Papst Franziskus hat sein mit Spannung erwartetes Schreiben „Amoris Laetitia“ unter das pastorale Leitwort gestellt: „Es geht darum, alle zu integrieren“ (AL 297).
Unterscheiden, begleiten, Anteil nehmen: das ist der pastorale Stil von Papst Franziskus und diesen Auftrag gibt er mit diesem seinem Schreiben der Kirche.
Für diesen Auftrag gibt der Papst keine Patentrezepte und keine einfachen Lösungen: „Die Unterscheidung muss dazu verhelfen, die möglichen Wege der Antwort auf Gott und des Wachstums inmitten der Begrenzungen zu finden. In dem Glauben, dass alles weiß oder schwarz ist, versperren wir manchmal den Weg der Gnade und des Wachstums und nehmen den Mut für Wege der Heiligung, die Gott verherrlichen“ (AL 305).
Zwei Extreme sind zu überwinden und zu vermeiden: „Daher darf ein Hirte sich nicht damit zufrieden geben, gegenüber denen, die in ‚irregulären‘ Situationen leben, nur moralische Gesetze anzuwenden, als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft. Das ist der Fall der verschlossenen Herzen, die sich sogar hinter der Lehre der Kirche zu verstecken pflegen“ (AL 305). Die Kirche darf aber gleichzeitig auch nicht „darauf verzichten, das vollkommene Ideal der Ehe, den Plan Gottes in seiner ganzen Größe vorzulegen“ (AL 307).
Der Papst empfiehlt nicht den bequemen Weg des geringsten Widerstandes. Er weiß sich ganz dem Evangelium verpflichtet und aus dieser Haltung heraus auch ganz den konkreten Menschen mit ihren oft leidvollen und gebrochenen Lebensgeschichten. Er hat keine Angst vor der Realität und er lädt ein, auf die Menschen zuzugehen, die in Formen von Partnerschaft und Familie leben, die nicht den kirchlichen Normen entsprechen. Die Unterscheidung und die Begleitung brauchen nicht nur die Ehepaare und Familien in den „sogenannten irregulären Situationen“ sondern alle Ehen und Familien! Wir alle sind unterwegs und noch nicht am Ziel!
Zwei Dimensionen dieses Schreibens möchte ich besonders betonen: Papst Franziskus lädt ein, „Urteile zu vermeiden, welche die Komplexität der verschiedenen Situationen nicht berücksichtigen“. Dem Papst geht es um den Blick auf die Wirklichkeit, nicht auf das Ideal. Ohne Aufmerksamkeit für die Realität kann man weder die Bedürfnisse der Gegenwart noch den Ruf des Heiligen Geistes verstehen, heißt es im Text. Realismus helfe dabei, „ein allzu abstraktes theologisches Ideal der Ehe (...), das fast künstlich konstruiert und weit von der konkreten Situation und den tatsächlichen Möglichkeiten der realen Familien entfernt ist“, zu vermeiden (AL 36). Idealismus führt dazu, dass die Ehe nicht als das gesehen wird, was sie ist, nämlich ein „dynamischer Weg der Entwicklung und Verwirklichung“ (AL 37).
Und die zweite Dimension unterstreicht die Wichtigkeit der Gewissensbildung. Dabei sagt er: „Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen“ (AL 37). Es braucht das Schauen auf Christus und auf die Lehre der Kirche und auch das Schauen auf die konkrete Lebenssituation der Menschen. „Wenn man die zahllosen Unterschiede der konkreten Situationen (…) berücksichtigt, kann man verstehen, dass man von der Synode oder von diesem Schreiben keine neue, auf alle Fälle anzuwendende generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art erwarten durfte. Es ist nur möglich, eine neue Ermutigung auszudrücken zu einer verantwortungsvollen persönlichen und pastoralen Unterscheidung der je spezifischen Fälle“ (AL 300). Nur wo durch die Bildung des eigenen Gewissens das persönliche Unterscheiden gewachsen ist, kann es auch zu einem „pastoralen Unterscheiden“ kommen, das vor allem wichtig ist „angesichts von Situationen, die nicht gänzlich dem entsprechen, was der Herr uns aufträgt“ (AL 6).
Das ganze Schreiben ist getragen von der Liebe und Wertschätzung des Papstes für die Ehe und die Familie. Kardinal Schönborn sagte heute bei der Vorstellung des päpstlichen Schreibens: „Papst Franziskus vertraut auf die ,Freude der Liebe‘. Sie weiß den Weg zu finden. Sie ist der Kompass, der uns den Weg zeigt. Sie ist das Ziel und der Weg zugleich, weil Gott die Liebe ist, und weil die Liebe aus Gott ist. Nichts ist so anspruchsvoll wie die Liebe. Sie ist nicht billig zu haben. Deshalb braucht niemand zu fürchten, dass Papst Franziskus mit Amoris Laetitia auf einen allzu einfachen Weg einlädt. Leicht ist er nicht. Aber voller Freude!“
Es lohnt sich, dieses Schreiben aufmerksam zu lesen und sich damit im Detail auseinanderzusetzen. Mit Freude und Überzeugung möchte ich dazu ausdrücklich ermutigen! Wir werden deshalb in unserer Diözese Bozen-Brixen zu einem späteren Zeitpunkt einen Studientag organisieren, bei dem wir uns mit diesem wertvollen Schreiben eingehend beschäftigen werden.
Ich habe auch unseren Moraltheologen an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen, P. Martin M. Lintner, gebeten, einige erste Eindrücke über „Amoris Laetitia“ mit uns zu teilen (SIEHE). Seine Überlegungen sind sehr hilfreich und bieten einen guten und brauchbaren Schlüssel zu einem tieferen Verständnis des Schreibens, das Papst Franziskus heute der ganzen Kirche als kostbares Geschenk anvertraut hat.
+ Ivo Muser, Bischof
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