Arnold Stiglmair
1. Kurze Auslegung von Mk 1,7-11
Der Abschnitt ist dem Prolog des Evangeliums (1,1-15) entnommen. Darin wird Johannes – nach dem Zeugnis von 1,2f – die beiden Verse sind eine Kombination von Mal 3,1; Ex 23,20 und Jes 40,3 – als der „wiederkommende Elija“ vorgestellt, dessen Wirken von Markus ganz auf den Messias Jesus verweist; er kündigt den „Stärkeren“ an, der Israel „im Heiligen Geist“ tauft. Damit wird wohl auf die Wiederherstellung des Gottesvolkes in Ez 36 verwiesen: 24 Ich hole euch heraus aus den Völkern, ich sammle euch aus allen Ländern und bringe euch in euer Land. 25 Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen. 26 Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. 27 Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt. Johannes ist der, der Israel mit Wasser reinigt, der „Stärkere“ legt den „Geist Gottes“ auf das Volk. Diesen Stärkeren stellt der Evangelist vor in Jesus aus Nazaret, der sich wie alle anderen aus Judäa und Jerusalem von Johannes taufen lässt. Dann deutet der Evangelist aber diesen äußeren Vorgang, der sicher historisch ist, nun völlig neu durch eine Vision Jesu, von der nur Jesus und die Leser des Evangeliums wissen: Aus der Welt Gottes kommt der Geist auf Jesus und die Stimme „identifiziert den Galiläer Jesus mit dem >Du<, das im himmlischen Thronrat von Gott angesprochen wurde (1,2). Dazu wird im Zitat aus Ps 2,7 (‚mein Sohn bist du’) das >Du< betont vorangestellt und die Adoptionsformel ‚heute habe ich dich gezeugt’ durch Zitationssplitter aus dem Lied vom Gottesknecht, auf den Gott seinen Geist legt (Jes 42,1) und der Erzählung von Abraham, der seinen Sohn den schweren Weg zum Berg im Land Morija führt (‚geliebter Sohn’ Gen 22,2.12.16) ersetzt“ (M. Ebner). Der Evangelist Markus macht am Beginn seines „Evangeliums“ durch diese so gedeutete Taufszene deutlich, wessen „Geschichte“ er im Folgenden erzählt: die „Geschichte“ des Jesus aus Nazaret, den die Gemeinde in ihrem Glauben bekennt als d e n „Geistträger“, d.h. als den, in dem der Gott Israels auf nicht mehr überbietbare Weise seine weltverändernde Herrschaft aufrichtet, die den Völkern eine Lebensordnung vermittelt, in der „das geknickte Rohr nicht zerbrochen und der glimmende Docht nicht gelöscht wird“ (vgl. Jes 42,3) und in dem Gott als der Jahwe-Jire (JHWH sieht) (vgl. Gen 22,14) offenbar wird.
Zur Situierung des gesamten Markusevangeliums ist zu vermerken, dass es verfasst wurde, als im römischen Reich Kaiser Vespasian als der neue Herrscher um seine Anerkennung gerungen hat und eine mächtige Propaganda, die auch alle religiösen Register von Wundererzählungen über erfüllte prophetische Ankündigungen zog, diese Herrschaft zu festigen suchte.
2. Zielsatz
Ich möchte meiner Gemeinde bewusst machen: Jesus von Nazaret ist für uns d e r „Ort“, in dem Gott uns begegnet als der, der eine Gemeinschaftsordnung für die Welt aufrichtet, in der „das geknickte Rohr nicht zerbrochen und der glimmende Docht nicht gelöscht wird“.
3. Predigtgedanken
Motivation
Gerade die Weihnachtszeit konfrontiert uns ausgiebig in immer neuen Varianten mit der Gestalt Jesu. Dabei werden sicher so manchen Glaubenden wieder die Schwierigkeiten bewusst, diese Gestalt in das eigene Gottesbild einzuordnen. So hört man auch immer wieder von Menschen, die Sonntag für Sonntag bekennen „Ich glaube an den einen Gott …“, dass sie sagen:
Problemfrage
„Macht es denn Sinn, die Gestalt Jesu so wichtig zu nehmen? Mir genügt eigentlich der Gott, wie er in Ps 23 begegnet: 1Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. 2 Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. 3 Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen…“
Lösung
1) Dem Evangelisten und Katecheten der Urkirche Markus war es ungeheuer wichtig, die Jesusgeschichte zu erzählen. Es ist für ihn, für seine Mitchristinnen und Mitchristen nicht nur irgendeine Geschichte von irgendeinem wichtigen gottbegnadeten Menschen. Er nennt diese Geschichte Euangelion. So nannte man in Rom die wichtigen Nachrichten und Botschaften, die vom Herrscherhaus in alle Welt hinausgingen, wenn ein wichtiger militärischer Sieg zu vermelden war oder wenn die Machtergreifung durch einen neuen Herrscher angekündigt wurde. In diesem Sinn greift auch schon Jes 52,7 das Zeitwort „frohbotschaften (euangelizein)“ auf, um Zion zu vermelden: Dein Gott hat die Herrschaft angetreten.
Wenn Markus seinen Mitglaubenden die Jesusgeschichte als euangelion (Frohbotschaft) erzählt, dann will er von einem solchen Herrschaftswechsel in der Welt reden, der ausgerechnet mit dem Auftreten Jesu aus Nazaret geschehen ist. Sein Auftreten von allem Anfang an und auch sein ganzes Leben will nach der glaubenden Überzeugung der Christen nur dieses eine ausdrücken: Gott richtet eine – unserer Welt eigentlich widersprechende – Herrschaftsordnung auf, wo das zählt, was unter den Herrschern dieser Welt nicht zählt: dass auch „das geknickte Rohr und der glimmende Docht“ eine Chance haben. In der Bildsprache der Erzählung von der Taufe Jesu, dass Gott selber diesen Jesus anlässlich der Taufe durch Johannes als seinen Herrschaftsrepräsentanten vorstellt, soll dies verkündet werden.
2) So können auch wir die Gestalt Jesu eigentlich im Hinblick auf unsere Gottesbeziehung und unser Gottesbild nicht wichtig genug nehmen. An Jesus geht uns auf, wie Gott als der Hirte uns nachgeht, unser Leben hält, gerade dort uns begleitet, wo es am dringlichsten ist, wo der Weg am schwierigsten und die Luft am dünnsten ist. An Jesus, der seinen „Königsweg“ konsequent bis nach Golgota gegangen ist, geht den glaubenden Christen auf, welche Wege Gott mit uns geht, nicht nur diejenigen die von Erfolg gekennzeichnet, sondern auch die, die mit vielen Fragezeichen und Ängsten gepflastert sind.
So wird verständlich, warum dieses Leben und diese Gestalt Jesu ihre Faszination bis heute nicht verloren haben auch für Menschen anderer Religionen. Mit den vielen, die sich für ihn begeistern, können auch wir uns mitreißen lassen.
Reinhard Demetz
"Auf ins Leben, denn Gott ist da"
Predigtimpuls 2021 zur Aktion "Gott ist nahe"
Und es geschah in jenen Tagen, da kam Jesus aus Nazaret in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel aufriss und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.
(Mk 1,9-11 = Abschnitt aus dem Evangelium Mk 1,7-11)
Botschaft
Gott ist bei dir. Du bist sein geliebtes Kind. Darum kannst und sollst du seine Liebe hinaustragen in die Welt. Gottes Geist befreit zum Leben.
Predigtelemente
Markus setzt die Erzählung von der Taufe Jesu ganz an den Anfang seines Evangeliums. Es gibt in seinem Evangelium keine Weihnachtsgeschichte, keine Erzählungen aus der Kindheit Jesu. Während Matthäus (Lesejahr A) und Lukas (Lesejahr B) am Anfang ihrer Evangelien der irdischen Abstammung Jesu und seiner menschlichen Geburt Aufmerksamkeit widmen, interessiert sich Markus vor allem für Jesu “Geburt von oben” (Joh 3,3). Als entscheidenden Moment macht Markus hier die Taufe Jesu im Jordan aus. Auch für uns gibt es gleichsam zwei Momente der Geburt: die Geburt ins irdische, physische Leben und die Geburt in das Leben als Kinder Gottes. Auch für uns ist die Taufe der entscheidende Moment, mit dem wir hineingenommen sind in die Wirklichkeit des Lebens, des Todes und der Auferstehung Jesu Christi. “Du bist mein geliebter Sohn”: lassen wir diese Worte nochmals in uns nachklingen. In diesem “Du” ist nicht nur Jesus allein gemeint. Auch wir sind durch die Taufe mit hineingenommen in dieses Geschehen. “Du”, ja genau Du bist mein geliebter Sohn.
Fast möchte man gleich dazufügen “meine geliebte Tochter” - so würde es unserem heutigen Empfinden entsprechen. Doch lohnt es sich - bevor dieser richtige Schritt gemacht wird - noch kurz beim “Sohn” stehen zu bleiben. Lukas zitiert hier Psalm 2,7. Dieser Psalm ist einer der Thronbesteigungspsalmen, d.h. eines der Gebete und Lieder, die bei der Krönung eines Königs verwendet wurden. Mit “Sohn” ist hier nicht einfach ein Kind gemeint, sondern der Kronprinz, der Thronfolger, der gerufen ist, das Amt und das Vermächtnis der Königs zu übernehmen. “Mein Sohn bist du” heißt also soviel wie: ich sende dich, du bist mein Statthalter, du bist mein Beauftragter. In der Taufe sind wir alle in diesem Sinne “Söhne” Gottes geworden: Gott schenkt uns seine Liebe und macht uns dabei zu Gesandten, zu seinen Stellvertretern als Boten der Liebe. Und selbstverständlich gilt das auch für die “Töchter”.
Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter: das Geheimnis der Taufe ist in dieser einen Zusage schon ganz enthalten. Gott nimmt mich an in Liebe und er macht mich zum Boten seiner Liebe. Er beschenkt und beauftragt mich mit seiner Liebe.
An den Eingängen zu unserer Kirche finden wir ein Weihwasserbecken. Wie oft haben wir uns hier fast reflexartig mit dem Weihwasser bekreuzigt, ohne wirklich darüber nachzudenken, was wir hier eigentlich tun? Das Weihwasserbecken erinnert uns daran, dass am Anfang unseres Christseins nicht eine Leistung steht, sondern eine liebevolle Zusage: du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter. Mit dem Ritus beim Betreten und Verlassen der Kirche erinnern wir uns an die Zusage, dass Gott uns in der Taufe annimmt, sodass wir jederzeit voll Vertrauen zu ihm kommen können. Unser Leben ist in seiner Hand geborgen, auch wenn es manchmal schwer ist und auch wir selbst nicht vollkommen sind. Gott nimmt uns an, so wie wir sind. Er vertraut uns seine Frohbotschaft an, die wir als Boten und Botinnen, als Werkzeug seiner Liebe in die Welt tragen sollen. Das heutige Fest der Taufe des Herrn ist eine gute Gelegenheit, das Kreuzzeichen beim Betreten und Verlassen der Kirche ins Licht zu rücken. Wir bekreuzigen uns ganz bewusst und können das mit einem kurzen Gebet verbinden, das leicht auswendig zu lernen ist:
Kreuzzeichen beim Betreten der Kirche:
Im Wasser der Taufe
hast du mich in Liebe angenommen.
Zu dir komme ich im Gebet.
Kreuzzeichen beim Verlassen der Kirche:
Aus dem Wasser der Taufe
hast du mich in die Welt gesandt.
Mach mich zum Werkzeug deiner Liebe.
Evtl. hier Hinweise auf Materialien (Link) einbringen, die im Pfarrblatt oder am Schriftenstand zu finden sind.
Auch das Segnen mit Weihwasser zu Hause erinnert uns an unsere Taufe. Für die Eltern kann dies eine schöne Art sein, mit ihren Kindern gemeinsam auf dem Weg mit Gott zu bleiben. Ein kleiner Ausflug in die Kirche kann genauso wie das Segnen beim Verlassen des Hauses ein inniger Moment sein, um ins Gespräch zu kommen. Nicht nur die Kinder, sondern auch Eltern werden dabei neu erleben, wie wohltuend es ist, sich von Gott angenommen zu wissen und so einander anzunehmen.
Gott wohnt mitten in unserem Alltag, in unseren vier Wänden! Er ist immer und überall da in unserem Leben. Dass wir von ihm angenommen und ebenso von ihm gesandt sind, daran erinnern uns die Weihwasserbrunnen, die wir in vielen Häusern haben.
So möchten wir mit dem Fest der Taufe des Herrn dazu einladen, auch zu Hause den schönen Ritus des Segnens zu leben. Wenn Sie ihr Kind mit Weihwasser segnen, ist das eine Erinnerung an die Taufe und es können sich liebevolle Rituale entwickeln. Der Segen ist Ausdruck der Gewissheit, dass Gott sich dir/uns zuwendet und dich/uns als Botinnen und Boten seiner Liebe sendet.
Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter!