Gottfried Ugolini
1. Kurze Auslegung von Joh 20,1-8 (18)
In vielfältiger Weise berichten die synoptischen Evangelien und das Johannesevangelium die Osterfahrung zur Sprache. In der vorliegenden Ostergeschichte (Joh 20) werden verschiedene Motive werden ineinander verwoben, um die Glaubenserfahrung zum Ausdruck zu bringen, dass der Gekreuzigte im Auferstandenen begegnet wird. Wie erfolgt diese Glaubenserfahrung, wenn die Augenzeugen verstorben sind? Johannes lässt die wichtigsten Zeugen der Auferstehung auf der Bühne seiner Glaubensvermittlung auftreten: Maria von Magdala, Petrus und den Lieblingsjünger. Sie haben den Charakter von Identifikationsfiguren, die einladen mit ihnen den Weg zur Ostererfahrung zu gehen.
2. Zielsatz
Ich möchte die Mitfeiernden ermutigen, sich auf die Begegnung mit dem Auferstandenen einzulassen und sich von ihm bewegen und begeistern zu lassen. Die Erfahrung vom leeren Grab setzt eine Initialzündung frei, darüber hinaus zu suchen, zu fragen und zu (er-)ahnen. Ein österlicher Glaubebleibt nicht bei leeren Gräbern stehen, sondern macht sich auf dem Weg, konfrontiert sich mit anderen, erkundet und erzählt entsprechend dem diözesanen Jahresthema: „Wir glauben: darum reden wir!“
3. Predigtgedanken
Motivation
Der Osterglaube gehört vom Anfang an zum Evangelium. Tod und Begräbnis Jesu bilden nicht den Schluss der Jesus-Überlieferung. Jesu wird in neuer Lebendigkeit erfahren: Gott hat in und an ihn gehandelt. Das führt zu einem neuen Verhältnis zu Jesu nach seinem Tod: der Gekreuzigte wird zum Auferstandenen. Seine lebendige und wirksame Gegenwart werden zur Schlüsselerfahrung in der Begegnung mit ihm. So kommt es zu einer neuen, österlichen Bewegung des „Weges Jesu“. Es geht darum, sich auf Jesus, den Herrn, einzulassen und sich von ihm bewegen zu lassen. Im 20. Kapitel des Johannes-Evangeliums wird diese Dynamik deutlich, in die der einzelnen und die Gemeinde immer wieder hineingenommen wird, um im Glauben österlicher zu werden.
Problemfrage
Zum Leben gehören Tod und Enttäuschungen genauso wie Träume und Hoffnungen. Wir erleben diese Spannungen auf der persönlichen Ebene genauso wie im kirchlichen und gesellschaftlichen Leben. Wie gehen wir in österliche Perspektive mit Grenzerfahrungen, Krisen, Scheitern, Tod usw. um?
Versuch und Irrtum
Manchmal geht es uns wie Maria von Magdala und den Jüngern: wir erleiden einen Verlust, wir sind traurig und dann kommt noch eins drauf. Das schlägt dem Fass noch den Boden heraus. Wir sind fassungslos und alles um uns herum wird leer. Am liebsten würden wir alles aufgeben, wenn da nicht noch … Ja, wenn da nicht noch ein letzter Funke Hoffnung im Aufschrei mitklingt: „Das darf doch nicht wahr sein!“ Und trotz allem lähmenden Schock das Bedürfnis sich aufdrängt, mit jemand Vertrauten das Unglaubliche zu teilen. Maria von Magdala läuft bestürzt weg zu den Jüngern und klagt ihnen vorwurfsvoll: „Man hat den Herrn aus dem Grab genommen!“ Dadurch kommt eine Dynamik ins Geschehen, die sogar Festgefahrenes neu zu bewegen und neues Licht auf das Dunkle zu werfen vermag.
Lösungsangebot
Am ersten Tag der Woche geht eine Frau, frühmorgens als es noch dunkel war, zum Grab. Das ist eine Zumutung: noch ist die Nacht dunkel und sie ist allein. So geht es jedem, der mit Tod, Leid oder Scheitern konfrontiert ist. Immer wieder kehrt man zurück, an dem Punkt, wo alles aufgehört hat. Wir wollen uns vergewissern ob nicht doch alles nur ein Traum war. So eingekreist ich auch in meinen Gedanken bin, bleibe ich wach und nehme jede kleinste Veränderung wahr. Maria von Magdala merkt, der Stein vom Grab ist weggenommen. Was trotz aller Fassungslosigkeit und Trauer kurz vorher noch Sicherheit zu geben schien, weicht nur der Angst, dass auch diese verloren ist. In solchen Situationen brauchen und suchen wir nach Mitmenschen, denen wir uns anvertrauen können. Hier sind Menschen gefragt, die mir Glauben schenken und sich mit mir auf dem Weg machen. Mich fasziniert diese Stelle, an der die beiden Jünger laufen, ja geradezu wettlaufen. Ich wünschte mir, dass in unseren Pfarrgemeinden, in unserer Kirche – wie damals – Jünger, Vertraute, Verantwortliche sich auf die Beine machen, wenn jemand auf etwas aufmerksam macht. Dieses vertrauensvolle Ernstnehmen und diese offene sich einlassen auf die Aussage, der unter Schock stehenden Frau, ist ein entscheidender Schritt, wenn es darum geht, Leid zu bewältigen. Eine Art Notfallseelsorge kommt hier ins Spiel.
Lösungsverstärkung
Bedeutungsvoll wird hervorgehoben in der österlichen Geschichte, dass der Jünger, den Jesus liebte, schneller zum Grab kam, als Petrus. Für mich symbolisieren sie zwei Grundhaltungen des Christen: jene der Verantwortung und jene der Liebe. Beide gehören aufs Engste zusammen. Verantwortung ohne Liebe riskiert zur Macht zu verkommen. Liebe ohne Verantwortung ist in Gefahr, macht- bzw. wirkungslos zu werden. Kommt die Liebe zuerst an, braucht sie die Verantwortung, um das Ganze zu ordnen. Die Verantwortung bedarf der Liebe, um das Ganze neu zu sehen und zu verstehen. Die gegenwärtigen Spannungen in der Kirche brauchen den Wettlauf und das Zusammenwirken beider. Ansonsten bleiben wir bei einem unseligen Machtkampf oder bei einer leblosen Auseinandersetzung. Die Ostergeschichte aus dem Johannes-Evangelium zeigt der Gemeinde damals und uns heute Schritte zur Bewältigung von Grenz-, Leid- und Krisensituationen auf. Die österliche Perspektive ist dabei ausschlaggeben: Erstens, dürfen wir unser Leiden, unsere Trauer zulassen und ausdrücken – Maria von Magdala geht allein am Sonntag früh als es noch dunkel war zum Grab. Zweitens, die Auseinandersetzung, die Beschäftigung mit dem leidvollen Ereignis, erhöht unsere Aufmerksamkeit, um Veränderungen wahrzunehmen, selbst wenn wir sie noch nicht verstehen – Maria von Magdala sieht, das der Stein vom Grab weggenommen war. Drittens, wir brauchen Menschen, denen wir uns anvertrauen und mit deren Unterstützung wir rechnen können – Maria von Magdala läuft zu den Jüngern, um ihnen zu berichten, was sie gesehen hatte. Viertens, gut tut, wenn wir merken, dass Menschen in ihrer Verantwortung und Liebe sich mit uns auf dem Weg machen. Die Jünger nehmen Maria von Magdala ernst und gehen ihrer Vermutung nach. Fünftens, wer sich um das Leid anderer kümmert, muss sich bücken und schauen, der muss sich hineinwagen, um zu sehen und zu erkennen – Petrus und der andere Jünger überzeugen sich selbst, sie sehen und glauben. Dabei hat jeder seinen eigenen Rhythmus. Danach kehren sie nach Hause zurück. Maria von Magdala bleibt draußen vor dem Grab.
Schluss
Die Ostergeschichte geht weiter: Maria von Magdala begegnet und erkennt Jesus, der sie den Jüngern verkünden heißt, dass er zu seinem und unserem Vater hinaufgeht. Ostern zeigt uns den Gott des Lebens über jeden Tod hinaus. Das gibt mir, das gibt Christen Hoffnung und Mut, sich Krisen, Leiden, Tod, Scheitern und Schuld zu stellen und zu bewältigen – dem Leben zu trauen, weil Gott es mit uns lebt.
Österlicher Glaube bleibt also nicht am leeren Grab stehen. Österlicher Glaube kennt das Grab, wie er den Karfreitag kennt. Österlicher Glaube wendet sich aber vom Grab zur Welt hin. Das ist die entscheidende Wende, die not-wendige Blickrichtung, um den Gekreuzigten als Auferstandenen zu begegnen, den Gott zum Leben erweckt hat. Österlicher Glaube bringt eine Dynamik in Gang, die zu eigenen österlichen Lebens- und Glaubenserfahrungen führt. Österlicher Glaube ist wie die vom Seiltänzer gehaltene Balancestange zwischen Verantwortung und Liebe, damit sich das Leben der Kirche sich selber davon bewegen und erneuern lässt.
Gottfried Ugolini
1. Kurze Auslegung
Erste Lesung: Apg 10,34a. 37-43 – Wir erzählen immer wieder neu, von dem was uns zutiefst erregt, berührt und bewegt. Dieser Abschnitt aus der Apostelgeschichte schildert wie Petrus von der Auferweckung Jesus erzählt. Er knüpft dort an, wo die Geschichte um Jesu für die Menschen mit seinem Tod endet. Er eröffnet ihnen eine neue Sichtweise durch die österliche Glaubenserfahrung: Gott hat Jesus auferweckt. In den direkt erfahrenen Begegnungen mit ihm erwachsen ein neues Verstehen und eine neue Einsicht in die Geschichte Gottes mit den Menschen. Petrus tut dies nicht aus sich aus, sondern er versteht sich als eingesetzter Zeuge, um andere zu dieser Erfahrung anzustecken. Wie bringen wir unseren österlichen Glauben auf den Punkt und wie verstehen wir unsere Berufung, österliche Zeugen im Alltag und in der Welt zu sein?
Zweite Lesung: Kol 3,1-4 – Zu den menschlichen Grundfragen gehört die Frage: Wer bin ich? Diese gilt auch für uns als Christen. Es ist Immer wieder notwendig, dass wir uns unserer christlichen Identität vergewissern, um diese neu von Ostern her zu hinterfragen und zu beleben. Wer mit Jesus Christus verbunden ist, ist mit ihm auferweckt. Der österliche Glauben richtet sich nach dem Himmel aus, dem Dasein Gottes mitten unter uns. Gott erweist sich in Jesus Christus als der, der Leben erschafft, zum Leben erweckt und zum Leben in ihm einlädt. Wie zeigt sich in meinem Leben die österliche Freude und Kraft? Wie wirkt sich meine christliche Identität als österlicher Mensch im Umgang mit der Welt aus?
Evangelium: Joh 20,1-18 – Dabei sein ist alles – heißt es nicht nur im Sport. In den Ostererzählungen geht es um mehr. Über das Mit-dabei-Sein, über das Zuschauen und Miterleben hinaus, steht in den Ostererzählungen die alles verändernde Begegnung mit dem Auferstandenen im Mittelpunkt. Die Szenen die Ostererzählung erzeugen eine sich steigernde Spannung: Maria von Magdala kommt allein ans Grab, sieht, dass es offen ist und lief zu den Jüngern, diese darüber zu informieren. Zwei von den Jüngern laufen zum Grab und kommen zeitlich ungleich an. Der Erste geht nicht hinein. Der Zweite geht hinein. Dann geht auch der Erste hinein. Von ihm heißt es: „Er sah und glaubte!“ Beide kehren sie zurück. Nur die Frau bleibt (!). Sie begegnet dem Auferstandenen. Er spricht davon, dass er zum Vater, zu seinem und ihrem Gott, hinaufgeht (2x). In seinem Auftrag kehrt sie zu den Jüngern zurück und erzählt ihnen, was er ihr gesagt hat. Wie sieht es mit meinen österlichen Bewegungen aus? Wo bin ich gerade unterwegs? Zu welchen österlichen Bewegungen
2. Zielsatz
Die Zuhörerinnen und Zuhörer lernen anhand der Ostererzählungen wesentliche Merkmale für den persönlichen und gemeindlichen Glaubensweg zu erkennen.
3. Predigtgedanken
Motivation
Die Frage nach dem Wesentlichen des christlichen Glaubens stellt sich immer wieder neu. Sie erweist sich als bleibende kritische Herausforderung und als notwendige Auseinandersetzung. Das gilt für den einzelnen wie für die christliche Gemeinde und für die Kirche als Ganze. Ostern bezeichnet das neu-schaffende und heilvolle Handeln Gottes: Gott erweckt Jesus aus dem Tod zum Leben. Das österliche Glaubensbekenntnis besagt: der am Kreuz getötete Jesus ist auferstanden. Damit wird schon angedeutet: christlicher Glaube gründet in Ostern. Damit wird deutlich, der österliche Glaube ist ein lebendiger und zielgerichteter Glauben. Er setzt im konkreten Leben an und vollendet sich im Tod bzw. in der Auferstehung. Österlicher Glaube steckt an, erweckt zum Leben und schafft Neues: er lädt ein, sich auf das Ostergeschehen (neu) einzulassen.
Problemfrage
Wie geht das, österlich glauben?
Versuch und Irrtum
Ostern die Grunderfahrung, von dem der christliche Glaube ausgeht und zu einem österlichen Glauben bewegt. Dennoch wird der vermittelte, gefeierte und erlebte Glaube oft als lebensfremd und menschenfeindlich wahrgenommen oder empfunden. Ostern ist dann weit weg von meiner persönlichen Geschichte, von den Krisen und Konflikten im Leben und von den Leiden und vom Aufschrei der Menschen gegenüber Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Unfrieden und vielfältiger Not in aller Welt. Auferweckung zum Leben ist angesagt. Doch jede/r scheint mit sich oder mit etwas anderem beschäftigt, das wichtiger, befriedigender oder gewinnträchtiger ist. Ostern bleibt dann realitätsfern und wird aus dem Angebot ausgespart.
Lösungsangebot
Ganz anders die Ostererzählungen. Sie setzen bei den Menschen und im konkreten Leben an. In seiner Osterverkündigung knüpft Petrus bei der Erinnerung der Menschen an den Tod Jesu an. Die Ostererzählungen im Johannesevangelium beginnen damit, dass Maria von Magdala zum Grab Jesu geht. Die Jünger hatten sich in Angst eingeschlossen. Aufgeschreckt durch die Nachricht der Maria von Magdala, dass der Stein vor dem Grab weggewälzt ist, starten sie einen Wettlauf dorthin, um sich selbst davon zu überzeugen.
Zu den wesentlichen Merkmalen des österlichen Glaubens gehört das Gehen. Maria von Magdala geht zum Grab, sie läuft zu den Jüngern, die Jünger gehen hin zum Grab, sie laufen – einer schneller als der andere. Alle kommen sie ans Grab: Maria blieb kurz stehen und lief zu den Jüngern. Der Jünger, der zuerst ankommt, bleibt stehen und wagt sich nicht hinein. Der zweite Jünger kommt nach und geht hinein. Dann geht auch der andere Jünger hinein. Von ihm heißt es: Er sah und glaubte.
Wir kennen solche Geh-Geschichten aus unserem Alltag. Zum Beispiel, wir gehen gezielt auf etwas zu und plötzlich stehen wir vor einer Veränderung: wie gehen wir damit um? Wenden wir uns enttäuscht ab? Das würden wir nur dann tun, wenn uns der Inhalt, das Anliegen, der Mensch usw. nicht wichtig ist. Andernfalls tun wir was: wir teilen unsere Beobachtung Menschen, die mitbetroffen sind, mit. Wir holen uns von ihnen Unterstützung und Verstärkung. Unsere Aufmerksamkeit ist gefragt sowie unsere Bereitschaft, anderen unserer Beobachtung mitzuteilen und sie zum Handeln zu bewegen.
Umgekehrt ist genauso die Fähigkeit gefragt, sich ansprechen und bewegen zu lassen, wenn etwas nicht in Ordnung ist, wenn Veränderungen wahrgenommen werden. Je mehr wir uns miteinander verbunden wissen, umso motivierter sind wir, uns auf die Nachricht einzulassen und uns selbst vom Mitgeteilten zu überzeugen – und seines in einem Wettlauf. Doch dann bedarf es des Mutes, sich die Veränderung genauer anzusehen, ja diese zu inspizieren. Man darf sich ruhig gegenseitig dabei stützen und stützen lassen. Zum Beispiel in den eigenen Lebens- oder Glaubenskrisen oder in jenen, der eigenen Lebenspartner, Kinder, der Freunde und anderer Menschen, die mir nahe stehen. Sowie in den Veränderungen und Herausforderungen im Pfarrgemeindeleben.
Diese Aufbruchsmotive zum Gehen, Ankommen, Hingehen und Hineingehen sowie Wahrnehmen der Veränderungen kennzeichnen die bleibende Dynamik des österlichen Glaubens und zeigen uns wie österliches Glauben geht. Die Ostererzählungen bieten uns Modelle an, österliche Erfahrungen zu machen und österlich zu glauben.
Lösungsverstärkung
Wir dürfen dabei jedoch nicht beim Äußerlichen stehen bleiben. Österlicher Glaube führt zur Beziehung zum Auferstandenen. Vom Jünger, der als zweiter am Grab angekommen war, hieß es: Er sah und glaubte. Damit ist eine innere Erfahrung angesprochen. Ihm ist sozusagen innerlich ein Licht aufgegangen: Jesus lebt. Im Moment bleibt ihm diese Einsicht noch verschlossen.
Neben dem Modell der beiden Jünger, bietet uns das Johannes-Evangelium auch das Modell des österlichen Glaubens von Maria von Magdala an. Sie bleibt am Grab. In ihrer Trauer und Aufregung durch das offene Grab bleibt sie Jesus innerlich verbunden. Sie sucht ihn. Sie fragt nach ihm. Sie vertraut sich dem Engel an und lässt sich auf ein Gespräch mit Jesus ein, den sie zunächst für den Gärtner hält. Erst als sie ihn ihren Namen aussprechen hört, wendet sich sie ihm zu und erkennt ihn. Dann gibt auch er sich zu erkennen und sein Hinaufgehen zum seinem und unserem Vater. Damit wird das österliche Glaubensmotiv gestärkt: sich auf die Begegnung mit dem Auferstandenen einzulassen und in sein Hinaufgehen zum Vater mitzugehen.
Österlicher Glaube ist im Leben geerdet und auf Gott hin ausgerichtet. Österliche Glaube nimmt das Leben tod-ernst und vertraut auf Gottes schöpferischem Heilshandeln. Daraus ergibt sich eine befreiende Hoffnung, die auf die Treue Gottes setzt, der Jesu auferweckt hat.
Schluss
Österliche Christen erkennt man daran, dass sie sich bewegen lassen. Ich möchte die Geh-Freudigkeit als ein wesentliches Merkmal der österlichen Christen im Blick auf die Ostererzählungen hervorheben. Gehen wir hin im Vertrauen unseren Dienst zu tun – sei es auch der letzte an einen Menschen, wie Maria von Magdala. Nehmen wir wie Maria von Magdala wahr, dass das Grab offen ist. Teilen wir mit unseren Mitchristen, was wir beobachten und was uns befremdet – wie Maria von Magdala. Damit hat sie die Jünger aus ihrer Angst zum Leben erweckt. Lassen wir uns bewegen – wie die Jünger, und laufen wir zum Ort des Geschehens. Gehen wir hinein in die veränderte Wirklichkeit und lassen wir uns davon berühren – wie der Jünger, der sah und glaubte. Bleiben wir wie Maria von Magdala am offenen Grab, um ihn zu suchen und zu sehen. Hören wir auf unseren Namen, mit dem er uns ruft und lassen wir uns senden als Osterzeugen – wie Maria von Magdala.
P. Urban Stillhard OSB
1. Kurze Auslegung zu Joh 20,1-9
In dieser Perikope sind zwei Berichte miteinander verbunden: Der Bericht vom Gang der Maria von Magdala ans Grab Jesu, ihrem Schrecken über das offene und leere Grab und ihre sofortige Rückkehr zu Petrus und Johannes mit der überraschenden Botschaft; und der Bericht über das, was die Kunde der Maria bei den beiden Aposteln auslöst: Sie laufen sofort zum Grab, allerdings mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und unterschiedlicher Reaktion: Petrus sieht nur, kann sich aber noch keinen Reim auf das Geschehene machen, Johannes hingegen „sah und glaubte“.
In einigen Details unterscheidet sich der johanneische Text von den Auferstehungsberichten der Synoptiker, in der Formulierung aber zeigt sich eine weitgehende Übereinstimmung – ein Zeichen dafür, dass der spätere Johannestext bereits vorhandene frühere Bekenntnisformeln übernimmt.
Die folgende Homilie orientiert sich nur am ersten Bericht und dessen Kernsatz, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
2. Zielsatz
Die Botschaft, dass der Stein vom Grab Jesu weggenommen und das Grab leer ist, soll die Mitfeiernden ermutigen, mit Hilfe des Auferstandenen an der Beseitigung von „Steinen“ vor den eigenen „Gräbern“ zu arbeiten.
3. Predigtgedanken
Motivation
Der Evangelist Markuserzählt, dass mit Maria von Magdala noch zwei andere Frauen mit wohlriechenden Salben zum Grab Jesu gingen, um Jesus einen letzten Liebesdienst zu erweisen. Dabei beschäftigte sie die Frage, wer ihnen wohl den schweren Stein vom Grabeseingang wegwälzen würde. Laut Markus stellten sie dann alle drei fest, was von Maria von Magdala im heutigen Evangelium gesagt wird: Dass der Stein bereits vom Grab weggenommen war.
Problemabgrenzung
Die Rede vom Stein, der vom Eingang des Grabes Jesu weggenommen war, ist seit jeher auch Anlass gewesen, Steine als Grabwächter oder Lebenshindernisse im übertragenen Sinn zu deuten und damit die Frage zu verbinden: Kann die Botschaft vom weggewälzten Stein vor dem Grab Jesu eine Hilfe zur Beseitigung von „Steinen“ hin zur Öffnung für neues Leben für mich sein?
Versuch und Irrtum
Das offensichtliche Erschreckender Maria von Magdala – sie sieht nur, dass der Stein vor dem Grab weg ist und rennt gleich zu den Aposteln zurück – lässt noch keinen Gedanken an eine Auferstehung Jesu erkennen. Eher mag wohl der Gedanke da gewesen sein: Jetzt ist endgültig Schluss, sogar der Leichnam ist weg Wir würden heute sagen: Trauerarbeit ist fällig mit dem Ziel neuer Arbeits- und Gesellschaftsfähigkeit. So kann der Stein zum Symbol enttäuschter Hoffnungen werden (denken wir an Judas oder an die Emmausjünger), aber auch zum Symbol wiederhergestellter äußerer Ordnung (für. Pilatus) oder bestätigter Gesetze und Überzeugungen (für die Hohepriester, Schriftgelehrte und Pharisäer). Enttäuschte Hoffnungen, unerreichte Ziele, unerfüllte Wünsche, begrabene Freundschaften, gescheiterte Beziehungen, ausgeschaltete Konkurrenten, „erledigte“ Mitmenschen: Solche „Steine“ gibt es immer wieder im menschlichen Leben, und wir kennen auch die möglichen Auswirkungen: Resignation, Starrheit, Verbitterung, Härte gegen sich und andere, Pessimismus.
Problemlösung
Von Maria von Magdala und Petrus heißt es im heutigen Evangelium, sie hätten nur gesehen und noch nicht verstanden. Von Johannes hingegen wird gesagt: „Er sah und glaubte.“ Später ist bei Johannes von Maria und Petrus nochmals die Rede, und da werden beide verstehen und glauben: Maria bei der Begegnung im Garten, Petrus bei der dreimaligen Frage Jesu: „Liebst du mich?“ In der Begegnung mit dem Auferstandenen wird der Stein der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung weggenommen, weil das nicht zu hoffen – ja, nicht einmal zu denken! – Gewagte eingetreten ist: Er lebt. Dafür gibt es keinen naturwissenschaftlichen Beweis, aber es gibt das schriftlich und mündlich weiter gegebene Zeugnis der Jüngerinnen und Jünger und die Wirkungsgeschichte der Botschaft durch zwei Jahrtausende. Für mich heißt das: Es wird zwar auch in Zukunft Steine auf meinem Weg geben, aber der vor dem „Grab“der Angst vor dem Nichts nach dem Tod ist weg. Wenn ich offen bin und bleibe für die Begegnung mit Ihm im Wort, im Brotbrechen, in der gemeinsamen Feier, in der zwischenmenschlichen Begegnung, dann kann ich Ihn in meinem Leben als dasLeben erfahren – trotz aller Steine, ja mit den Steinen und aus ihnen.
Lösungsverstärkung
In früheren Jahrhunderten hat es den Brauch des Ostergelächters gegeben. Der Priester, der dem Ostergottesdienst vorstand, hat etwas gesagt oder getan, was die Leute zum Lachen brachte, und zwar nicht um des Lachens willen, sondern, um Tod und Teufel auszulachen, die durch die Auferstehung Christi grundsätzlich entmachtet sind. An diesen Brauch möchte ich abschließend mit einem Witz anknüpfen:Ein jüdischer Vater klagte Gott sein Leid:„Mein Sohn ist Christ geworden.“ Gott antwortet ihm darauf: „Auch mein Sohn ist Christ geworden.“ „Und – was soll ich machen?“, fragt der jüdische Vater. Gottes Antwort: „Hmm – ich weiß nicht, was du machen willst. Ich hab jedenfalls ein neues Testament gemacht.“ Es ist klar, dass der Witz aus der Doppelbedeutung des Begriffs „Neues Testament“ entsteht. Das befreiende Osterlachen aber hat seinen Grund in der Botschaft, dass der göttliche Vater seinen Sohn durch die Auferweckung zum „Universalerben“ eingesetzt hat und dass wir in diesem „neuen Testament“ alle zu Miterben geworden sind. Die Regelung dieser „Erbschaftsangelegenheit“ hat begonnen mit der Feststellung, „dass der Stein vom Grab weggenommen war“.