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Predigten

Chrisammesse 2019

Gründonnerstag – 18. April 2019

Bischof Ivo Muser

Den Morgen des Gründonnerstags können wir vergleichen mit einer Ouvertüre, die uns einstimmt  auf den Höhepunkt des  Kirchenjahres, auf das österliche Triduum, das heute Abend beginnt, auf die heilige Dreitagesfeier vom Leiden, vom Sterben, von der Grabesruhe und von der Auferstehung unseres Herrn.

Herzlich begrüße ich alle hier im Dom und genauso alle, die über Radio Grüne Welle und Radio Sacra Famiglia jetzt mit uns verbunden sind. Die Chrisammesse strahlt wie kein anderer Gottesdienst in alle Pfarrgemeinden und Seelsorgsorte unserer Diözese hinein. Im Zeichen des Chrisams und der Hl. Öle feiern wir das, was wir sein dürfen: Christen, Gesalbte. Menschen, die zu Jesus, dem Christus gehören, getaufte, gefirmte und zum geistlichen Dienst geweihte Christen.

Un saluto cordiale e fraterno rivolgo a te, caro Arcivescovo Giampietro. Con la tua presenza esprimi la tua vicinanza alla tua diocesi di origine. Einen ganz besonderen Gruß richte ich an alle Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, besonders an jene, die in diesem Jahr zurückschauen dürfen auf 25, 40, 50, 60, 65, 70 Jahre im Dienst des Herrn und seiner Kirche. Herzliche Glück- und Segenswünsche! Vergelt´s Gott für euer Sein und Wirken! Erneuern wir heute dankbar, versöhnt und mit Freude unsere Weihe und damit unseren sakramentalen Auftrag in der Nachfolge des gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Aufrichtig verbunden sind wir an diesem Gründonnerstag vor allem auch allen kranken und gebrechlichen Mitbrüdern.

Saluto con affetto tutti voi qui nella nostra cattedrale e tutti coloro che sono collegati con noi attraverso le due radio diocesane. Un augurio speciale e un grazie sentito dico a tutti i confratelli che nell´arco di questo anno celebrano il loro giubileo di ordinazione. Grazie per la vostra fedeltà e per il vostro servizio. Cristo, l´unto del Signore, il capo crocifisso e risorto del suo gregge, sia la vostra gioia, il vostro conforto e il vostro premio. Un saluto fraterno e riconoscente va a tutti i confratelli ammalati.

Liebe Mitbrüder im geistlichen Dienst, liebe Schwestern und Brüder! Es ist nicht verwunderlich, dass in den biblischen Lesungen dieser Chrisammesse das Wort vom Salben eine wichtige Rolle spielt. Bei seiner Antrittsrede in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazaret gibt Jesus sich als der Gesalbte Gottes zu erkennen, indem er das Wort des Propheten Jesaja auf sich bezieht: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. – Heute hat sich dieses Schriftwort erfüllt.“ (Lk 4,18.21). Für Jesus ist diese Aussage so zentral, dass sie zu seinem Namen geworden ist: Christus heißt ja: der Gesalbte.

Aber im selben Atemzug sagt er nicht nur, dass er der Gesalbte ist, sondern auch der Gesandte. Salbung und Sendung gehören untrennbar zusammen. Als Christen tragen wir die Salbung in unserem Namen, und wir sind ja tatsächlich auch gesalbt worden: Vielleicht schon unmittelbar vor der Taufe mit dem Katechumenenöl, aber ganz gewiss bei der Taufe und bei der Firmung mit dem Chrisamöl. Wir Priester haben dann noch eine dritte Salbung erhalten: in unsere Hände, mit denen wir segnen und die Gaben von Brot und Wein darbringen. Wir Bischöfe schließlich empfangen sogar eine Salbung auf den Kopf: Wir sollen uns in unserem Denken und Handeln ganz von Christus leiten lassen. Und die Krankensalbung gibt uns allen die Zusage, dass wir auch noch als kranke, hilfsbedürftige und angeschlagene Menschen Gesalbte und Gesandte bleiben.  

Unser Handeln als Christen, als Getaufte und als Gefirmte, als Bischöfe, Priester und Diakone, als Ordensleute, als Männer und Frauen im pastoralen Dienst soll ein helfendes, ein stärkendes, ein heilsames, ein heilendes Tun an den Menschen sein. Deshalb verfehlen Christen ihr Christsein und ihren Auftrag in der Kirche, wo Unheiles durch sie in die Welt getragen wird und Menschen Böses getan wird.

Die weltweit erschütternden Berichte über Missbrauch durch Bischöfe, Priester und Ordensleute beschäftigen und bedrücken mich sehr. Dabei geht es gar nicht um eine Quantität, sondern um die innere Qualität dessen, was hier geschehen ist: Dass Diener des Heilswerkes Jesu Christi sich so versündigen können! Dass unsere Verkündigung vom Wert jedes einzelnen menschlichen Lebens so verletzt worden ist! Wenn man bedenkt, dass der heilige Kirchenlehrer Irenäus davon gesprochen hat, dass „die Ehre Gottes der leibhaftige Mensch ist“, und wir zugleich sehen, wie diese Ehre Gottes auch von Mitbrüdern und von anderen Männern und Frauen in der Kirche mit Füßen getreten wurde, dann ist das beschämend und tut weh.

Der Gott Jesu Christi ist ein mit den Menschen solidarischer Gott, der – wie uns die Bibel an vielen Seiten erinnert - den Schrei der Armen und Waisen, der Witwen und Fremden, der Schwachen und Kleinen, der Unterdrückten und Ausgebeuteten hört. Das hat uns Jesus durch sein Leben und Wirken, in seinem Leiden und Sterben vor Augen geführt. Seine Auferstehung ist d a s Zeichen dafür, dass er ein Gott des Lebens ist über jeden Tod hinaus. Diese Botschaft gilt es durch unseren priesterlichen Dienst zusammen mit allen Getauften den Menschen erfahrbar zu machen. Jede Form von Missbrauch pervertiert deswegen die leidenschaftliche Liebe Gottes für den Menschen und für das Leben. Wenn wir als Diözese uns den leidvollen Geschichten von Frauen und Männern stellen, die Missbrauch erfahren haben oder erfahren, dann tun wir dies aufgrund unserer christlichen Verantwortung und Solidarität gegenüber den Opfern, damit ihnen Gerechtigkeit widerfährt. Im Blick auf die Täter sind alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit sie von ihrem Verhalten wegkommen, ihr Verhalten bereuen und - soweit möglich - Heilung erfahren.

An diesem Gründonnerstag bekräftige ich nochmals, dass ich mich stellvertretend für alle Priester, die sich an Kindern und Jugendlichen vergangen haben, entschuldige und um Verzeihung bitte. Der Schutz und das Wohl der Minderjährigen haben oberste Priorität als ureigener Auftrag der Seelsorge im Dienst an den Menschen. Dies gilt für uns als Priester und Ordensleute und genauso für alle Getauften und Gefirmten! Wichtig und notwendig ist die Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Kräften, um auch in den Familien und in allen anderen sozialen Einrichtungen präventiv tätig zu sein.

Ich denke an diesem Gründonnerstag an so viele treue Mitbrüder, bei uns und weltweit, die redlich und Tag für Tag ihren Dienst tun und jetzt die Erfahrung machen, einem Generalverdacht ausgesetzt zu werden, die sich fürchten, die liebevolle Nähe, die unbedingt zum seelsorglichen Dienst gehört, nicht mehr zeigen zu dürfen. Viele Mitbrüder sind deshalb auch persönlich verletzt und auch verunsichert. Gerade in den vergangenen Wochen haben mehrere Mitbrüder mir gesagt und geschrieben, wie sehr ihnen diese Situation zusetzt.

Seelsorge braucht Nähe! Aber in allen unseren Beziehungen braucht es einen verantwortlichen und achtsamen Maßstab von Distanz und Nähe, der dem Tun Jesu entspricht. Die beste Medizin gegenüber Verallgemeinerungen und Verdächtigungen ist das persönliche und glaubwürdige Zeugnis von uns Priestern und Ordensleuten selber!

Ich wünsche mir, dass wir in unserer Diözese den eingeschlagenen Weg der Kultur der Transparenz und der Verantwortung, der Offenheit und des Vertrauens weitergehen. Nur so können sich Frauen und Männer, die durch Priester und Ordensleute unschuldig eine Form von Missbrauch erlitten haben, ihr Leid aussprechen, entsprechende Unterstützung erhalten und die ihnen zustehende Gerechtigkeit erfahren.  

Liebe Mitbrüder, fragen wir uns alle an diesem ganz besonderen Tag, an dem wir unsere Weihe erneuern: Wie sehr ist uns bewusst, dass auch wir Priester belastete und verwundete Menschen bleiben? Welche Bedeutung hat das Bußsakrament für uns – gerade für uns Priester, Diakone und Ordensleute? Schauen wir auch das an, was wir nicht gerne anschauen in uns? Was tun wir, um unsere eigene Sexualität gut und verantwortet leben zu können? Nehme ich Hilfe an – menschliche, geistliche, psychologische Hilfe? Lasse ich mir etwas sagen – von meinen Vorgesetzten, von anderen Mitbrüdern und von meinen Schwestern und Brüdern im Glauben? Neige ich zu Alleingängen, zu Arroganz, zur Absonderung? Wie gehen wir um mit Macht, gerade auch mit der geistlichen Macht, die mit dem Weihesakrament verbunden ist?

Liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder durch Taufe und Firmung, möge dieser besondere Gottesdienst, der durch die heiligen Öle die heilende und tröstende Dimension unseres Glaubens unterstreicht, uns stärken, das zu sein, was wir durch unsere Berufung sind: Gesalbte und Gesandte – für das Heil der Menschen. In Dankbarkeit und Demut, in Reue und in Freude.

Ich schließe mit den Worten von Papst Franziskus am Ende des Treffens zum „Schutz von Minderjährigen“ im Vatikan am vergangenen 24. Februar: „Lasst mich nun allen Priestern und gottgeweihten Personen innigen Dank sagen, die dem Herrn treu dienen. Sie fühlen sich vom schändlichen Verhalten einiger ihrer Mitbrüder entehrt und in Misskredit gebracht. Alle – die Kirche, gottgeweihte Personen, das Volk Gottes und sogar Gott selbst – wir alle tragen die Folgen ihrer Untreue. Im Namen der ganzen Kirche danke ich der überwältigenden Mehrheit der Priester, die nicht nur den Zölibat treu leben, sondern in einem Dienst aufgehen, der heute durch die Skandale einiger weniger, aber immer zu viele, ihrer Mitbrüder schwieriger geworden ist. Und Dank gilt auch den Gläubigen, die ihre eifrigen Hirten sehr wohl kennen und weiter für sie beten und sie weiterhin unterstützen.“