Sonia Salamon
1. Kurze Auslegung von Lk 3,1-6
Die ersten beiden Verse dieser Perikope zählen zeitgeschichtliche Herrscher im weltlichen und religiösen Bereich auf. Einerseits kann dadurch das Auftreten des Johannes weltgeschichtlich geortet werden, andererseits wird in Erinnerung gerufen, dass die Heilsgeschichte sich in der konkreten Geschichte der Menschheit (mit ihren Kriegen, Unterdrückungen, Not und Elend…) ereignet.
Gegenüber der Perikope des kommenden dritten Adventsonntages (welche die Umkehr konkret in den Blick nimmt) wird in den Versen dieser Perikope die Rolle und Funktion des Johannes hervorgehoben. Dabei wird Johannes als Prophet charakterisiert und weniger als Täufer. Dementsprechend schließt sich in V 2 die Formulierung „das Wort Gottes erging an Johannes“ an. Viele prophetische Bücher im Alten Testament beginnen mit dem Ruf Gottes, welcher an den jeweiligen Propheten erging (vgl. Jer, Hos). Johannes wird somit als Prophet beschrieben, der ganz im Dienst der Verkündigung steht. Es fällt dabei auf, dass Lk gegenüber Mk und Mt nicht die asketische Gestalt und Nahrung des Johannes hervorhebt. Der weitere Hinweis in V 2, dass Johannes der Sohn des Zacharias ist, ist ein Rückverweis auf Lk 1,5-25 und 1,57-80. Es werden seine priesterliche Herkunft und seine angekündigte Größe in Erinnerung gerufen. Johannes ist somit kein gewöhnlicher Prophet.
Die abschließenden Verse greifen ein Zitat aus dem Jesajabuch auf. Es spricht die alttestamentliche Hoffnung an: Das Volk Gottes im Exil hofft auf seine Rückkehr nach Jerusalem. Der dabei angesprochene Weg verdeutlicht anhand des beschriebenen Landschaftsbildes, dass dabei alles vollkommen umgestaltet sein wird. Diese Hoffnung gipfelt in der universalen Heilsperspektive (V 6): Allen Menschen wird das Heil zuteil kommen – ein Thema, das das gesamte lukanische Werk durchzieht.
2. Zielsatz
Der Gemeinde wird Johannes als Prophet vorgestellt, der Jesus vorausgeht, das Heil für alle Menschen ankündigt und Menschen auf dieses Heil (Jesus) vorbereitet.
3. Predigtgedanken
Motivation
Viele sind in diesen Tagen auf der Suche nach Geschenken. Wenn Sie die Zeitung aufschlagen oder das Fernsehgerät einschalten, dann teilen Ihnen unterschiedliche Werbungen mit, worüber sich Ihre Kinder, Ihr Partner oder Ihre Partnerin oder andere Ihnen nahestehende Menschen freuen. Es scheint, als ob manche Unternehmen genau wissen, was wir brauchen und worüber wir uns freuen. Es scheint, dass sie die Propheten unserer Zeit sind, die uns voraussagen, was wir zu unserem vollkommenen Glück brauchen.
Problemfragen
Aber was sind eigentlich Propheten?
Versuch und Irrtum
Sind es jene Menschen, die nach unserem Mund reden und das aussprechen, was wir uns nicht getrauen? Können wir jene Menschen als Propheten bezeichnen, welche uns sagen, wie wir leben sollen bzw. was wir brauchen und welche dann letztendlich selbst daran verdienen? Vieles wird unter dem Deckmantel „zum Wohl der Allgemeinheit“ versprochen und verheißen, vieles wird im Eigeninteresse getan.
Lösung
Wenn wir das heutige Evangelium anschauen, dann begegnet uns ein Prophet ganz anderer Art. Es ist Johannes, der uns meist unter seinem Beinamen „der Täufer“ bekannt ist. Johannes ist dabei kein gewöhnlicher Prophet. Wie die Propheten aus dem Alten Testament folgt auch er dem Ruf Gottes und verkündet im Namen Gottes. Und was verkündet er? Er fordert zur Umkehr auf, denn es geht um die Erwartung des Heils. Mit Heil wird die Sehnsucht nach Erlösung, nach Rettung und nach dem vollkommenen Glück verbunden. Wenn etwas heil wird, dann wird etwas wieder gut. Hier ist mit Heil Jesus gemeint. Und es wird daran erinnert, dass dieses Heil allen Menschen zu Gute kommt, nicht bloß Einzelnen, etwa Frommen oder anderen Auserwählten. Nein, im letzten Vers des heutigen Evangeliums wird betont, dass dieses Heil, das von Gott kommt, alle sehen werden. Jesus hat sich allen Menschen zugewandt, bzw. besonders auch jenen, die ausgegrenzt oder ausgeschlossen waren. Jesus konnte bei jenen ankommen, die eine große Sehnsucht nach Heil hatten und auch bereit waren, ihr Leben dementsprechend zu ändern.
Johannes kündigt also dieses Heil an. Als Prophet deutet er die Zeichen seiner Zeit, allerdings anders als unsere Werbepropheten. Johannes ebnet den Menschen nicht die Bahn, sondern er fordert die Zuhörenden auf, die Straßen zu ebnen, Berge abzuschöpfen und Schluchten aufzufüllen. Er redet also seinen Zuhörenden nicht nach dem Mund, sondern fordert sie auf, ihr Leben zu ändern. Nur so können sie das Heil erfahren.
Lösungsverstärkung
Was heißt dies nun für uns Zuhörende in der heutigen Zeit? Auch wir sind aufgefordert, unser Leben zu prüfen, Berge abzuschöpfen und Schluchten zu füllen. Auch wir erwarten Jesus Christus und sind jetzt im Advent besonders eingeladen, uns darauf vorzubereiten. Daher die Frage an uns: Füllen wir Schluchten auf oder schichten wir Berge auf? Oder: Schöpfen wir Berge ab oder höhlen wir Schluchten aus? Wie bereiten wir uns im Advent auf Weihnachten vor?
Geht anders, denn Gott ist nahe.
Predigtimpuls 2021 zur Aktion "Gott ist nahe"
Reinhard Demetz
Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt und jeder Berg und Hügel abgetragen werden. Was krumm ist, soll gerade, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil Gottes schauen.
(Lk 3,4-6 = Abschnitt aus dem Evangelium Lk 3,1-6)
Botschaft (Was ich vom Wort Gottes her heute sagen möchte)
Wege entstehen, indem man sie geht. Wir können den Weg des Herrn bereiten, indem wir jetzt schon seine Wege gehen: die geraden Wege der Gerechtigkeit, die aufrechten Wege der Wahrheit, die leichten Wege der Bescheidenheit, die großzügigen Wege der Vergebung und Barmherzigkeit. Christen sollte man an ihrem Gang erkennen: sie gehen anders, irgendwie leichter.
Problematisierung (Fragen und Problemkreise, auf welche die Botschaft antwortet)
- Die Umkehrbotschaft des Rufers in der Wüste kann zu einer „Leistungsgerechtigkeit“ führen: Gott wartet mit seinem Kommen, bis wir seine Bedingungen erfüllt haben. Dies führt in eine religiöse Leistungsspirale: was muss ich alles leisten, damit ich für Gott gut genug bin?
- Johannes predigt die Umkehr: wie leicht ist es aber, die Umkehr der anderen zu predigen, wie schwierig ist es aber, selbst umzukehren. Ist das menschlich zu schaffen? Bleibt nicht immer ein unversöhnter Rest in mir, ein erlösungsresistenter Keim? Wie kann ich so vor Gott treten?
Kontexte (Wo wird die Botschaft relevant?)
- Leistung ist einer der Kernbegriffe unserer Welt. Im Beruf, in der Schule, in der Freizeit. Die sozialen Medien sind ein Spiegel dafür: ich poste das optimierte Schaukastenbild meiner selbst in der Hoffnung auf Bestätigung und Zuspruch durch Likes und shares. Wer nicht leistet ist nicht. Eine unerfüllte Sehnsucht ist das, was bleibt. Die Fülle des Lebens können wir uns selbst nicht geben. Denn alles, was wir tun ist unvollkommen und klein. Johannes hat eine Freudenbotschaft für uns: Gott selbst wird kommen und uns die Fülle bringen, die wir uns selbst nicht geben können. Wir dürfen ihm einen „Landeplatz“ bereiten, indem wir uns bemühen, unseren kleinen Teil am Guten beizutragen. Die Fülle aber ist Geschenk und nicht Verdienst.
Viele Menschen bleiben der Kirche fern. Manchmal ist es einfach Desinteresse. Oft aber stoßen sie sich am hohen moralischen Anspruch, den wir hier vertreten, und fürchten, dem nicht gerecht werden zu können. Oder sie stoßen sich am Missverhältnis zwischen dem, was wir predigen und der Art, wie wir selbst leben. Alle Bibeltexte des zweiten Adventsonntages stellen nicht die Moral, sondern die Frohbotschaft der Erlösung in die Mitte. Durch unsere Versuche, gut zu leben, werden wir nicht bessere Menschen, sondern geben Zeugnis von Gott, der kommen wird. So kann unsere moralische Gangart leicht und unverkrampft sein, ohne Ecken und Kanten, weil sie aus der Vorfreude der Erlösung kommt.