritt der Auferstandene in Erscheinung, um die Zweifelnden für sich als Glaubensboten in Dienst zu nehmen.
In diesem Rahmen ist nun unser Textstück einzuordnen, welches von der Sendung der Elf und der Aufnahme Jesu in den Himmel spricht. In der Auswahl der Verse 15-20 wurde der Unglaube der Jünger und der Tadel des Auferstandenen aus nicht ganz durchsichtigen Gründen ausgelassen. Dennoch bleibt auch innerhalb dieser Selektion die Absicht deutlich, die Sendung der Kirche in die Welt mit der Erhöhung Jesu zur Rechten Gottes in Verbindung zu bringen und von hier her zu motivieren. Der Verkündigungsauftrag an die ungläubigen Elf ist verbunden mit dem Versprechen von fünf Zeichen, welche die Zugehörigkeit der Getauften zum erhöhten Herrn manifestieren. Die Erhöhung Jesu zur Rechten Gottes und seine Wirksamkeit in den Getauften erscheinen als Zielpunkt des Ostergeschehens und letzte Motivation der christlichen Verkündigung.
Die Erhöhung Jesu zur Rechten Gottes korrespondiert dabei in doppelter Weise mit der Sendung der Jünger.  Der universalen Machtstellung Jesu, des Herrn, entspricht der universale Auftrag an die Kirche. Der Überwindung des Todes und dem neuen Leben Jesu bei Gott entspricht die Heilzusage in der Taufe, welche sich in fünf Zeichen darstellt, welche in je eigener Weise die Überwindung von Unheil und Sünde repräsentieren.

2. Zielsatz

Ich möchte die Gemeinde ermutigen, sich mit all ihrem Glaubenszweifel auf das Abenteuer des Glaubens einzulassen und offen zu sein für die Zeichen, welche die Gegenwart des Auferstandenen in der Welt beglaubigen.

3. Predigtgedanken

Motivation
Wenn ich ein Evangelium wie das heutige höre, dann schwanke ich oft zwischen Zweifel und Neid. Ich zweifle, ob ich es mir wirklich zumuten soll, all die Geschichten von Schlangenanfassen und Gifttrinken zu glauben. Und dennoch, warum bleibt mir ein Erleben der wundersamen Beglaubigung der Osterbotschaft verwehrt? Wir alle brauchen immer wieder Bestärkung in unserem Glauben, sind auf Zeichen der Gegenwart Christi angewiesen.

Problemfrage
Woher kann ich heute die Gewissheit beziehen, dass Christus auferstanden ist, zur Rechten Gottes erhoben worden ist und es sich deshalb lohnt, in meinem Leben alles auf ihn zu setzen?

Versuch und Irrtum
Ich kenne viele Menschen, die getauft sind, die mit ehrlicher Überzeugung an Jesus Christus glauben, und doch kenne ich keinen, der Dämonen austreibt und in Zungen redet, unbeschadet vergiftet werden kann und Krankheiten durch Handauflegung heilt. Soll ich das Evangelium beim Wort nehmen, muss mir dieses Versprechen als Humbug erscheinen.
Wenn ich aber genauer hinhöre und auch die Vorgeschichte des heutigen Textes mit bedenke, dann wird deutlich, dass er genau diese Situation des Glaubenszweifels im Blick hat und ansprechen will. Schon die Apostel taten sich schwer, den ersten Zeugen des Auferstandenen – Maria Magdalena und den Emmausjüngern – Glauben zu schenken. Durch die Begegnung mit dem Auferstandenen kommen auch sie zum Glauben und lassen sich als Boten Christi in Dienst nehmen.

Lösung
Das Evangelium will uns heute sagen: Auch wenn die Erscheinung des Auferstandenen nur wenigen Zeugen vorbehalten war, manifestiert sich die Lebensmacht Christi in den Zeichen, die das Leben der Glaubenden begleiten. Diese Zeichen ereignen sich dort, wo wir uns von Christus in Dienst nehmen lassen und die Frohbotschaft des neuen Lebens in der Liebe Gottes in die Welt hinaus tragen.

Lösungsverstärkung
Wenn es uns heute schwer fällt, an Dämonen oder an übernatürliche Wundergeschichten zu glauben, dann hat die Frohbotschaft der Himmelfahrt Christi einen nicht unbedeutenden Beitrag dazu geleistet. Einhellig verkünden die Texte des Neuen Testamentes die Auferstehung und Erhöhung Christi als Sieg über die dämonischen Mächte, als Entmachtung aller zwielichtigen Mächte, die unser Leben bedrücken und uns in Abhängigkeit halten wollen. Aus einer anderen Weltanschauung als der heutigen heraus will das heutige Evangelium eben dies zum Ausdruck bringen: Die Gegenwart Christi zeigt sich dort, wo unser Leben frei wird von Angst und Unverständnis, von Verzagtheit und Sünde.
Wenn wir nur den Blick ein wenig weiten, dann wird auch heute deutlich, wie sich der Sieg Christi über die dunklen Seiten unseres Lebens an jenen zeigt, die in ihrem Leben auf seine Liebe setzen. Wo der Geist der Hingabe über die Dämonen der Habgier siegt, wo die Sprache der Liebe die Sprachen der Selbstsucht ersetzt, wo das Serum der Freundlichkeit die Zwietracht entgiftet, wo mitfühlende Hände dem Kranken heilsamen Zuspruch spenden: Da ist Christus mitten unter uns.

Sonia Salamon

1. Kurze Auslegung von Lk 24,46-53

Dieser Abschnitt bildet den Abschluss des Lukasevangeliums. In den vorausgehenden Versen wird von der Begegnung des Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus erzählt sowie von der Erscheinung des Auferstandenen in Jerusalem. Die Verse des Evangeliums sind in diesem Kontext zu lesen.
Wie bereits in den vorhergehenden Abschnitten wird auch in den V 46-47 die Bedeutung der Schrift hervorgehoben. Dazu öffnet der Auferstandene seinen Jüngern nach V 45 den Verstand (wörtliche Übersetzung), um die Schrift zu verstehen, welche sich nun erfüllt hat. Im Licht der Auferstehung entwickeln die Jünger ein neues Verständnis für die Schrift. In den V 46 und 47 wird dann hervorgehoben, welches die grundlegenden Punkte der christlichen Verkündigung sind: das Leiden des Christus und seine Auferstehung von den Toten am dritten Tage. Diese Botschaft soll allen Völkern verkündet werden und ebenso, dass sie umkehren sollen, bzw. sie werden umkehren, wenn sie diese Botschaft hören und annehmen. Dieser Auftrag zur Verkündigung wird zur Aufgabe der Jünger Jesu. Sie sind die Zeugen und legen dementsprechend Zeugnis ab (vgl. V 48). Dafür wird ihnen der Beistand Gottes (der Heilige Geist) verheißen, da sie diese Aufgabe nicht aus eigener Kraft wahrnehmen können.
In den abschließenden V 50–53 wird erzählt, dass der Auferstandene in den Himmel erhoben wurde, allerdings wird der Vorgang der Himmelfahrt nicht näher beschrieben. Der Evangelist greift hier auf ein bekanntes Motiv (Himmelfahrt bzw. Entrückung) zurück (vgl. die Himmelfahrt des Elija in 2Kön 2,1-18 oder altrömische Herrscherbiographien – dort ist dieses Motiv ebenso zu finden). Damit versucht der Evangelist das in Worte zu fassen, was letztlich unfassbar bleibt: Er veranschaulicht die neutestamentliche Rede vom „Hingehen zum Vater“ mit Hilfe des Weltbildes seiner Zeit. Dieses Motiv der Himmelfahrt wird nämlich nur im lukanischem Werk aufgegriffen und zwar am Ende des Lukasevangeliums (mit christologischem Akzent) und am Beginn der Apostelgeschichte (mit ekklesiologischem Akzent).
In den V 50-53 kommt das Wort „segnen“ auffallend häufig vor: Jesus segnet seine Jünger (V 50 und 51), d. h. er spricht ihnen Gutes (von Gott) zu. Das, was die Jünger von Gott empfangen haben, geben sie ihm im Lobpreis zurück (V 53), wobei im Griechischen wiederum das Verb „segnen“ vorkommt.

2. Zielsatz

Die Pfarrgemeinde bedenkt, welche Bedeutung das Motiv Himmelfahrt für ihr eigenes Leben hat.

3. Predigtgedanken

Motivation
„Ich war im Himmel und habe Gott nicht gesehen. Es gibt also Gott nicht!“ Dieses Zitat stammt von Juri Gagarin, dem ersten Menschen im Weltraum. Er war sozusagen wie Jesus in den Himmel gefahren – nur hatte er ihn dort nicht getroffen bzw. gesehen.

Problemfragen
Wir werden also mit der Frage konfrontiert, welche Bedeutung der Himmel hat: Wie verstehen wir die Himmelfahrt Jesu?

Versuch und Irrtum
Es geht darum, dass wir unsere christlichen Sprachbilder in den Blick nehmen und dementsprechend verstehen lernen. Wenn vom „Himmel“ gesprochen wird, dann kann damit einmal der Himmel gemeint sein, den wir sehen, wenn wir nach oben schauen: in den blauen Himmel am Tag und in den dunkelblauen bzw. schwarzen Himmel in der Nacht. Im Englischen wird für diesen Himmel das Wort „sky“ verwendet.

Lösung
Daneben gibt es im Englischen noch ein zweites Wort für Himmel: „heaven“. Es ist der Ausdruck für jenen Himmel, der gemeint ist, wenn etwa „vom siebten Himmel gesprochen“ wird („Ich fühle mich wie im siebten Himmel“). Wenn hier vom Himmel gesprochen wird, dann ist damit ein Zustand bzw. eine Erfüllung gemeint. Dieser Zustand bzw. diese Erfüllung steht in Verbindung mit der Glückseligkeit, dem Gefühl des Angekommenseins, mit der Vollkommenheit bzw. mit dem Leben in Fülle. Für religiöse Menschen hat der Himmel in diesem Sinne die Bedeutung von „ganz bei Gott sein“.
Und genau dies versucht der Evangelist Lukas zum Ausdruck zu bringen, wenn er davon spricht, dass Jesus in den Himmel aufgefahren ist. Er versucht eine unsichtbare Erfahrung für seine Gemeinden sichtbar zu machen: Jesus ist bei Gott. Jesus ist auferstanden und er lebt nun ganz bei Gott - in Gemeinschaft mit Gott.
Jesus ist für uns unsichtbar geworden, aber er ist als der Auferstandene weiterhin erfahrbar. In diesem Sinne ist auch der Vers „Ihr seid meine Zeugen dafür“ von großer Bedeutung. Es kommt nun ganz auf seine Jünger an, ob und wie die Botschaft Jesu Christi weitergetragen wird, ob und wie der Auferstandene weiterhin erfahren werden kann. Und da sie diese Aufgabe nicht aus eigener Kraft wahrnehmen können, ist ihnen der Beistand Gottes, der Heilige Geist, versprochen. Von daher wird die Himmelfahrt auch nicht als Spektakel beschrieben, sondern sie wird mit dem Auftrag an seine Jünger verbunden. Wir könnten dies auch provokant formulieren: Schaut nicht in den Himmel, sondern tragt den Himmel zu den Menschen.

Siebter Sonntag der Osterzeit

In der Diözese Bozen-Brixen wird der Siebte Sonntag der Osterzeit durch das Hochfest Christi Himmelfahrt verdrängt.

Pfingsten

Reinhard Demetz

1. Kurze Auslegung von Joh 20,19-23 und Apg 2,1-11
Hinweis: Die beiden biblischen Lesungen können laut Lektionar in allen Lesejahren (A, B und C) vorgetragen werden.

Die Texte von Lesung und Evangelium sprechen nur scheinbar zwei verschiedene Ereignisse an. Wenn wir die oberflächlichen Details der Berichte außer Acht lassen, sprechen beide Texte davon, dass das Ostergeschehen dort ans Ziel kommt, wo die Kirche Kraft des Heiligen Geistes als Zeugin des Friedens Christi in die Welt gesandt ist.
Das Johannesevangelium arbeitet diesen Sachverhalt in wenigen Zeilen markant aus. Das Textstück ist zunächst von einem starken Kontrast zwischen der Angst und Bedrohung der Jünger und dem Friedensgruß Jesu geprägt. In Jesus Christus hat Gott die Macht von Sünde und Tod gebrochen: Wo Jesus von Gott her als der Lebende erscheint, da werden die Wundmale zu Zeichen seines Friedens. Die offene Seite Jesu weist auf Blut und Wasser hin, d. h. auf die Taufe, das Sakrament des Lebens in Christus. Hier liegt die sachliche Begründung der Sendung: Wie wir in der Auferstehung Christi vom Vater beschenkt sind, so sind wir in ihm vom Vater gesandt. Die Gabe des Hl. Geistes zielt auf diesen Sachverhalt ab. Inmitten einer unversöhnten Welt sollen die Jünger Christi das Geschenk des Friedens Christi vergegenwärtigen, denn wo die Jünger Christi das Friedensangebot Gottes nicht vergegenwärtigen, dort bleibt die Welt unversöhnt.
Auf eben diese Beauftragung der Christen im Hl. Geist zielt auch die Pfingsterzählung der Apostelgeschichte. Das Wirken des Geistes manifestiert sich in der Überwindung der babylonischen Sprachverwirrung. Die Kirche ist im Hl. Geist gesandt, die verstreuten Völker in der Gemeinschaft des Friedens Christi zu versammeln.

2. Zielsatz

Ich möchte der Gemeinde bewusst machen, dass die Kirche nur dort glaubwürdig ist, wo wir uns vom Heiligen Geist als Boten von Frieden und Versöhnung in die Welt senden lassen.

3. Predigtgedanken

Motivation
Wenn wir uns heute in unserem Land umschauen, dann werden wir uns oft schmerzhaft bewusst, dass es um den christlichen Glauben schlecht bestellt ist. Die zunehmende Leere der Kirchen spiegelt nichts anderes wider als eine zunehmende Leere des Glaubens, vor allem bei vielen jungen Menschen. Die Frohbotschaft des Evangeliums erreicht heute viele Menschen nicht mehr.

Problemfrage
Wie können wir hier und heute als authentische Zeugen Jesu Christi das Feuer des Glaubens neu entfachen?

Versuch und Irrtum
Friedrich Nietzsche, einer der schärfsten Kritiker des Christentums, schreibt in seinem Werk Also sprach Zarathustra (II, Von den Priestern): „Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne. Erlöster müssten mir seine Jünger aussehen.“
Damit legt Nietzsche auch heute noch den Finger in einen wunden Punkt unserer Gemeinden. Die Ansteckungskraft der Freude, des Friedens Christi scheint ein rares Gut geworden zu sein. Für viele Menschen scheint die Sprache des Glaubens ihre Überzeugungskraft verloren zu haben.
Darum ist es einerseits wichtig und gut, dass sich immer mehr Menschen für eine neue und zeitgemäßere Gestaltung unserer Gottesdienste, der Katechese und des Gemeindelebens einsetzen. Wir alle schulden diesen Menschen unendlichen Dank. Andererseits müssen wir uns aber auch bewusst sein, dass jene Erneuerung der Kirche, die der Heilige Geist heute in uns bewirken will, keine Sache der Ausdrucksformen, sondern der Substanz ist. Wenn wir uns nicht selbst vom Geist Christi erneuern lassen, dann helfen keine neuen Lieder, keine moderne Katechese, keine noch so gute Organisation.

Lösung
Wir können nur dann glaubwürdige Zeugen der Auferstehung Christi sein, wenn wir die Substanz dieses Ereignisses, die Freude, den Frieden und die Versöhnung in der Welt vergegenwärtigen.

Lösungsverstärkung
Der Evangelist Johannes erzählt uns heute, wie der Auferstandene mitten in eine Gemeinde tritt, die aus Trauer und Angst ihre Türen geschlossen hält. Sein Friedensgruß öffnet die verschlossenen Tore der Kirche und sendet sie als Freudenbotin der Vergebung in die Welt. Wo die ansteckende Freude der Auferstehung in einer versöhnten Gemeinschaft spürbar wird, dort klingen unsere Lieder anders, dort wirkt unser Zeugnis ansteckend, dort wird unsere Kirche attraktiv. Wo uns die Freude zu Boten Gottes macht, dort wirkt der Geist Christi in der Welt.

In diesem Sinn ist auch das schwierige Wort zu verstehen, das wir am Ende des Evangeliums gehört haben: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“ Christus gibt uns hier keinen Auftrag zu einer selektiven Vergebung oder gar eine Ermutigung, bestimmten Menschen Vergebung zu verweigern. Im Gegenteil, er will uns ermahnen: Nur dort, wo wir als Boten des Friedens Christi Vergebung schenken, wird der Neuanfang des Lebens greifbar und unser Glaube glaubwürdig. Dort wo wir unseren Alltag, unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, unsere Familien und Arbeitsplätze von der Lebensfreude des Auferstandenen erfüllt sein lassen, dort beginnt ein neues Kapitel der Geschichte, dort ist neuer, glaubwürdiger Anfang geschenkt.

Sonia Salamon

1. Kurze Auslegung von Joh 14, 15-16.23b-26 (Auswahl-Evangelium Lesejahr C)

Dieser Evangeliumausschnitt stammt aus den Abschiedsreden des Johannesevangeliums und überschneidet sich zum Teil mit dem Evangelium des sechsten Sonntages der Osterzeit (beachte die Auslegung dort bzw. die Auslegung zum fünften Sonntag der Osterzeit bzgl. Abschiedsreden Jesu).
Die Verse des Evangeliums wechseln zwischen Aussagen über die notwendige Liebe der Jünger Jesu (vgl. V 15.23-24) und den Verheißungen Jesu an seine Jünger (vgl. V 16.23 bzw. auch die V 18-20, welche nicht Teil dieses Evangeliumausschnittes sind).
Zur Liebe der Jünger: In den vorangehenden Kapiteln des Johannesevangeliums wurde die Liebe Jesu zu seinen Jüngern in den Blick genommen (vgl. 11,5; 13,1; 13,23), nun wird die Liebe der Jünger zu Jesus thematisiert. Diese Liebe wird sichtbar, wenn die Jünger sich an die Gebote Jesu halten (V 15) und am Wort Jesu festhalten (V 23). Somit wird hier eine entsprechende Lebenshaltung der Jünger bzw. der johanneischen Gemeinde gefordert. Dort, wo diese gelebt wird, kann Gott ankommen und wohnen (V 23).
Zu den Verheißungen: Der Abschnitt Joh 14,15-26 thematisiert mehrere Verheißungen, allerdings greift der Evangeliumausschnitt dieses Sonntages vorwiegend nur jene Verse auf, welche sich auf die Verheißung des Beistandes beziehen. Der Ausdruck Beistand (griech. parakletos – dieser Begriff kommt nur im Johannesevangelium vor) stammt aus der Rechtssphäre und entspricht dem lateinischen advocatus - Advokat („Herbeigerufener“).
Im Evangelium nach Johannes wird zunächst Jesus als Beistand vorausgesetzt, dann aber auch der Geist, der an die Stelle Jesu tritt (vgl. V 16: „einen anderen Beistand“). Der Heilige Geist befähigt die Jünger, das was Jesus gesagt hat, zu verstehen und zu erinnern. In diesem Sinne vergegenwärtigen sie den Auferstandenen selbst und werden zu einem wichtigen Erfahrungsort Gottes.
Somit ermutigt diese Rede die johanneische Gemeinde, welche sich ohne die sichtbare Gegenwart Jesu verlassen fühlt, und bestärkt sie in ihrem Glaubenszeugnis, wodurch der Auferstandene erfahrbar wird.

2. Zielsatz

Der christlichen Gemeinde soll bewusst werden, dass sie ein wichtiger Erfahrungsort Gottes ist.

3. Predigtgedanken

Motivation
Es ist nicht leicht, einen geliebten Menschen zu verlieren. Es entsteht eine Lücke, die nicht einfach gefüllt werden kann. In Zeiten der Trauer helfen oft Erinnerungen: Worte, die der Vermisste gesprochen hat; Orte, wo wir gemeinsam waren, oder auch unterschiedliche persönliche Gegenstände. Besonders wertvoll können dabei Erlebnisse sein, welche im Sinne der Vermissten geschehen. Dann kann es sein, dass wir uns ihr bzw. ihm ganz nahe fühlen.
Die Worte des heutigen Evangeliums sind an eine christliche Gemeinschaft gerichtet, die verunsichert ist, weil Jesus nicht mehr bei ihnen ist, und diese Lücke zu einer existentiellen Herausforderung wurde. Inzwischen sind auch Jahrzehnte vergangen und der Abstand zum gelebten und erlebten Jesus von Nazareth wird größer.

Problemfragen

Diese christliche Gemeinschaft steht vor der Herausforderung: Wie soll es weitergehen? Wie können wir auf Jesus bauen, der nicht mehr in unserer Mitte ist bzw. den wir selbst nicht mehr erlebt haben? Fragen, die im Grunde auch uns heute herausfordern.

Lösung
Das heutige Evangelium versucht eine Antwort zu geben. Es spricht zunächst die Liebe zu Jesus an. Dabei ist nicht nur eine emotionale Empfindung oder Verbundenheit gemeint, sondern eine Liebe, die auch eine Auswirkung auf das eigene Leben hat. Diese Liebe zeigt sich in der Art und Weise, wie das eigene Leben gestaltet wird: „Wenn ihr mich liebt, dann werdet ihr meine Gebote halten“ heißt, dass sich im konkreten Leben zeigt, ob diese christliche Gemeinde in der Nachfolge Jesu steht und ein wichtiger Erinnerungsort der Worte Jesu ist. Dabei geht es nicht um eine Erinnerung im Sinne von „Gedächtnisauffrischung“, sondern es geht darum, die Botschaft Jesu „lebendig zu halten“, zu „vergegenwärtigen“ und dadurch selbst ein Erfahrungsort Gottes zu sein. Im Evangelium heißt es daher auch „Gott wird bei ihm wohnen“.
So wie Jesus der Erfahrungsort Gottes für seine Jüngerinnen und Jünger war, so wird nun die christliche Gemeinde zum Erfahrungsortes Jesu Christi, d. h. zum Erfahrungsort Gottes. Und für diese wertvolle und herausfordernde Aufgabe wird der Gemeinde der Beistand zugesichert: Es ist nicht mehr der sichtbare Jesus, der ihnen beisteht und Mut macht. Es ist der Heilige Geist, die Kraft und Liebe Gottes, die hilft, die Erinnerung an Jesus Christus wach zu halten und seine Botschaft bzw. ihn selbst zu vergegenwärtigen; es ist dieser Geist, der dazu bewegt, diese Botschaft weiterzutragen, sodass die Zuwendung Gottes auch für andere erfahrbar und erlebbar wird. Dass diese Botschaft in die ganze Welt hinausgetragen werden soll und auch hinausgetragen wurde, daran erinnert uns die Lesung aus der Apostelgeschichte, wenn diese vielen – für uns zum Teil unbekannten – Völker aufgezählt werden. Und dass diese Botschaft weitergetragen wurde, können wir heute und hier bestätigen: Viele Kilometer von Jerusalem entfernt und viele Jahrhunderte von den Lebzeiten Jesu entfernt, werden auch hier und heute Menschen von Jesus Christus begeistert und erfahren die Zuwendung Gottes. Durch wen? Durch Menschen, die diese Botschaft weitertragen, die Jesus Christus lieben und versuchen ihr Leben danach zu gestalten. Menschen wie wir, die heute diese Zuwendung Gottes feiern – verbunden durch die Kraft des Heiligen Geistes, der uns erleben lässt, dass Jesus Christus mitten unter uns ist – auch wenn er nicht sichtbar unter uns ist, aber durch uns wird er sichtbar – für andere.