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Predigten

Chrisammesse - Missa chrismatis 2024

Bischof Ivo Muser

Brixner Dom

Gründonnerstag, 28. März 2024

Schon das dreizehnte Mal darf ich als Bischof diesen besonderen Gottesdienst mit euch feiern. Auf die Feier der Chrisammesse freue ich mich jedes Jahr. Die Öle, die wir weihen, verbreiten den Duft des neuen, österlichen Lebens: Das Katechumenenöl, das für die Taufbewerber verwendet wird, ist so etwas wie ein Öl der Vorfreude auf die Gemeinschaft mit Christus. Das Chrisam steht für die Würde des priesterlichen, königlichen und prophetischen Gottesvolkes. Und selbst das Öl, mit dem die Kranken und die Sterbenden gesalbt werden, ist Zeichen für die österliche Lebensmacht Gottes, die kräftigt und heilt. Die heiligen Öle werden heute von einer Taufbewerberin, von einem Vater, dessen ganze Familie in dieser Osternacht getauft wird, von Firmlingen und von Menschen, die in der Krankenhausseelsorge tätig sind, in unsere Mitte getragen.

Herzlich begrüße ich alle hier im Dom und genauso alle, die über Radio Grüne Welle und Radio Sacra Famiglia jetzt mit uns verbunden sind. Die Chrisammesse strahlt durch das Hinaustragen der heiligen Öle wie kein anderer Gottesdienst in alle Pfarrgemeinden und Seelsorgsorte unserer Diözese hinein. Im Zeichen des Chrisams feiern wir das Geschenk des Christseins: als Getaufte, Gefirmte und zum geistlich – sakramentalen Dienst Geweihte.

Einen besonderen Gruß richte ich an alle Jubilare, die auf 25, 40, 50, 60 und mehr Jahre seit ihrer Priesterweihe zurückschauen. Herzliche Glück- und Segenswünsche! Vergelt´s Gott für euer Sein und Wirken! Erneuern wir heute dankbar, versöhnt und mit Freude unsere Weihe und damit unseren sakramentalen Auftrag in der Nachfolge des Herrn. Aufrichtig verbunden sind wir in dieser Stunde auch allen kranken und gebrechlichen Mitbrüdern.

Die Chrisammesse mit ihren biblischen Texten führt uns jedes Jahr zurück an den Ursprung der Sendung Jesu. Zunächst klingt es im Abschnitt aus dem Lukasevangelium so, als ob Jesus eher zufällig auf die Stelle aus dem Propheten Jesaja stößt. Schnell wird den Zuhörenden in der Synagoge von Nazareth aber klar, dass es sich hier um keinen Zufall handelt, sondern dass dieses Prophetenwort in kürzester Form den Auftrag, den Jesus vom göttlichen Vater erhalten hat, zusammenfasst. Dieser Auftrag wird ab jetzt sein Leben bestimmen: Den Menschen die Augen für die Frohe Botschaft vom Reich Gottes zu öffnen, Menschen, die in Unfreiheit und Isolation leben, neue Freiheit zu schenken und ihnen zu sagen, dass sie unter Gottes Gnade stehen, und dass diese Gnade ihr Leben positiv verändert.

Wie diese Botschaft aus dem Mund von Menschen klingt, die das für sich angenommen haben, haben wir in der Lesung aus dem Buch der Offenbarung gehört. Dort rufen die Erwählten: „Jesus Christus liebt uns und hat uns von unseren Sünden erlöst durch sein Blut. Er hat uns zu einem Königreich gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“ (Offb 1,5f) Was für ein Selbstbewusstsein spricht aus diesen Sätzen!

In den vergangenen Wochen habe ich oft an den Ad-limina- Besuch Anfang Februar in Rom zurückgedacht. Ich habe diese Tage, zusammen mit den anderen 14 Bischöfen unserer Kirchenregion, als sehr ermutigend und bestärkend erlebt. Die wichtigste Botschaft von Papst Franziskus, die er in einer zweistündigen Begegnung an uns gerichtet hat, war für mich: „Habt keine Angst, realistisch zu sein. Nennt die Dinge beim Namen, schaut hin und verliert nicht die Hoffnung.“

In der Begegnung mit dem Papst, aber auch bei den Gesprächen in den vatikanischen Dikasterien, war die Frage nach der Situation unserer Priester ein sehr präsentes Thema. Wie geht es den Priestern unter den heutigen Bedingungen? Was macht ihnen besonders zu schaffen? Wo ist ihr Platz im synodalen Prozess? Wie gehen sie um mit dem Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverslust der Kirche, der vor allem an uns Bischöfen und Priestern festgemacht wird? Was bedeutet es für den Auftrag unserer Priester, wenn sie gar nicht so selten unter einem „Generalverdacht“ stehen, auch ausgelöst durch die Missbrauchsfälle weltweit?

Aber die Auseinandersetzung geht heute noch viel tiefer. Das ist mir ganz deutlich geworden in einem Brief, den ich etwa zeitgleich zu meinem Ad-limina- Besuch von einer Gruppe „besorgter Gläubigen unserer Diözese“, wie sie sich nannten, bekommen habe. Da steht drinnen: „Der synodale Prozess in unserer Kirche wird nur gelingen, wenn es die Berufsgruppe der Priester nicht mehr gibt. Nur dann wird eine neue, synodale Kirche entstehen“. Mit anderen Worten: Es geht hier um die Vorstellung einer priesterlosen Kirche, in der es den sakramentalen Dienst der Bischöfe, Priester und Diakone nicht mehr gibt und nicht mehr braucht. Wörtlich heißt es in diesem Brief: „Das Amt in der Kirche verhindert heute, dass Jesus und seine Frohe Botschaft wieder freigelegt werden und ihre ursprüngliche Kraft entfalten können.“ Starke Worte!

Darauf kann ich nur mit dem Glauben der Kirche antworten: Das sakramentale Amt bleibt konstitutiv für die Sendung der Kirche, weil es deutlich macht, dass die Gemeinschaft der Gläubigen aus einer Quelle lebt, die außerhalb ihrer selbst liegt. Sie kann sich das befreiende Wort nicht selbst sagen und die entscheidende Nahrung in der Eucharistie nicht selbst geben. Christus ist diese Quelle! Die sakramentale Struktur der Kirche bildet das Gegenüber des Volkes Gottes zu diesem Urquell ab. Der Priester wird aus dem Volk Gottes genommen und für das Volk Gottes geweiht. Das II. Vatikanische Konzil hat es deutlich gesagt: Das Priestertum aller Gläubigen, das durch Taufe und Firmung verliehen wird, und das Priestertum, das durch die Weihe verliehen wird, unterscheiden sich dem Wesen nach und sind gleichzeitig untrennbar aufeinander bezogen. Das eine verweist auf das andere. Das sakramentale Priestersein ist kein Chef-Privileg, sondern ein unverzichtbarer Dienst in der Kirche und für die Kirche.

Von Papst Franziskus und in den Gesprächen in den vatikanischen Dikasterien habe ich genau diese Töne und diese Akzentsetzungen gehört. Wenn von Synodalität die Rede war – und davon war häufig die Rede – ging es immer auch um diese Beziehung zwischen dem  „gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen“ und dem „Priestertum des Dienstes“. Die Synodalität in der Kirche lebt geradezu von dieser Beziehung! Bischöfe, Priester und Diakone gibt und braucht es nur für die Getauften und die Gläubigen brauchen unseren sakramentalen Dienst! Mit dieser Überzeugung danke ich heute euch, den Priestern und Diakonen, und gleichzeitig den vielen Frauen und Männern in unserer Diözese, die ihr Taufpriestertum leben und die sich oft mit großem Einsatz einbringen in unsere christlichen Gemeinschaften und Pfarrgemeinden – nicht in Konkurrenz zum sakramentalen Priestertum, das durch die Weihe übertragen wird, sondern in der synodalen Haltung und Einstellung, die sich Papst Franziskus so sehr für die ganze Kirche und alle ihre Glieder wünscht.

Liebe Mitbrüder, ich weiß, dass so mancher unter uns nicht mehr genau weiß, warum und wozu es uns braucht. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass nicht wenige von uns unter der Erfolglosigkeit unserer seelsorglichen Mühen leiden. Ich weiß, dass es unter uns Priestern die Erfahrung von Müdigkeit gibt, manchmal sogar von Resignation. Ich weiß, dass der Altersdurchschnitt unter uns Priestern so ist, wie er ist. Ich erlebe, dass unsere menschlichen Ressourcen abnehmen, dass aber die Arbeit und die täglichen Herausforderungen zunehmen. Immer wieder werde ich konfrontiert mit der Frage, wie es weitergehen wird mit der Seelsorge in unserer Diözese. Immer wieder bricht die bohrende Frage unter uns auf, warum wir so wenige Nachfolger bekommen in unserem geistlichen Dienst.

Die Ölbäume sind am fruchtbarsten, so habe ich mir sagen lassen, wenn sie auf steinigem und dürrem Boden wachsen. Im alttestamentlichen Buch Hiob ist sogar einmal die Rede von den „Ölbäumen aus dem Felsen“ (vgl. Ijob 29,6). Auch der steinige Boden wird wieder Frucht bringen. Das ist nicht eine billige Durchhalteparole. Das ist die Wahrheit von Ostern, die wir in diesen Tagen auf besondere Weise verkünden und feiern dürfen. Der christliche Glauben hat sein Fundament nicht in einem innerweltlichen Erfolgsrezept, sondern im gläubigen Realismus von Ostern: Im Tod ist das Leben. Nur als der Gekreuzigte ist Jesus der Auferstandene!

Liebe Mitbrüder, wie das Öl seinen Duft verbreitet, so möge durch unseren sakramentalen Dienst die Freude, die Christus selber ist, sich in den uns anvertrauten Gemeinden und Gemeinschaften ausbreiten. Begleiten wir mit unserem hoffnungsvollen Christusbekenntnis alle, die mit den heute geweihten Ölen gesalbt werden: unsere Täuflinge, die Firmlinge, die Kranken, P. Stefan Walder OT und P. Moritz Windegger OFM, die ich im Laufe dieses Jahres zu Priestern weihen darf. Verkünden wir als Mitglieder des einen Presbyteriums durch unser Leben und durch unseren priesterlichen und diakonalen Dienst: Die Freude am Herrn ist unsere Kraft – auch heute!