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Predigten

Abtweihe von P. Markus Spanier OSB in Marienberg

Lieber Altabt Bruno, liebe Äbte und Mitbrüder im priesterlichen Dienst, liebe Ehrengäste, liebe festlich gestimmte Schwestern und Brüder im Glauben, lieber Abt Markus und liebe Gemeinschaft von Marienberg! Am 8. Dezember feiert die Kirche den Beginn eines menschlichen Lebens. Sie feiert an diesem Tag, wie der große Schweizer Theologe Hans Urs von Balthasar einmal gesagt hat, eine Sternstunde unserer Heilsgeschichte. Gott setzt in Maria ein Zeichen und einen Anfang. Er nimmt diesen einen Menschen heraus aus dem Strom der Sünde und der Schuld, um für die Menschwerdung seines Sohnes und damit für die bleibende Geschichte Gottes mit dem Menschen den Weg zu bereiten. Wir feiern heute Maria als die Frau voll der Gnade – vom ersten Augenblick ihres Lebens an. Wir feiern vor allem unseren Gott, der groß denkt vom Menschen und der uns in Maria zeigt, wie sehr er den Menschen mitwirken und teilnehmen lässt an seinem Heilsplan.Wir feiern diesen großen Festtag hier in Marienberg, einem Ort, der seit mehr als 900 Jahren die Glaubensgeschichte unseres Landes mitgeprägt hat und der schon in seinem Namen uns auf Maria hinweist. Und wir dürfen diesen Festtag feiern als den Tag der Segnung des 50. Abtes dieses Klosters; ein Ereignis, das sich einreiht in eine lange Tradition und gleichzeitig ein Ereignis, das bestimmt ist hineinzuwirken in die Gegenwart und in die Zukunft dieses Ortes und seiner klösterlichen Gemeinschaft. Drei Haltungen kennzeichnen Maria und ihren einzigartigen Beitrag in der Heilsgeschichte. Diese Haltungen sollen in dieser festlichen Stunde Bitte an Gott sein und auch Auftrag für den neuen Abt Markus und für die benediktinische Gemeinschaft, der er vorsteht. Die erste Haltung: Maria ist die Hörende. Treffend sagen von ihr mehrere altkirchliche Schriftsteller: Noch bevor sie in ihrem Leibe empfing, empfing sie in ihrem Ohr. Für den hl. Benedikt beginnt alles mit dem Hören. Das erste Wort seiner berühmten Ordensregel, die ganz entscheidend die geistliche Kultur des Abendlandes mitgeprägt hat, lautet: Ausculta! Höre! Es geht um ein gutes Hören auf Gott und auf die Menschen. Zu einem guten Hören gehört, still und aufmerksam sein zu können, wach zu sein und wahrzunehmen, was ist, zu Wort kommen und aussprechen und gelten zu lassen, was da ist und lebt. Gutes Hören steht am Beginn jeder geistlichen Berufung und jeder gelebten Spiritualität. „Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden“ – mit diesen Worten umschreibt ein modernes Kanonlied diese zutiefst marianische Grundhaltung, mit der für Benedikt geistliches Leben beginnt.Lieber Abt Markus, ich wünsche Dir dieses Hören auf Gott, auf Deine Mitbrüder, auf die Kirche, auf die Stimme Deines Gewissens, auf die Zeichen unserer Zeit und auf die Fragen, Nöte, Hoffnungen und Sehnsüchte der Menschen, die Marienberg besuchen. Unsere laute Zeit mit ihren vielen Nachrichten, Stimmen, Botschaften und Werbungen braucht vor allem hörende, zuhörende, hineinhorchende, heraushorchende, geistliche Menschen! Die zweite Haltung: Maria ist die Empfangende. Maria ist so sehr Ohr, dass sie jenes alles entscheidende Wort aufnehmen kann, das Gott selber in diese Welt hineingesagt hat, mehr noch, das Gott selber ist. Maria konnte empfangen, weil sie hörte und gehorchte. Der hl. Benedikt will mit seiner Regel eine geistliche Gemeinschaft formen unter dem Wort Gottes und aus der Kraft dieses empfangenen Wortes heraus: lectio, scrutatio, meditatio, oratio, contemplatio sind die bleibend gültigen Einladungen seiner Spiritualität. Das Wort Gottes lesen, ergründen, in dieses Wort eindringen, aus diesem Wort heraus beten, dieses Wort durchbeten, sich von diesem Wort ansprechen und beanspruchen lassen, dieses Wort empfangen und diesem Wort gehorchen.„Operi Dei nihil praefertur“ – dem Lobe Gottes, dem Gottesdienst sei nichts vorzuziehen: Diesem Wort der Benediktusregel muss sich Marienberg verpflichtet wissen. Das ist eure Berufung, euer stellvertretendes Sein – vor Gott und für die Menschen. Wir brauchen heute mehr denn je Menschen, die das „quaerere Deum“, das Gott-Suchen zu ihrem Lebensinhalt machen und die uns auch als Kirche eindringlich daran erinnern, dass das Sein vor dem Tun kommt, oder besser gesagt: dass das Tun aus einem Sein herauswachsen muss.Lieber Abt Markus, ich wünsche Dir, dass Du in Deiner Verantwortung als Abt, in Deiner geistlichen Vaterrolle für dieses Kloster, ein Empfangender sein kannst und dass Du Deiner Gemeinschaft hilfst aus jenen Quellen zu schöpfen, die wir nicht machen, planen, herstellen und organisieren, sondern nur empfangen können. Leitung und geistliche Autorität darf nur derjenige ausüben, der zuerst selber hört, gehorcht und empfängt. Ich wünsche Dir, dass Du vorstehen und leiten kannst aus jener Haltung heraus, die der Evangelist Lukas bewusst zweimal von Maria aussagt: Sie aber bewahrte alles, was geschehen war in ihrem Herzen und dachte darüber nach (vgl. Lk 2,19;51). Die dritte Haltung: Maria ist die Gebärende. In der Haltung des Hörens und des Empfangens wird sie zur Mutter, zur Mutter Gottes. Kein anderer Mensch ist mit dem Geschehen von Gottes Menschwerdung so untrennbar verbunden wie Maria. Dieses unfassbare Geheimnis unseres Glaubens ereignet sich in ihr und aus ihr. Sie ist das Urbild christlicher Fruchtbarkeit.Geistliches Leben – wie Benedikt es versteht – muss fruchtbar sein. Nur Leben zieht Leben an, nur geistliches Leben bringt geistliches Leben hervor. Marienberg hat in seiner langen und bewegten Geschichte immer auch hineingewirkt in den Vinschgau und in unser Land. Dafür möchte ich heute ausdrücklich danken und darum auch bitten.„Hospes tamquam Christus“, so heißt es in der Benediktusregel: Die Gäste sollen wie Christus aufgenommen werden. Wenn ihr die Gastfreundschaft pflegt, wenn Menschen teilnehmen können am eurem Stundengebet und an euren Eucharistiefeiern, wenn ihr ein offenes Ohr habt für die Menschen, die diesen besonderen Ort aus unterschiedlichen Motiven aufsuchen, wenn ihr den Menschen die Möglichkeit zur Aussprache und zum Empfang des Bußsakramentes gebt, wenn das Kloster offen ist für gottsuchende Menschen, wenn ihr durch Aushilfen die konkrete Seelsorge unterstützt, dann lebt ihr diese geistliche Gastfreundschaft und Fruchtbarkeit. Wir brauchen heute vor allem fruchtbare geistliche Zentren und es ist eine ganz große Verarmung für eine Diözese, wenn gerade Ordensberufungen und die konkrete Präsenz von Ordensfrauen und Ordensmännern so stark abnimmt wie bei uns.Lieber Abt Markus, ich wünsche Deinem Kloster eine überzeugende, geistliche Fruchtbarkeit. Christus muss immer wieder neu geboren werden: in seinem Wort, in seiner Eucharistie und in seinen Sakramenten, in der Bereitschaft, in jedem Menschen ihn zu sehen, aufzunehmen, ihm zu begegnen und ihm zu dienen. Sehr treffend hat Papst Paul VI. einmal gesagt: „Die schönste Form, Maria zu verehren ist die Bereitschaft, Maria zu sein, und mit ihr Christus zu gebären“. „Fortis in adversis, humilis in prosperis“ – so lautet das Leitwort des neuen Abtes Markus. Wir alle erbitten Dir die Gnade, dass Du stark bleiben kannst bei Widerständen und bescheiden bei Erfolgen. Ich wünsche Dir, dass Du wie Maria, die Hörende, die Empfangende und die Gebärende, immer sagen kannst: Mit mir geschehe, wie Du es gesagt hast; und dass Du wie Maria nie vergisst: Es geht um Gott, um seine Größe, um seinen Lobpreis, um seine Anbetung, um seinen Willen und nur um seinen Erfolg. Maria, die wir heute feiern dürfen als den ersterlösten und den vollerlösten Menschen, begleite dieses Kloster, das ihren Namen trägt, und sie erbitte diesem Ort unter der Regel des hl. Benedikt den Segen und die Führung des dreifaltigen Gottes – hinein in eine gute Zukunft.