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Hirtenbriefe

"Auf ihn sollt ihr hören" (Mt 17,5)

Liebe Schwestern und Brüder in unserer Diözese Bozen-Brixen! Zum Leben gehört Veränderung. Wir wandeln uns ständig. Vom Embryo zum Baby, vom Kind zum Jugendlichen. Und auch der Erwachsene kennt keinen Stillstand. Junge Erwachsene werden zu Menschen "im besten Alter", und schneller als wir denken kommt das Älterwerden. Wandel gibt es nicht nur in der Folge der Lebensalter. Auch seelischen Wandel erleben wir, zum Guten oder zum Schlechten, zum Besseren oder zum weniger Guten. Probleme lösen sich oder werden belastender. Unsere "seelische Grundstimmung" im Leben kann heller oder dunkler werden, freudiger oder trauriger. Wir bemerken es an anderen und sagen dann: Er oder sie haben sich zum Guten oder nachteilig verändert. "Verklärt"! So beschreiben die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas den geheimnisvollen Vorgang, den die drei Apostel Petrus, Jakobus und Johannes mit Jesus auf einem hohen Berg in Galiläa erleben. Sie dürfen Jesus ganz in seiner inneren Beziehung zum Vater erleben. "Metamorphose" ist das griechische Wort dafür: Gestaltwandel. Was bedeutet Jesu "Verklärung"? Seine Gestalt hat sich nicht äußerlich geändert, sondern von innen her zu leuchten begonnen. Sein "inneres Licht" wurde für eine Weile in seinem Leib sichtbar. Sein Gottsein leuchtete in seinem Menschsein auf. Die Stimme Gottes nennt den Grund für diese "Metamorphose": "Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören" (Mt 17,5). Jesus ist ganz und gar, durch und durch, mit Gott verbunden, ja er ist selber Gottes Sohn. Für eine kurze Zeit dürfen die drei Zeugen sehen, wie Jesus den Glanz Gottes in seiner Menschengestalt verborgen trägt. Dann ist es wieder, wie es vorher war; sie sehen Jesus wie sonst auch. Der Alltag ist wieder da. Der Weg geht weiter. Es ist kein Spazierweg, sondern der Weg hinauf nach Jerusalem, der Weg der Nachfolge, in seinen Fußstapfen, hinter ihm her. Aber das Erlebte bleibt unvergesslich in ihren Herzen. Warum liest die Kirche seit alter Zeit das Evangelium von der Verklärung Jesu jedes Jahr am zweiten Fastensonntag? Ich glaube, sie will damit sagen, worum es in der Fastenzeit geht: Um unsere Verwandlung, um eine echte "Metamorphose" von innen her. Der alte Mensch soll abgelegt, der neue Mensch "angezogen" werden. Bei unserer Taufe wurde dies ausgedrückt durch die Überreichung des weißen Kleides. Leben, Glaube, Christusnachfolge haben immer mit Wandel zu tun. Die Verklärung Christi ist wie ein Leitstern. Gott will in unserem Leben aufleuchten, er will es zum Leuchten bringen. Dabei werden die offenen und ungelösten Fragen und die schmerzlichen Ereignisse nicht verdrängt und ausgeblendet. Jesu Weg ging über das Kreuz. Das Ziel aber war Verwandlung: über das Kreuz zur Auferstehung, über Golgota hin zum Ostermorgen! Um eine "Metamorphose" geht es auch bei unserer Diözesansynode. Mit großer Freude und Dankbarkeit habe ich festgestellt, wie viele Menschen an den offenen Veranstaltungen der Synode teilgenommen haben. Die starke Beteiligung und die Qualität der Beiträge sind Ausdruck der Bereitschaft, sich auf einen Veränderungs- und Erneuerungsprozess einzulassen. Nun gilt es zu entscheiden, welche Themen vertieft werden müssen, damit sich die Diözese von innen her erneuert. Papst Benedikt XVI. schrieb 2010 im Apostolischen Schreiben "Verbum Domini": "Die Kirche gründet in der Tat auf dem Wort Gottes, sie entsteht und lebt aus ihm. In allen Jahrhunderten seiner Geschichte hat das Volk Gottes stets in ihm seine Kraft gefunden, und die kirchliche Gemeinschaft wächst auch heute im Hören, in der Feier und im Studium des Wortes Gottes" (3). Nachhaltige und echte Erneuerung wird es in der Kirche nur geben, wenn wir uns auf Christus hin ausrichten, den geliebten Sohn, an dem Gott Gefallen gefunden hat. Dies geschieht in besonderer Weise, wenn wir auf ihn hören. In der Frohen Botschaft finden sich die Antworten auf die großen Fragen des Lebens, Perspektiven für unsere persönliche Lebensplanung und Lebensgestaltung sowie die Grundsätze für ein geschwisterliches Miteinander. Die Fastenzeit ist eine gute Gelegenheit, um das Hören auf das Wort Gottes zu üben. Dafür empfehle ich die Methode der "lectio divina". Sie hilft, nicht nur mit dem Ohr zu hören, sondern auch mit dem Herzen (vgl. 1 Kön 3,9). So kann das Wort Gottes in uns wirken und uns von innen her erneuern. Diese Art des Schriftgebetes geht auf die Wüstenväter zurück und hat über die Jahrhunderte herauf, bis in unsere Zeit, vielen Menschen geholfen, sich vom Wort Gottes prägen zu lassen. Die Methode folgt einem Viererschritt: - Lectio (Lesung): Das Wort Gottes kann nur gehört werden, wenn es gelesen und verkündet wird. Möge in der Fastenzeit das Verkünden der Frohen Botschaft einen breiten Raum einnehmen. In besonderer Weise empfehle ich das bewusste Hinhören auf das Wort Gottes in den Eucharistiefeiern, den Wort-Gottes-Feiern und in Bibelrunden. - Meditatio (Meditation): Das Gehörte kann in uns nur wirken, wenn es nachklingen kann. Ich empfehle daher, bei einem Vers oder einem Wort zu bleiben. Es ist wichtig, dass wir uns unter das Wort Gottes stellen, dass wir es in uns wirken lassen, es mitnehmen in den Alltag hinein und darauf achten, was es uns sagt. - Oratio (Gebet): Das Wort verlangt eine Antwort. Diese wird einerseits im persönlichen und gemeinsamen Gebet gegeben, aber auch durch das Leben, das selbst zum Gebet wird. - Contemplatio (Kontemplation): Damit die Erneuerung aus dem Wort Gottes nachhaltig bleibt, gilt es, bei Gott zu verweilen, vor ihm das eigene Leben zur Sprache zu bringen. Dafür empfehle ich bewusste Zeiten der Stille in der Liturgie, wie auch im persönlichen Beten. Wenn wir in dieser Fastenzeit Hörende werden, wird das Wort Gottes uns von innen her verändern, uns als Einzelne, aber genauso auch als Gemeinschaft, erneuern. Das Wort wird uns vielleicht dazu führen, das zu tun, was wir bisher noch nicht getan haben. Vor allem aber wird es uns zu frohen Christen machen, die Papst Franziskus in seinem Schreiben "Evangelii gaudium" so sehr wünscht, wenn er schreibt: Ein Verkünder des Evangeliums darf "nicht ständig ein Gesicht wie bei einer Beerdigung haben. Gewinnen wir den Eifer zurück, mehren wir ihn und mit ihm die innige und tröstliche Freude der Verkündigung des Evangeliums, selbst wenn wir unter Tränen säen sollten … Die Welt von heute, die sowohl in Angst wie in Hoffnung auf der Suche ist, möge die Frohbotschaft nicht aus dem Munde trauriger und mutlos gemachter Verkünder hören, die keine Geduld haben und ängstlich sind, sondern von Dienern des Evangeliums, deren Leben voller Glut erstrahlt, die als erste die Freude Christi in sich aufgenommen haben" (10). Ein ganz kostbares Geschenk, das uns die Kirche in der Fastenzeit in besonderer Weise ans Herz legt, ist das Sakrament der Versöhnung. Im Hören auf das Wort Gottes stellen wir uns der Wahrheit unseres Lebens, jener Wahrheit, die frei macht. Nur was angenommen und zugegeben wird, kann auch erlöst werden. Im Licht des Wortes Gottes öffnen wir uns für die befreiende Zusage des Sakramentes: "Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr" (Joh 8,11). Hier geht es auch um Verklärung, um Wandlung und Verwandlung!„Auf dein Wort hin - mit Freude und Hoffnung“. Der gekreuzigte und auferstandene Herr begleite uns auf dem Weg hin zum ältesten, größten und wichtigsten Fest des ganzen Jahres. Er schenke uns seinen Heiligen Geist, der uns durch unsere Synode Mut macht "auf IHN zu hören". + Ivo Muser, BischofAschermittwoch, 5. März 2014